Wenn eine Band wie SMILE AND BURN ein trauriges Album wie „Seid ihr stolz auf mich?“ ankündigt, dann ist das schon etwas Besonderes. Für die drei Berliner war es aber der logische Schritt nach „Besser sein als jetzt“, mit seinen direkten politischen Ansagen und In-die-Fresse-Punk. Über das vielleicht spannendste deutschsprachige Album des Jahres und woher die Traurigkeit rührt, sprach mit uns Gitarrist Sören.
SMILE AND BURN waren schon immer irgendwie kreativer, ja vielseitiger als viele andere. Aber bei „Seid ihr stolz auf mich?“ habe ich dieses Mal das Gefühl, dass ihr musikalisch alles von den DONOTS über HEISSKALT, sogar bis hin zu PRIMUS-Gitarrenriffs irgendwie aufgreift und euch auf einer zweiten Ebene auch inhaltlich, trotz der ganzen Kritik, die ihr in den Songs äußert, eine Eingängigkeit bewahrt.
Also, das ist ja wirklich ein hohes Lob. Das nehme ich auf jeden Fall mit.
Ich würde mich gerne über ein paar Songs der Platte unterhalten, zum Beispiel über „Asche von gestern“. Dort gibt es eine Zeile, die ich auch als Herausforderung für Künstlerinnen und Künstler im Jahr 2024 verstehe: „Irgendwie ist alles schon mal erzählt worden und irgendwie sind alle nur noch müde.“
Es gibt so ein, zwei Stücke auf dem Album, die verkörpern ein bisschen die ganze Idee, die hinter dem Album steht. Und es gibt so ein, zwei Sachen, die wir mit dem Album erreichen wollten. „Asche von gestern“ ist einer dieser Songs, die auch mit Auslöser dieser Ideen waren. Es geht um dieses Gefühl – „nur waren alle müde irgendwann“ –, das sich spätestens in diesem Corona-Ding herauskristallisiert hat. Es ist so eine intensive Zeit gewesen, in der, glaube ich, auch viele gelitten haben und in der sich gesellschaftlich viel aufgespalten hat. Also viel mehr, als es vorher war. In der sich Kämpfe, also ums Klima, um den Sozialstaat, super intensiviert haben. Aber auch sehr oft gescheitert sind. Ich bin jetzt auch in einem Alter, wo man auf einmal eine Vergangenheit hat, also so Ende dreißig. Ich würde mal die Theorie aufstellen, dass wir bis Mitte dreißig nicht wirklich oft auf die vergangenen Jahre zurückblicken. Man schaut nur zurück, um zu sehen, ob man eine geile Jugend hatte oder nicht. Aber man hat nicht so ein „Wie krass, ich kann ja Geschichte irgendwie schon so überblicken“-Gefühl. Und ich kann sagen, dass ich mit 18 schon zusammen mit Greenpeace für diese Klimathemen demonstriert habe. Gefühlt ist da aber einfach gar nichts passiert. Und im Punk, der ja auch für die verschiedensten Dinge kämpft, ist das ja auch so. Ein anderes Thema sind die Fluchtrouten übers Mittelmeer Auch darüber sprechen wir bereits super lange. Es sterben auch schon seit Anfang der 1990er Jahre Leute im Mittelmeer oder an den Außengrenzen der EU. Es ist wirklich schwierig, da dranzubleiben oder nicht die Zuversicht zu verlieren. Irgendwie musst du ja das Feuer schüren.
Der zweite Song, der das Ganze ein bisschen umgreifen soll, ist „Alle verlieren“, kann das sein?
Tatsächlich ist es „Stolz“. „Alle verlieren“ ist im Grunde eher der Song, der am wenigsten passt, weil der so direkt politisch ist. Wohingegen die anderen das gar nicht sind.
Okay, also ist die ganze Platte eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit.
In „Stolz“ geht es darum, wie Philipp mit dem sehr frühen Tod seiner Schwester und dem Umgang seiner Eltern damit klargekommen ist. Das ist ein ganz direkter Text und er geht sehr offen mit dem Thema um. Gefühlt bin ich da auch voll emotional drin. In jeder Stufe, die der Song genommen hat, von „wir texten zusammen im Proberaum“ über „ich muss mir die Mixe und das finale Master immer wieder anhören“ bis „wir spielen den Song das erste Mal live im Proberaum“, ich muss da jedes Mal weinen. Wirklich jedes Mal habe ich Tränen in den Augen. Wenn man selber aber emotional so drin steckt und sagt, das haut mich so um, kann man nicht mehr wirklich koordinieren, was man auf dem Griffbrett macht. Und das ist tatsächlich nur ein Beispiel, wie intensiv die Songs auch lange nach der Produktion noch in uns wirken.
„So falsch“, und „Alle verlieren“ sind Songs, die ich irgendwie auf das graue und grimmige Deutschland oder die moderne Gesellschaft beziehe: Alles ist irgendwie eine ignorante Revolution am Küchentisch. Hauptsache, instagrammable.
Wir versuchen ja immer, uns so, wie wir die Gesellschaft wahrnehmen, darzustellen. Und eigentlich ist es das erste Album, auf dem wir keinen Song, der wirklich dezidiert um Social Media geht, dabei haben. Ich finde, das ist auch alles enttäuschend. Letztlich taumeln wir in der westlichen Hemisphäre oder im globalen Norden seit der Wahl von Trump einfach immer nur von Enttäuschung zu Enttäuschung. Natürlich gibt es auch Leute, die was probieren. Das will ich gar nicht unter den Tisch fallen lassen. Aber wie bekommen wir die lauter? Dazu kommt, dass es in der Politik so krasse Differenzen zwischen jung und alt gibt. Auch dass viele junge Menschen jetzt die AfD gewählt haben, desillusioniert mich eher. Als Künstler haben wir dadurch aber immerhin sehr viel Material, um darüber zu schreiben oder um Fragen zu stellen.
Aber würdest du sagen, dass ihr mit dem Album ein paar Leuten auch ein bisschen den Spiegel vorhalten wollt?
Nein, ich glaube nicht. Wir gucken bei diesen Sachen immer richtig hart auf uns. Ich würde jetzt nicht sagen, guck mal, den Song habe ich für Markus Söder oder so geschrieben oder für AfD-Wähler oder für Leute aus Brandenburg, I don’t know. Bei diesen Sachen schaue ich sehr auf mich und mein Gefühl, das ich zur Welt habe. Und ich weiß, dass Philipp das auch macht. Alles auf dem Album ist eigentlich ultra selbstreferenziell. Auf dem Album davor, da haben wir ja versucht, mehr klassische Punkthemen anzusprechen. Da gab es eine Hook, die „Leck mich am Arsch mit eurem Stolz!“ lautete. Das ist ja schon sehr direkt. Es ist auch ganz klar, dass wir uns da nicht mit in die Klammer reinnehmen oder gegen jemanden singen. Das ist aber auf „Seid ihr stolz auf mich?“ überhaupt nicht so. Also wir würden uns da immer überall mit reinnehmen. Selbst bei so einen Song wie „Alle verlieren“. Da geht es darum, was uns die nächste Generation vorwerfen wird. Die werden fragen, warum wir nix gemacht haben. Oder warum sterben da so viele Leute? Und jetzt sitze ich hier und denke mir: Ja, warum? Irgendwie sind wir ein Teil der Gesellschaft und machen bei dem mit, was so gerade passiert. Wir reagieren bloß und um diese Beobachtung geht es vor allem auf dem Album.
Da komme ich aber irgendwie gefühlt noch mal zu dieser Schwermut zurück. „Seid ihr stolz auf mich?“ ist auf jeden Fall im SMILE AND BURN-Kontext schon der nächste Schritt. Ich vermeide mal den Begriff „erwachsener“, aber diese jugendliche Keckheit, die kommt hier nicht so extrem durch. Eher eine Art smarte Abgeklärtheit.
Ich würde dir zu 100% zustimmen und ich weiß nicht, was ich jetzt sagen soll, um selber das Wort „erwachsener“ zu vermeiden. Aber natürlich frage ich mich auch, was kann ich jetzt noch sagen oder wie kann ich mich gut ausdrücken? Man hat ja ein Bild von sich selbst, ein Bild von seiner Kunst, ein Bild von der Gesellschaft oder ein Gefühl zur Gesellschaft. Und irgendwie will man das alles unter einen Hut bringen. Also wenn ich jetzt noch einen Song über Skateboarding machen würde, obwohl ich das letzte Mal vor zehn Jahren auf dem Brett stand, das wäre irgendwie daneben. Dann würde ich mich so verrückt versetzt fühlen. Deswegen hab ich mich schon sehr viel damit auseinandergesetzt, wie man das hinkriegt, als Band zusammen älter zu werden. Und dann natürlich auch entweder neue Themen zu finden oder die Themen anders zu besprechen. Das war mir, Philipp und Wolli bei dem Album auch super, super wichtig. Und außerdem ist es auch so, dass es mit „Besser sein als jetzt“ ein Geschwisteralbum gibt, weil beide während der Corona-Phase gleichzeitig entstanden sind. Das Songwriting zumindest, die Demos. Ich habe vorgeschlagen, dass wir die harten Sachen alle auf ein Album packen, die politischen, die einfachen Stücke. Mit richtig einfachen Lyrics, die wir für ein Polit-Punk-Bierdosen-Album verwenden können. Und dann machen wir eine Platte, die nur traurig ist. Dann ist es einfach stimmig. Und daher haben wir einfach quasi mit dem Messer links, rechts die Demos aussortiert. Das war eine sehr interessante Herangehensweise, die uns als Band auch noch mal ganz anders hat arbeiten lassen. Ich habe auf jeden Fall gelernt, nein zu sagen.
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