„Wenn wir aufnehmen, müssen wir zwei in einem Raum sein und das zusammen machen!“ Für dieses Gespräch sind Simon und Fabio, die beiden Sänger der Duisburger Crossover-Band SLOPE, pandemiebedingt per Videocall zugeschaltet. So ist immer sichtbar, wer von beiden das Wort hat. Im hektischen Durcheinander von Hardcore, Rap und Funk auf dem Debütalbum „Street Heat“ ist das nicht so leicht auseinanderzuhalten.
Fabio: Wir nutzen Videokonferenzen für die Kommunikation in der Band, weil das super-entspannt ist, besonders in Corona-Zeiten. Wir hatten noch Glück; als wir im Studio waren, wurde erstmals darüber berichtet, dass in China irgendwas im Gange ist. Da hat man die Sache in Europa noch nicht ernst genommen. Ich weiß noch, wie wir im Studio auf der Couch saßen und darüber sprachen, so in dem Sinne „als ob das bis hier hin kommt.“ Irgendwann passierte das dann doch sehr schnell, aber da waren wir schon fertig. Komplett geschrieben war „Street Heat“ schon vor dem Studiotermin.
Simon: Dafür brauchen wir immer Ewigkeiten! Das erste Riff zu „Purple me“, dem ersten Album-Song, den wir jetzt rausgebracht haben, ist von 2017. Danach haben wir zwei Jahre lang durchgeschrieben. Wir machen das immer zu fünft im Proberaum, so kann jeder zu allem seine Meinung abgeben, bis alle zufrieden sind. Es dauert auf die Weise aber auch Jahre, bis ein Song fertig gebastelt ist.
Fabio: Wir sitzen dann fünf Proben lang an dem selben Übergang, der im Song nur zwei Sekunden dauert.
Simon: Und bei der sechsten Probe sagt oft genug jemand, dass ihm das doch nicht gefällt, und es wird verworfen. Wir brauchen schon lange, von anderen Bands kommt jedes Jahr was raus! Wir sind aber auch keine gelernten Musiker, auf der Musikschule war keiner von uns. Unser Gitarrist Philipp hatte noch nie einen einzigen Song nachzuspielen gelernt, wir haben als Sechzehnjährige im Keller von Fabios Eltern angefangen, und konnten kaum etwas! Da hat Fabio auch erst gemerkt, dass er doch nicht Gitarre spielen kann, und deshalb haben SLOPE zwei Sänger. Geplant war da nichts.
Fabio: Hardcore war für uns auf jeden Fall der Türöffner. Die erste Show, zu der Philipp, Simon und ich gegangen sind, war das Pressure Fest 2009. Kurz darauf waren wir dann bei einer Beatdown-Show im Proberaum Duisburg-Meiderich. Das war noch mal ein echter Kulturschock, so eine Underground-Show in einem 30-Quadratmeter-Keller, wo es richtig geklatscht hat. Damit war die Frage entschieden, ob wir zusammen eine Kneipe oder eine Band machen.
Simon: Ohne dass einer von uns irgendwas konnte, es war eine Katastrophe. Philipp konnte ein bisschen „Wonderwall“ von OASIS auf der Gitarre, das war’s.
Fabio: Aber nur die Strophe, beim Refrain war es vorbei!
In der Hinsicht hat sich viel getan. „Street Heat“ nutzt Hardcore als Fundament für einen Crossover von Funk, Rap und Alternative Rock, wie er zuletzt im Neunziger-Musikfernsehen in Rotation lief.
Simon: Irgendwann kam der Punkt, an dem wir entschieden haben, im Proberaum nicht mehr nur Bier zu trinken und Pommes zu futtern, sondern ernsthaft Musik zu machen. 2014 haben wir die erste Show als SLOPE gespielt. Da waren wir noch voll im Hardcore-Game und haben kaum was anderes gehört. Dann kam die Zeit der „Kommando-Couch“ in Philipps Wohnung.
Fabio: Von der „Kommando-Couch“ wollte ich auch gerade erzählen! Das war so: Philipp hatte einen Kreuzbandriss und musste sieben Monate zu Hause bleiben, eben auf der Couch. Da hingen wir dann alle rum und haben nichts anderes gemacht als Musik zu hören.
Simon: Das war eine wichtige Zeit für SLOPE, weil wir damals sehr viele Bands, von denen wir beeinflusst sind, überhaupt erst entdeckt haben. Funky Sachen wie 24/7 SPYZ, aber auch Bands wie ALICE IN CHAINS. Plötzlich hatten wir einen anderen Anspruch an unsere Musik.
Mit dem Bezug auf die Neunziger Jahre geht ihr offensiv um. Optisch passt „Street Heat“ genau in die knallbunte Welt von „Friends“, Keith Haring, JANE’S ADDICTION und MTV. Stört es euch, wenn das alles in der Rezeption häufig mit dem Hinweis auf TURNSTILE abgetan wird?
Fabio: Der TURNSTILE-Vergleich kommt schon oft.
Simon: Stimmt ja auch!
Fabio: Ja klar, als wir damals „Pressure To Succeed“ gehört haben, fanden wir das alle richtig nice! TURNSTILE hatten aber weniger Einfluss auf uns als die Bands, die eine Epoche früher da waren. TURNSTILE und SLOPE teilen nur viele Einflüsse.
Simon: Wenn man sieht, wie die zum Beispiel ihre Schriften gestalten, erkennt man gleich, dass sie LIVING COLOUR so feiern wie wir! Und das hört man eben auch.
Mit dem Niedergang von MTV sind auch aufwändige Videoclips wie eure selten geworden.
Fabio: Die kreativen Köpfe dahinter sind Simon und Philipp. Wir alle schmeißen unsere Ideen zusammen, aber es sind die beiden, die ein Drehbuch und ein sekundengenaues Script machen.
Simon: Für den „Purple me“-Clip hat allein der Aufbau der Kulisse neun Stunden gedauert. Gedreht haben wir drei Tage à 16 Stunden, danach waren alle vollkommen platt. Natürlich kann man auch die Bandperformance in einer Lagerhalle abfilmen, aber das hat man schon so oft gesehen.
Noch ist nicht abzusehen, wann Bands wieder touren können. Den Release eures ersten Albums hattet ihr bestimmt anders geplant.
Simon: Wir hatten noch nicht so viele konkrete Tourpläne, abgesehen von relativ vielen Festivals, auf die wir uns sehr gefreut haben. Wir wollten natürlich Release-Shows spielen, auch im United Kingdom, in den Niederlanden und so. Ursprünglich sollte „Street Heat“ schon im November 2020 kommen, das hätten wir aber zeitlich auch ohne Corona kaum geschafft. Im Moment gehe ich nicht davon aus, dass 2021 live viel passieren kann, vermutlich kann man erst nächstes Jahr wieder richtig loslegen.
Fabio: Festivals wie das Summer Breeze, wo wir alle super hyped waren, da spielen zu können, werden ja komplett ein Jahr weitergeschoben. Oder zwei Jahre, wir freuen uns da jetzt einfach weiter drauf und bleiben positiv.
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