RED HANDED DENIAL

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Social Media Persona

Die Kanadierin Lauren Babic verarbeitet auf dem neuen Album „A Journey Through Virtual Dystopia“ ihrer Band RED HANDED DENIAL ihr Dasein als Internet-Persönlichkeit. Wir sprechen mit ihr darüber, wie es ist, viele Follower zu haben, und warum sie sich dennoch nicht als Influencerin sieht.

Auf eurem letzten Album „I’d Rather Be Asleep“ ging es eher um sehr persönliche Dinge, jetzt beschäftigst du dich mehr mit globalen Themen, wie etwa Social Media. Woher kommt dieser Perspektivwechsel?

Ich glaube, das tauchte alles in mir auf, als ich die Texte schrieb. Tatsächlich nähern sich Songs wie „Parasite“ und „Smokescreen“ aus einer allgemeineren Perspektive den Problemen und Schwierigkeiten im Umgang mit den sozialen Medien und modernen Technologien. Aber gleichzeitig ich wollte mich so verletzlich zeigen wie beim letzten Album und beschreiben, was ich wirklich fühle. Es ist also immer noch ein sehr persönliches Album, aber mit einer eher globalen Perspektive im Hinterkopf. In Songs wie „One more night“, „Home“ und „I hope you’re happy“ gewähre ich schon sehr intime Einblicke. Es geht um meine Erfahrungen beim Touren und darum, hinter die Fassade der sozialen Medien zu blicken und zu zeigen, wie ich mich hinter den Kulissen fühle, was die Leute vielleicht nicht auf dem Bildschirm sehen.

Während der Pandemie waren Social Media für viele Menschen die einzige Möglichkeit, sich anderen mitzuteilen oder Gleichgesinnte zu finden. Was hat sich seitdem verändert?
Ich sehe immer wieder, dass die Dinge in gewisser Weise unaufrichtig werden, weil das Konzept, Influencer zu sein, an sich zu etwas geworden ist, wonach die Leute streben. Da geht es nicht mehr wirklich um die Kunst, sondern darum, wie viele Follower ich damit bekommen kann, wenn ich dies oder jenes mache. Die Leute machen keine Kunst mehr, weil sie aus ihrer Persönlichkeit oder ihren Erfahrungen heraus entsteht. Es geht nur noch darum, wie ich auf irgendeinen Trend aufspringen oder etwas machen kann, was gerade beliebt ist. Und es reicht nicht mehr aus, Songs zu machen, ich muss sie auch auf eine indirekte Weise promoten. Bei vielen der Inhalte, die ich jetzt auf meinen persönlichen Social-Media-Kanälen veröffentliche, fällt den Leuten etwas auf: „Hey, das ist nicht das, was du normalerweise machst!“ Also versuche ich ihnen zu erklären, dass wir unsere Inhalte vereinfachen müssen und uns solche Sachen überlegen müssen wie: Wie viele Bleghs können wir in diesem Song unterbringen oder auch wie viele Tiergeräusche oder was sonst so angesagt ist ... Und ich versuche zu analysieren, was das unendliche Scrollen und die Art, wie uns Inhalte präsentiert werden, wirklich für unseren Internetkonsum bedeutet. Auch darum geht es auf dem Albums. Oder einfach die gravierenden Auswirkungen, die die sozialen Medien im Verlauf der Pandemie auf uns hatten. Denn ich glaube, da hat sich etwas grundlegend verändert. Es geht nicht mehr darum, sich miteinander zu verbinden, es geht um etwas anderes, leider. Es geht um die negativen Seiten der Medien.

Du selbst hast eine große Anzahl Follower bei Instagram, hast einen YouTube-Kanal. Für viele jüngere Menschen ist das etwas Erstrebenswertes. Wie ordnest du das für dich ein?
Ich habe schon vor Instagram existiert. Und diese Zahlen, die ja auch irgendwie fake sind, haben mich 15 Jahre harter Arbeit gekostet. Ich habe gesungen und versucht, online zu lernen, wie man singt und mein Handwerk als Künstlerin zu verbessern. Und ich finde es wirklich interessant, dass junge Leute im Erstellen von Inhalten und dem Beeinflussen von Menschen einen Karriereweg sehen. Und ich glaube, das ist ein Teil des Problems, denn ich hatte nie vor, das zu tun. Ich hatte nie vor, Follower oder was auch immer zu bekommen. Die Grundlage dessen, was ich tue, ist einfach, dass ich für Menschen singen möchte. Ich habe heute Follower, weil ich das schon so lange mache. Und ich glaube, ein Teil des Problems ist, dass die Absicht bei den Leuten jetzt ist: Oh, ich will so und so viele Follower auf Instagram haben! Aber was machst du denn? Was tust du denn so? Kannst du singen? Kannst du Sachen bauen? Ich habe es gemacht, weil ich für Leute singen wollte und für mich auf YouTube, weil ich einfach nur Coversongs gemacht habe und Spaß hatte. Dadurch habe ich Follower bekommen. Und ich glaube, dass die Leute jetzt einfach nur eine Fangemeinde haben wollen und sich dann erst überlegen, was sie eigentlich machen wollen. Also ist es genau andersherum. Jeder, der jetzt anfängt, jeder, der Inhalte erstellen will, den frage ich immer: Was machst du? Hast du ein Talent? Hast du eine Fähigkeit? Bist du gut bei Videospielen? Bist du gut in irgendetwas? Und die Absicht sollte nie sein, möglichst viele Follower zu bekommen. Es sollte der Wunsch da sein, seine seine Fähigkeiten oder sein Talent mit anderen teilen oder anderen zu zeigen, was man kann. Und ich denke, dass die eigentliche Motivation sehr wichtig ist und dass sie für die Authentizität dessen, was man macht, ausschlaggebend ist.

Es ist eine seltsame Zeit, um ein Künstler zu sein, denn sich einfach nur künstlerisch zu betätigen, reicht offensichtlich nicht mehr.
Nein, das reicht nicht. Und das ist anstrengend. Da ich auf YouTube bin und diese Perspektive habe, habe ich das Gefühl, dass ich mit einem Fuß in beiden Feldern stehe. Einerseits bin ich klassisch Mitglied in einer Band und auf der anderen Seite bin ich auch Content-Creator, und mir stellte mal jemand die interessante Frage: Aus der Fan-Perspektive, als was würdest du dich selbst bezeichnen? Und ich sage immer Musikerin, denn ich glaube nicht, dass ich jemals wirklich als Influencerin wahrgenommen wurde, und dann stellt da noch die Frage, was einen Influencer von einem Musiker unterscheidet, und es sind einfach diese interessanten Zeiten der Identität, wer sind wir, wie passen wir dazu, wie teilen wir unsere Kunst auf eine Art und Weise, die bedeutungsvoll ist und bei der es immer noch um die Kunst geht, aber für die Leute auch spannend ist. Und es ist einfach sehr, sehr, sehr seltsam im Moment.