Es mag völlig unangemessen sein, einen Zusammenhang zwischen dem Äußeren eines Musikers und seiner Musik herzustellen, aber irgendwie habe ich selten jemanden getroffen, bei dem das für mich so gut zusammenpassen würde. Matt Fox ist ein etwas untersetzter, knubbeliger, hibbeliger und intelligenter Kerl Ende 30, er schreibt introvertierte Texte, redet wie ein Wasserfall und wirkt mit seiner Brille ein wenig nerdy. Die Musik passt auch ganz gut dazu, denn die wirkt wie ein kleines verhutzeltes Männlein, nicht hübsch, aber irgendwie niedlich, genauso sprunghaft wie tiefgründig und episch, nur weiß keiner so recht, was er damit anfangen soll. Überhaupt haben SHAI HULUD schon fast etwas Mystisches an sich, schon bedingt durch die langen Zeitintervalle zwischen ihren Veröffentlichungen, Und so bleiben die meisten Kids gar nicht lange genug in der Szene, um die Veröffentlichung auch nur eines der SHAI HULUD-Releases mitzuerleben. Ich sprach mit Sänger/Gitarrist Matt Fox.
Matt, im letzten, im Dezember 2006 veröffentlichten Ox-Interview wurdest du gefragt, wann wohl der Höhepunkt von SHAI HULUD wäre, und du sagtest, es sei 2002 gewesen, aber alle deine Freunde sagten, die Zeit würde erst noch kommen. Wie sieht das 2011 aus?
Es waren von 2000 bis eigentlich Anfang 2003 wirklich unglaubliche Jahre für uns. Aber der wahre Höhepunkt ist immer im Hier und Jetzt! Und wenn es nicht mehr der Höhepunkt ist, dann ist das der Zeitpunkt, an dem wir wirklich aufhören und die Band auflösen werden. Heute haben Bands anscheinend die Vorstellung, dass sie innerhalb von zwei Monaten Millionen verdienen werden. Aber als wir 1995 anfingen, waren wir einfach verliebt in Punk, Metal und Hardcore. Ich hätte mir lieber METALLICA reingezogen, als zu einem Date zu gehen, eher in meinem Zimmer gesessen und mir UNIFORM CHOICE angehört, als auf eine Party zu gehen. Mein Leben und das Leben meiner Freunde dreht sich komplett um die Musik. Worauf ich eigentlich hinaus will, ist, dass wir damals eigentlich gar nichts erwartet haben. Wir hätten vor 15 Jahren nie damit gerechnet, jetzt hier zu sitzen und mit dir zu reden. Deswegen ist die Zeit von 2000 bis 2002 auch so bedeutsam, weil uns zum ersten Mal bewusst wurde, dass sich etwas verändert hat. Wir spielten nicht mehr in einem Lagerhaus vor unseren Freunden, wo wir uns gegenseitig auslachten, sondern wurden eine international bekannte, professionelle Band. Deswegen ist das wohl für mich unser Höhepunkt. Ironischerweise habe ich beziehungsweise die Band an sich den Ruf, pessimistisch zu sein. Ich glaube fest daran, dass ich innerlich ein Optimist bin, und freue mich immer auf Neues und das Nächste, was da kommen mag. Im Moment arbeiten wir an unserem nächsten Album und ich bin, ohne arrogant sein zu wollen, davon überzeugt, dass das ein weiterer entscheidender Moment für uns sein wird. Das Album und alles, was danach passieren wird, ist unsere beste Zeit. Und in drei Jahren, wenn wir das darauf folgende Album aufnehmen werden und ich vielleicht wieder mit dir rede, dann sage ich mit ziemlicher Sicherheit, dass das nächste Album das entscheidende und wirklich bedeutende sein wird. Wenn du das selbst nicht glaubst, dann ist deine Band am Ende!
Wie weit seid ihr denn mit dem neuen Album?
Wir haben einen Titel und werden Ende 2011 zum Aufnehmen ins Studio gehen. Wir haben viele Song-Fragmente und vielleicht zwei oder drei fast fertige Songs. Das heißt musikalisch, denn die Texte kommen bei uns immer als Letztes. Und wenn Gott oder Buddha oder die Natur es will, dann wird es dieses Jahr aufgenommen und kommt nächstes Jahr raus.
Ich nehme an bei Metal Blade, oder?
Ja, es sieht diesbezüglich ziemlich gut aus. Aber wir sind für sie schon irgendwie Exoten. Denn sie haben hauptsächlich mit Metal-Bands zu tun – wir haben zwar auch Metal-Qualitäten, sind aber tief im Hardcore verwurzelt. Manchmal denke ich, sie wissen nicht so recht, was sie von uns zu erwarten haben.
Wo du es schon ansprichst, fühlt ihr euch als Band oft deplatziert oder missverstanden? Ich meine, die Hardcore-Szene scheint euch nicht so richtig verstehen zu können, die Metal-Szene genauso wenig und die aktuelle Metalcore-Szene ist, zumindest deinen Aussagen in früheren Interviews nach zu schließen, nichts, wozu ihr gehören wollt ...
Ich weiß nicht, ob wir deplatziert sind, immerhin haben wir uns ja selbst dort platziert. Ich meine, Metal Blade musste ja zustimmen, und wir wollten ja auch zu Metal Blade, wir haben viele Freunde dort und alle sagten, kommt zu uns. Wenn ihr es mit eurer Band wirklich ernst meint und wirklich etwas erreichen wollt, dann solltet ihr genau hier sein. Und wir wollten etwas mit der Band erreichen, also gingen wir zu Metal Blade. Was hatten wir auch sonst schon groß für Optionen? Etwa zurück zu Revelation? Revelation ist ein tolles Label, wir sind immer noch Freunde und arbeiten auch noch zusammen, aber es ist eben sehr begrenzt, was sie erreichen können. Sie brechen nicht einfach aus ihrem Mikrokosmos aus, ihrer Nische für Hardcore, der inzwischen eigentlich angestaubt und alt ist. Wo sollten wir sonst hin? Bridge 9? Du hast es selbst gesagt, Hardcore versteht uns nicht oder will uns nicht. Ich habe nie mit Bridge 9 gesprochen. Ich behaupte auch nicht, dass es grundsätzlich undenkbar für uns wäre, bei so einem Label unter Vertrag zu sein, aber ich kann mir, ehrlich gesagt, nicht vorstellen, dass wir etwas sind oder tun, an dem sie besonders viel Interesse haben, aus welchen Gründen auch immer. Metal Blade war daher eine sehr offensichtliche Wahl. Aber du hast natürlich Recht, und ich habe das auch schon häufiger in Interviews gesagt, wir sind zu sehr Metal für Hardcore, obwohl man anmerken muss, dass einige Bands, die gerade groß im Hardcore sind, viel mehr Metal sind als wir. Zumindest sehen wir das so. Und genauso sind wir zu sehr Hardcore für Metal. Wir passen da irgendwo in die Mitte und das führt irgendwie zwangsweise dazu, dass wir missverstanden werden. Dazu sind wir auch noch eine Band, die musikalisch heavy klingt, dabei textlich sehr passioniert und negativ, aber trotzdem positiv ist, hasserfüllt und wütend, aber im Grunde eigentlich nur Gutes will. Viele Fragen sich bestimmt, wer diese Typen sind, lieben sie oder hassen sie? Sind sie glücklich oder angepisst? Und irgendwie führt das alles zusammen zu noch mehr Missverständnissen. Und wenn uns jemand fragt, „Stört es euch, wenn ich euch als Metalcore-Band bezeichne?“, dann ist mir das ehrlich gesagt total egal. Möchte ich als Metalcore bezeichnet werden? Nein, und das kannst du fett und in Großbuchstaben schreiben. Letztendlich schreiben wir nur unsere Songs, spielen sie, aber sind nicht dafür zuständig, unseren Sound zu kategorisieren, das erledigen andere schon.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #37 IV 1999 und
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #55 Juni/Juli/August 2004 und Sarah Shokouhbeen
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #69 Dezember 2006/Januar 2007 und Sarah Shokouhbeen & Oliver Niermann
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #98 Oktober/November 2011 und David Micken
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #58 Februar/März 2005 und Sarah Shokouhbeen
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #68 Oktober/November 2006 und Thomas Renz
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #31 II 1998 und Marc Lohausen
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #78 Juni/Juli 2008 und Sebastian Wahle
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #107 April/Mai 2013 und David Micken
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #51 Juni/Juli/August 2003 und Sarah Shokouhbeen