SHAI HULUD

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Zehn Jahre Qualität ohne Verfallsdatum

Über zehn Jahre sind vergangen und die Metal/HC-Combo um den Gitarrist Matt Fox aus den USA hat schon wieder ein neues Line-Up. Und dennoch liefern SHAI HULUD immer noch Qualitätsware ab und werden das hoffentlich bald mit ihrer neuen und gleichzeitig - in der langen Zeit - erst dritten Platte ein weiteres Mal beweisen. Nachdem Matt mir schon 2004 in einem Interview versichert hatte, mit SHAI HULUD nicht weiterzumachen, war ich gespannt auf den Sinneswandel, den er mir auf der diesjährigen Europatour erklären sollte. Viel Spaß beim Einblick in zehn Jahre SHAI HULUD-Geschichte.

004 hast du mir im Interview erzählt, ihr würdet als SHAI HULUD niemals wieder nach Europa kommen und nun seid ihr hier.


Hab ich das wirklich gesagt? Oh Mann ...

Ja, du hörtest dich auch sehr sicher an. Gab es irgendeinen speziellen Grund dafür?

Es ist immer hart, eine endgültige Entscheidung zu fällen. Es hängt von so vielen Faktoren ab, dass es fünf Minuten später schon wieder anders aussehen kann. Als wir uns 2003 von Geert trennten, waren wir ziemlich eingeschüchtert. Er war unser dritter Sänger und der beliebteste von allen. Er hatte eine großartige Bühnenpräsenz, eine tolle Stimme und ist einfach ein umgänglicher Kerl. Als er uns verließ, war er sich sicher, dass er nicht mehr in der Band sein wollte, und wir waren uns da auch sicher. Zu dieser Zeit haben wir die Entscheidung getroffen, nicht mehr als SHAI HULUD aufzutreten. Alles, was danach kam, war absolut unbestimmt. Wir wollten weitermachen, hatten aber große Angst, dass uns die Leute die Band nach den ganzen Wechseln nicht mehr abnehmen würden. Wir wollen halt nicht, dass das veränderte Line-up die Message und die Musik überschattet. Deswegen wollten wir eigentlich nicht mehr als SHAI HULUD wiederkommen und darum wahrscheinlich mein Statement, an das ich mich gar nicht mehr erinnere. Ich glaube dir, aber es ist hart, mit seinen eigenen Aussagen konfrontiert zu werden, wenn man sich nicht mehr erinnert.

Ihr wolltet dann ja eigentlich als THE WARMTH OF RED BLOOD weitermachen. Warum ist daraus nichts geworden?

Dafür gab es mehrere Gründe. Wir haben ein neues Demo mit drei Songs aufgenommen und es einigen Freunden vorgespielt, die uns sagen sollten, ob das noch SHAI HULUD ist oder nicht. Zwei Bands haben uns besonders bei unserer Entscheidung geholfen: unsere Freunde von WITH HONOR und unsere Tourkumpels von REMEMBERING NEVER. Sie haben gesagt, es wäre eine neue SHAI HULUD-Scheibe. Die Stimme sei zwar neu, aber die Musik und die Texte wären typisch SHAI HULUD. Wir haben darüber nachgedacht und diskutiert und uns letztendlich entschlossen, den Namen zu behalten. Wir waren sehr nervös dabei. Es war wirklich eine halbgare Entscheidung. Wir haben einen Anwalt, der sich um die Labelarbeit kümmert, und er sagte uns, dass einige Labels interessiert seien und er einen Namen bräuchte. Ich fragte ihn, ob wir nicht zunächst ohne Namen gesignt werden könnten, aber er brauchte einen Namen für die Verträge. Ich sollte ihn zehn Minuten später zurückrufen. Dann habe ich WITH HONOR, REMEMBERING NEVER und unseren Bassisten Matt Fletcher angerufen und gefragt, was ich machen soll. SHAI HULUD oder THE WARMTH OF RED BLOOD? Wir haben uns letztendlich für SHAI HULUD entschieden. Es war eine Entscheidung in letzter Sekunde, nachdem wir uns fast zwei Jahre sicher waren, dass wir den Namen nicht behalten wollen.

Die Tatsache, dass SHAI HULUD ihren Sänger sehr oft gewechselt haben, ist ja eh schon fast eine Art Trademark der Band.

Oh ja, sicher. Solange die Qualität der Musik und der Texte gleich ist, scheint es egal zu sein, wer singt. Jeder sagt dasselbe: so lange wir jemanden vorne stehen haben, der sich die Seele aus dem Leib brüllt, die Kids singen lässt und leidenschaftlich ist, interessiert es nicht weiter, wer dort steht. Das ist das Feedback, das wir bekommen haben und es lässt uns zuversichtlich sein, selbst momentan, wo wir keinen richtigen Singer haben. Unser Sänger hat das Demo mit uns aufgenommen, hat aber eine Familie und Kinder und auch eine andere Band und er muss sich erst entscheiden, ob er weiter für SHAI HULUD singt oder nicht. Seit 1995 wollen wir nichts anderes, als das perfekte Line-up.

Warum singst du eigentlich nicht? Wenn man dich, der auch die Texte schreibt, auf der Bühne beobachtet, wie du dir neben dem Sänger die Seele herausschreist, kann man das Gefühl bekommen, du seiest der perfekte Sänger.

Ich habe nicht die Stimme dafür. Mein Hals macht mir auch aktuell große Probleme und ich würde das auf die Dauer nicht durchhalten. Außerdem möchte ich nicht, dass alle auf mich springen und ausrasten. Das ist einfach nichts für mich.

Ihr braucht immer viel Zeit für neue Alben.

Wir sind einfach faul. Außerdem stimmt, was BAD RELIGION sagten: Qualität contra Quantität. Ich kenne viele Bands, die ich nicht namentlich nennen werde, die ständig etwas herausbringen, und ich sage nicht, dass es schlecht ist, aber es ist einfach sehr durchschnittlich. Und ich möchte nichts Durchschnittliches mit SHAI HULUD herausbringen. Ich würde mir lieber zehn, zwanzig oder dreißig Jahre Zeit nehmen, als etwas Durchschnittliches zu veröffentlichen.

Stört es dich denn gar nicht, die alten Songs immer wieder zu spielen?

Es gibt nur einen Song, den ich hasse zu spielen. Es ist der erste Song auf unserer ersten EP namens "Hardly". Und zwar, weil mein Part sich den ganzen Song über nicht ändert. Er ist nicht schwer, aber es ist schwer für mich, ihn zu spielen und ich kann mich dann dabei nicht bewegen und gleichzeitig singen, also ist dieser Song einfach unglaublich langweilig für mich. Mit allen anderen Songs habe ich kein Problem, denn jede Publikumsreaktion macht die Songs brandneu, sie werden einfach nicht alt. Mögt ihr Pizza? Pizza wird auch nie langweilig! Und genauso ist das mit den Songs, insbesondere wenn das Publikum mitgeht. Das hält die Songs frisch.

Habt ihr manchmal das Gefühl, als Band euren Höhepunkt schon erreicht zu haben?

Bis jetzt habe ich das Gefühl, unser Höhepunkt war zwischen 2000 und 2002. Ich habe Freunde zu Hause, die sagen, dass es völlig offensichtlich sei, dass SHAI HULUDs beste Jahre noch vor uns liegen, und ich hoffe, sie liegen da richtig, aber ich weiß es nicht. Ich kenne genauso Leute, die sagen, SHAI HULUD ist eine Band von gestern, wer weiß das schon, aber egal, was kommt, wir werden nach vorne blicken.

Bist du nicht ängstlich, dass irgendwann niemand mehr SHAI HULUD hören möchte?

Natürlich. SHAI HULUD gab es nie des Geldes wegen, ehrlich gesagt bin ich sogar, seit das mit der Band anfing, ganz schön in den Miesen. Wir brauchen Leute, die uns hören, obwohl es uns darum nicht geht. Das ist eine sehr krasse Realität für uns. Aber wir denken über solche Dinge nicht nach. Denn das Schlimmste, was passieren könnte, ist, dass die Band finanziell zugrunde geht. Und wenn das passiert, müssen wir uns halt Jobs suchen und Geld verdienen und werden trotzdem nebenher weitermachen. SHAI HULUD ist offensichtlich ein großer Teil meines Lebens. Aber das Ding ist, ich bin kein Hardcore-Typ. Es gibt sehr viele Leute, die immer betonen, man müsse Hardcore leben, aber ich habe absolut keine Ahnung, was das heißt. Ich bin nur ein Mensch, der eine bestimmte Musikrichtung mag. Ich trage Band-T-Shirts, weil ich sie umsonst bekomme. Natürlich mag ich die Bands auch, aber ich möchte sagen, dass ich einfach kein Hardcore-Leben führe. Ich liebe einfach Musik: Das Erste, was ich morgens mache, ist zur Gitarre greifen. Ich habe keine Freundin, ich habe nur meine Gitarre, mit der ich ins Bett gehe. Ich gehe zwar daheim mit einem Mädchen öfters mal aus, aber sie beschwert sich auch schon, dass immer die Gitarre mit ins Bett muss. Der Punkt ist, wenn ich aufwache, ist es absolut normal für mich, sofort Gitarre zu spielen, genauso, wenn ich schlafen gehe. Die Musik werde ich niemals aufgeben. Ob SHAI HULUD endet, vielleicht, ich möchte es nicht, aber selbst wenn, werde ich weiter Musik machen. Aber ich sehe das Ende von SHAI HULUD noch nicht, denn ich liebe diese Art Musik immer noch, diese Vermischung von Hardcore und Metal. Wenn das wirklich gut gemacht ist, ist es meine Lieblingsmusikrichtung, obwohl ich auch sehr viel anderes höre. Nichtsdestotrotz ist SHAI HULUD auch bis zu einem gewissen Grad ein Job: du musst touren, du darfst nicht in Vergessenheit geraten. Manchmal träume ich davon, die Musik wirklich nur aus Liebe zu machen und von etwas anderem zu leben. Zusammen mit einem Freund, der auch in einer Band ist, beginne ich zum Beispiel als Schriftsteller zu arbeiten. Ich habe schon früher viel geschrieben, insbesondere Kinderbücher, die er nun illustriert, und wir werden versuchen, einen Verlag dafür zu finden. Wie toll wäre es, wenn wir von dem Job leben könnten und dem Musikmachen den Beigeschmack nehmen könnten, ernsthaft für unseren Lebensunterhalt sorgen zu müssen.

Wie kommt es eigentlich, dass ZOMBIE APOCALYPSE, deine andere Band, bis zu einem gewissen Grad in eine ähnliche Richtung wie SHAI HULUD geht? Normalerweise versuchen ja viele, in anderen Bands ihre anderen Musikvorlieben auszuleben.

Es hört sich tatsächlich sehr ähnlich an, es gibt aber kleine Unterschiede. ZOMBIE APOCALYPSE hat ein bisschen mehr vom Punkrock, insbesondere durch die Stimme des Sängers. Aber davon abgesehen, würde ich gerne mal eine Band machen, die in Richtung PINK FLOYD geht. Was Rockiges, aber dann total außerhalb des Hardcore-Bereichs.

Gefallen dir deine Texte von früher eigentlich auch heute noch?

Einige Texte finde ich immer noch sehr gut geschrieben und ich denke, dass sie zeitlos sind. Bei anderen hingegen stelle ich fest, dass sie richtig schlecht geschrieben sind. Und dann ist es mir fast schon peinlich, dass sie ja quasi dokumentiert sind. Da ich die meisten Texte geschrieben habe, kann ich mich nicht davor verstecken, und stehe dazu. Aber es gibt definitiv einige Dinge, die ich heutzutage so nicht mehr schreiben würde. Etwa bei "Solely concentrating on the negative aspects of life", unserem ersten Song der ersten LP, sind einige Zeilen wirklich sehr engstirnig und grenzen an Gewalt: "While denying breath and life to those who would choose to live depraved". Das ist wirklich krass.

"My heart bleeds the darkest blood" finde ich persönlich ziemlich heftig.

Ja, du hast Recht, einige Sachen würde ich jetzt vielleicht auch anders schreiben. In erster Linie aber, weil sie so persönlich sind.

Oder aber "A profound hatred of men".

"Profound hatred" finde ich nicht so schlimm. Und zwar aufgrund eines Wortes, das ganz am Anfang steht: "if". Das wirkt relativierend. Der Song zeugt von Wut, aber auch von Mitgefühl. Und das beschreibt SHAI HULUD auch als Band: Wut, Hass, aber auch Liebe und Mitgefühl. "Solely concentrating ..." ist definitiv engstirnig und könnte sogar als ignorant aufgefasst werden. Nichts von dem, was ich geschrieben habe, ist mir peinlich, aber nach zehn Jahren ist man älter und anders geworden, da wundert man sich schon manchmal über sich selber. Unser letztes Album zum Beispiel ist positiver, insbesondere "Let us at least praise the colonizers of dreams" ist sehr inspirierend. Wir beschäftigen uns zwar mehr mit negativen Dingen, aber es ist gleichzeitig wichtig für uns, positive Aspekte anzusprechen.

Ihr seid nun auf dem Label Metalblade. Ich persönlich bin ja kein großer Metal-Fan und manchmal habe ich auch das Gefühl, dass Metal-Bands recht wenig zu sagen haben.

Ich kann deine Annahme nachvollziehen, allerdings kommt es, wie so oft, immer darauf an. NAPALM DEATH sind zum Beispiel eine Metal-Band, die mehr zu sagen hat als die meisten Hardcore-Bands.

Fühlt ihr euch denn gut aufgehoben auf dem Label?

Ich weiß es nicht. Wir waren erstmal sehr überrascht, als sie Interesse an uns zeigten. Sowohl vom Sound her als auch textlich sind wir keine typische Metalblade-Band. Aber sie haben sich mehr in eine Richtung entwickelt, die auch Bands berücksichtigt, die aus dem Hardcore-Bereich kommen, zum Beispiel THE BLACK DAHLIA MURDER oder UNEARTH. Klar, auf den ersten Blick mag es komisch aussehen, dass wir auf Metalblade sind, aber es macht Sinn. Und wir werden uns musikalisch nicht anpassen oder ändern. Wir werden sehen, ob das etwas Gutes oder Schlechtes für das Label bedeutet. Scheinbar wollten sie uns haben, weil wir uns gerade nicht so anhören wie alle anderen Bands auf dem Label.

Abschließend eine ganz andere Frage: Auf eurer Website fordert ihr dazu auf, sich Gedanken über Weltprobleme zu machen, und ihr nennt als Beispiel den letzten Libanonkrieg.

Ich bin ehrlich und sage euch, dass ich nicht viel über die aktuelle politische Lage im Allgemeinen weiß. Erst seit dem letzten Jahr interessiere ich mich dafür. Ich habe sehr großen Respekt vor der Band PROPAGHANDI. Ich liebe ihre Musik und jedes Mal, wenn ich ihre Website besuche und sehe, dass sie die ganzen politischen Themen ansprechen, reißen sie mich mit. Während wir bei eBay DVDs unserer Lieblingsfilme suchen, beschäftigen sich PROPAGHANDI mit politischen Dingen, überlegen, wie sie aktiv werden können, wie man Dinge lösen kann. Durch ihre Website habe ich auch angefangen zu lernen und ich lerne immer noch. Wir waren nie eine politische Band, aber ich denke, beim nächsten Album werden wir auch politische Themen ansprechen, denn es passieren so viele schreckliche Dinge. Ohne schleimig klingen zu wollen, muss ich sagen, dass mein Herz blutet, wenn ich höre, wie Kinder in Kriegen sterben. Ich habe keine Verpflichtung Libanon, Israel oder Amerika gegenüber. Meine einzige Verpflichtung gilt den Menschen. Ich möchte nicht, dass ein unschuldiger Mensch verletzt wird, egal wo. Wir werden das öfter ansprechen. Ich fühle mich schuldig, dass ich so lange so wenig investiert habe. Wenn man sich mit solchen Themen beschäftigt, bleibt man auf dem Boden der Tatsachen und lernt, die Dinge zu schätzen, die man als selbstverständlich angenommen hat. Denn egal, was schief geht, wenigstens fällt keine Bombe auf meinen Kopf.