Wahrscheinlich ist 2020 das Jahr, in dem so viel neue Musik geschrieben wurde wie selten zuvor. SOMETIMES GO haben sich jedenfalls auch dazu entschieden, die Gunst des Lockdowns zu nutzen, um mit „Mountains“ ein Album aufzunehmen, das Erinnerungen an ELLIOTT, AMERICAN FOOTBALL aber auch an DEAR DIARY oder COLOURFUL GREY weckt. Das liegt vor allem daran, dass hier mit Sänger und Gitarrist Dennis sowie Simon an der Gitarre, Stefan am Bass und Nico am Schlagzeug ein paar Leute Musik machen, die wissen, was sie tun. Ihr auf Midsummer Records erschienenes Album klingt wie eine Zeitreise in die Anfangstage eines Genres, das mittlerweile manchmal abgeklärt, müde und erwachsen wirkt. Warum die elf Songs nicht auf einer Festplatte verstauben und was die Gießener Band sich für 2021 wünscht, erzählen Simon und Dennis.
Ihr sagt über euch selbst, dass ihr vor der Wahl standet, entweder mit SOMETIMES GO noch mal eine Platte aufzunehmen oder aber in irgendwelchen Coverbands zu spielen. Was hat den Ausschlag für eure Band gegeben?
Dennis: In den letzten Jahren konnte man beobachten, dass eine Menge Leute, die wie wir mit Emo und Post-Hardcore aufgewachsen sind, nicht mehr wirklich selbst neue Musik schreiben. Es ist ja etwas einfacher, nur Songs zu covern. Hätte es Corona nicht gegeben, hätten wir uns wahrscheinlich auch nicht aufgerafft und die elf Songs im Home-Recording aufgenommen. Wir wohnen nicht nur ein paar Straßen voneinander entfernt, sondern sind über 200 Kilometer verteilt. Wenn es hochkommt, haben wir uns 2020 ganze zwei Mal gesehen. Und das war noch, bevor wir mit den Aufnahmen für „Mountains“ überhaupt angefangen haben.
Wie entsteht eine ganze Platte im Heimstudio? Ich stelle mir das enorm schwierig vor.
Simon: Am Ende war es so, dass wir mangels Alternativen darüber nachgedacht haben, einfach endlich mal ein paar alte Songideen von uns aufzunehmen. Wir hatten ja Zeit. Die meisten Songs haben wir bis heute nie gemeinsam in einem Raum gespielt. Das ist auf jeden Fall auch ein Ziel für 2021: endlich mal die eigene Platte mit der ganzen Band spielen.
„Mountains“ ist bei Midsummer Records erschienen. Wann habt ihr gemerkt, dass die Platte zu gut ist, als dass sie nur auf irgendeiner Festplatte verstaubten sollte?
Dennis: Ich sage mal so, geplant war das mit der Veröffentlichung bei einem Label nicht unbedingt. Im März wollten wir eigentlich nur ein paar Songs hochladen. Aus fünf wurden dann aber elf Tracks und unser Anspruch wuchs. So haben wir Buddy Neumann als Produzenten mit ins Boot geholt. Simon hatte noch Kontakt zu Tim von Midsummer Records. Der hat dann gesagt, dass er Bock auf SOMETIMES GO habe. Dass er dann auch noch ein paar Euro in die Produktion der Platte gesteckt hat, ist überragend toll von ihm gewesen. Das, was er da an Leidenschaft, Zeit und Geld reinsteckt, ist wirklich bemerkenswert.
Simon: Das ging wirklich Schritt für Schritt. Auch dass wir Buddy kennen gelernt haben, hat super gepasst. Übrigens waren wir auch mit ihm noch nicht gemeinsam in einem Raum. Die ganze Kommunikation, das gesamte Feedback hat über WhatsApp stattgefunden.
Dennis: Wir sind es eigentlich gewohnt, Musik live einzuspielen. Das ist für die Zukunft auch wieder geplant. Im Studio herrscht eine ganz andere Dynamik und Energie, als wenn du deine Sachen zu Hause auf der Couch einspielst.
Inwieweit ist der Titel der Platte ein Synonym für die Hindernisse, vor denen ihr als Band und als Menschen in den letzten Monaten gestanden habt?
Simon: Für mich steht der Albumtitel tatsächlich für Hindernisse. Wir standen vor etlichen Hürden, die wir bis zur Veröffentlichung von „Mountains“ überwinden mussten. Oder wie oft wir uns wegen irgendwelcher Kleinigkeiten in den Haaren lagen ... Das war schon eine Belastung, neben unseren Jobs bis spät in die Nacht Songs aufzunehmen oder sie zu bearbeiten.
Dennis: Wir haben alle entweder Kinder oder Hunde, sind verheiratet oder in einer Beziehung. Da nimmt man auch nicht mal eben ein paar Songs auf. Simon hat aber eine enorme Motivation an den Tag gelegt, die dafür verantwortlich ist, dass wir uns immer wieder zusammengerissen haben und schlussendlich die Platte veröffentlichen konnten.
Ich würde gerne über euren Song „Hideout“ sprechen. Könnt ihr mir erzählen, was dahintersteckt?
Dennis: Stefan und ich sind für die Texte zuständig. „Hideout“ ist ein Song, in dem ich eine Situation anspreche, die ich in der fünften oder sechsten Klasse erlebt habe. Da gab es ein Mädchen, das super strenge Eltern hatte. Zu der Zeit hatte ich auch zu Hause so große Probleme, dass ihre Eltern mich sogar nachts abgeholt haben und bei sich aufgenommen haben. Ich habe dort Unterschlupf gefunden, wenn es bei mir mal wieder ordentlich geknallt hat. Auf der anderen Seite hätte das Mädchen, von dem ich da singe, aber selbst auch einen Safe Space gebraucht, weil ihre Eltern einfach so krass waren. Es hat keinen Missbrauch oder so was gegeben, es war einfach so eine stressige Zeit für uns. Und eigentlich sollte der Song auch „Rechtenbach“ heißen. Wie das Dorf, aus dem ich komme. Über den albernen Arbeitstitel „Rightriver“ sind wir dann zu „Hideout“ gekommen.
Wie ist euer Song „Everything was fine“ zu verstehen?
Dennis: Mir ging es bei dem Text darum, dass wir die negative Einstellung gegenüber dem Älterwerden ablegen müssen. Mit jedem Jahr, das bei mir dazukommt, gewinne ich an Erfahrung, die mein Leben auf irgendeine Weise bereichert. Ich finde es total beknackt zu sagen, dass früher ja alles besser war. Die Zukunft kann noch viel besser werden als die Vergangenheit. Leider vergessen das die meisten immer wieder.
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