Auch so eine Band, die einen seit zweieinhalb Jahrzehnten begleitet. Damals, als sie ihre ersten Schritte machten, war ich in Berlin ein paar Monate Untermieter von Carola und Torsten, um die Ecke vom Schlesischen Tor. Kreuzberg war da noch grau und hässlich, der Flair der Mauerstadt noch vorhanden. Über die Jahre blieben wir in Kontakt, mal mehr, mal weniger, aber so ist das eben mit Menschen, die man in den frühesten Ox-Tagen kennen gelernt hat, damals, als Torsten noch bei den Goth-Rockern RESISTORS spielte. Ich nehme die aktuelle 7“ von SHE-MALE TROUBLE zum Anlass, mich mal upzudaten.
Torsten, irgendwie lustig, wenn man eure Band googlet und neben einer Website „under construction“ vor allem alte Ox-Interviews findet. Seid ihr eher „Medienverweigerer“ jenseits von Facebook?
Ja, ja, ich weiß. Wir haben mit der Einführung des neuen Datenschutzgesetzes damals die Seite aus dem Netz genommen, um erst mal zu sehen, was die Abmahnanwälte so tun. Dann wollten wir endlich mal alles schön und neu machen und haben darüber offensichtlich die Zeit vergessen. Am liebsten würden wir zwar die Realitäten der sozialen Medien ignorieren und nur unsere Homepage betreiben und sonst nichts ... Wenn wir also ehrlich sind, dann sind wir momentan mehr Medienverweigerer aus Faulheit.
Das letzte Ox-Interview ist von 2006. Und ich stellte neulich angesichts eurer neuen 7“ fest, dass es euch – wie das Ox – obskurerweise immer noch gibt. Warum gibt es euch immer noch?
Eine fiese wie berechtigte Frage! Na, weil wir immer noch dolle Spaß am Musizieren haben. Reicht das als Existenzberechtigung?
SHE-MALE TROUBLE, das ist ja schon immer so ein „Paar-Ding“ gewesen von dir und Carola. Ist es das immer noch, und was macht so eine Band in paartherapeutischer Hinsicht mit einem?
Hmmm, so haben wir das eigentlich nie gesehen. Wir waren eigentlich immer nur eine Band von fünf Kumpels, die Lust auf Krach und Spaß hatten. Mehr ist da nicht. Die Band gab es ja auch schon ohne mich unter dem Namen FEMALE TROUBLE und ich bin da zunächst nur so „reingerutscht“. Aber es ist natürlich schon was anderes, wenn ein Pärchen in einer Band spielt. Zumindest in manchen Momenten. So stehen Carola und ich bei jeder Gesangsaufnahme kurz vor einer Trennung. Eigentlich müssten an dieser Stelle die anderen drei gehört werden, wie schlimm es ist, mit einem Pärchen in einer Band zu spielen. Unterm Strich ist es bei uns, glaube ich, aber ziemlich egal, wer Männlein oder Weiblein ist und wer wen küsst.
Was treibt einen als alten Rock-Hasen dazu, sich nach 35 Jahren in Bands immer noch das eine oder andere Wochenende in ein Auto zu quetschen und nach „Westdeutschland“ zu fahren für einen kleinen Gig irgendwo?
Ui, sind das echt schon 35 Jahre?! Oder gar noch mehr? Da wir alle ordentlich in unseren Jobs eingespannt sind oder mittlerweile auch Familie haben, bleibt am Ende gar nicht die Zeit, um ernstzunehmend auf Tour zu gehen. Deshalb spielen wir heutzutage nur noch ein paar Mal im Jahr. Jeden 30.12. in Berlin im Wild at Heart und vielleicht noch ein-, zweimal anderswo. Und wir fahren nur dort hin, wo es nach genug Spaß pro gefahrenem Kilometer riecht. Wir sitzen also nicht sooo oft gequetscht im Auto.
Was macht ihr beide aktuell so? Dein XNO-Label hat zwar einst das legendäre BEATSTEAKS-Album „48/49“ veröffentlicht, aber das dürfte kaum für Miete im heutigen Berlin reichen.
Wir betreiben eine Cateringfirma namens Hellskitchen, die Konzerte und Tourneen betreut, etwa SEEED, RAMMSTEIN, BEATSTEAKS oder SOCIAL DISTORTION, und ich manage immer noch zusammen mit meinem Partner Eric die BEATSTEAKS. Das Label XNO ist eine schöne kleine Sache, aber nicht dazu gedacht, den Kühlschrank zu füllen.
SHE-MALE TROUBLE stehen für mich für das grimmige Berlin der Neunziger, für das alte, schmuddelige Kreuzberg mit Franken, Wiener Blut und Co. Euer HQ ist immer noch genau da, aber die Welt drumherum eine ganz andere, oder?
In der Tat ist diese Welt mittlerweile eine ganz andere. Das Franken, das Wiener Blut und das SO36 sind zum Glück noch da, aber alles andere ist deutlich anders. Die meisten von uns wohnen oder arbeiten aber noch halbwegs in dieser Ecke. Warum wir noch hier sind? Aus Gewohnheit? Faulheit? Weil in Berlin niemand mehr umziehen will, der noch einen älteren Mietvertrag hat, weil er sonst vielleicht das Doppelte bezahlt?
„Speak Up!“ ist eure aktuelle 7“, so heißt der Song auf der A-Seite, „Everything will last“ ist auf der anderen. Die Songs in euren eigenen Worten, worum geht’s?
Bei „Speak up!“ ist es ja so einfach wie offensichtlich: Hier geht es darum, dass der oder die Besungene doch bitte endlich mal den Mund aufmachen soll. Es nützt nichts, vor sich hin zu grummeln und alles in sich reinzufressen, wenn einem was nicht passt. Ja, es ist anstrengend, aber reden hilft. Ansonsten ist das Erklären von Texten doch eine reichlich entzaubernde Sache, die die Fantasie und den Interpretationsspielraum des Hörers ausbremst. Also lassen wir das zumindest bei „Everything will last“.
Zum Schluss: Wann kommt eigentlich die RESISTORS-Vinyl-Neuauflage ...?
Gute Frage. Kann ich nicht wirklich beantworten, weil ich ja schon lange nicht mehr bei den RESISTORS spiele. Aber soweit ich weiß, gibt es die RESISTORS noch. Ich weiß zwar nicht, wer da neben Markus aktuell mitspielt, aber alle paar Jahre höre ich von meinem Bruder, der noch am Bodensee lebt, dass die RESISTORS irgendwo gespielt haben. War nicht die RESISTORS-7“ damals sogar die erste Tonträger-Beilage zum Ox? War das das Ox Nr. 5? Wie die Zeit vergeht ...
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