PLANES MISTAKEN FOR STARS

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Auf der Suche nach sich selbst

Mit „Prey“ haben die Post-Hardcore-Helden PLANES MISTAKEN FOR STARS aus Illinois jetzt ein Album veröffentlicht, das nahtlos an „Mercy“ aus dem Jahr 2006 anknüpft. In den letzten knapp zehn Jahren war es ruhig geworden um Gared O’Donnell und seine Mitstreiter. Warum es ausgerechnet jetzt Zeit war, eine weitere Platte zu veröffentlichen, diese jedoch kein Comeback-Album ist, erklärt er im folgenden Interview.

Gared, sobald eine Band, um die es ja mehrere Jahre ruhig geworden ist, wieder eine Platte veröffentlicht, spricht man gerne von einem Comeback-Album. Was hat euch dazu bewogen, gerade jetzt und fast zehn Jahre nach „Mercy“ wieder zusammenzuarbeiten?

Grundsätzlich muss ich sagen, dass wir uns ja nie getrennt haben. Zwar hatte jeder von uns seine eigenen Dinge am Laufen, eine Familie gegründet oder war einfach etwas ausgebrannt vom Musikmachen. Wir haben uns in der ganzen Zeit jedoch nie aus den Augen verloren. Im Gegenteil, wir wohnen fast alle in der gleichen Stadt, unsere Kinder spielen miteinander und sowieso hängen wir immer noch sehr aneinander.

Was war denn der ausschlaggebende Punkt, dass ihr euch wieder mit PLANES MISTAKEN FOR STARS befasst habt?

Ich hatte einfach das Gefühl, dass ein Zeitpunkt für mich gekommen war, an dem es wieder notwendig wurde, Musik zu machen. Mir lag eine Menge auf der Seele, es waren viele Dinge, die ich gerne loswerden wollte, und da mir unsere Musik dabei in der Vergangenheit sehr geholfen hat, gab es für mich nur einen Weg: wir mussten als PLANES MISTAKEN FOR STARS wieder aktiv werden.

Es war zu lesen, dass du „Prey“ ganz allein in einer verlassenen Hütte geschrieben haben sollst. Was ist dran an der Geschichte?

Die Geschichte ist nur zum Teil richtig. Grundsätzlich schreiben wir die Musik schon zusammen. Was die Texte angeht, bin ich der Einzige, der sich mit seinen inneren Dämonen auseinandersetzen musste. Deswegen habe ich tatsächlich versucht, mich in einer selbstverordneten Einsamkeit irgendwo in kleinen, über mittleren Westen der USA verteilten Motels, auf ein Art Selbstfindungstrip zu begeben, wenn man das überhaupt so nennen kann, was jedoch nicht von langer Dauer war. Denn schon nach kurzer Zeit fand ich das, wonach ich gesucht habe.

Du meinst die Inspiration für ein ganzes Album?

Tatsächlich war es mehr als das. Es war die Erkenntnis, dass alles, wonach ich suchte, eigentlich meine Heimat, Familie und mein Umfeld ausmachte. Die Suche nach mir selbst endete schnell und war doch umso ergiebiger.

Würdest du dennoch sagen, dass zumindest dieser Versuch notwendig war, um dir die Augen zu öffnen?

Absolut! Man ist ja sehr schnell gefangen im Alltag und nimmt viele Dinge irgendwann nicht mehr wirklich als etwas Besonderes wahr. Sich von seinem Alltag zu entfernen – nicht davor zu flüchten –, hat mir geholfen, zu sehen, was mein Leben und mich ausmacht. Als mir das klar wurde, wollte ich auch umso schneller nach Haus zu meiner Familie.

In welchen Songs spiegelt sich diese Erfahrung auf „Prey“ denn besonders wider?

Es zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Album. Eigentlich spreche ich nicht gerne über meine Texte, zumindest war es früher immer so. Die Leute sollen sich ihre eigenen Gedanken dazu machen. Wenn ich meine Ideen vorgeben würde, beeinflusse ich ja die Hörer. Es gibt jedoch auch immer Dinge, die den Leuten den Zugang zur Platte vereinfachen. Meine Familie spielt direkt im ersten Song „Dementia Americana“ eine große Rolle. Unter „Dementia Americana“ versteht man die blinde Entschlossenheit, seine eigene Familie und Freunde vor allem zu verteidigen, was als Gefahr darstellen könnte. Diese Gedanken lassen sich auch auf das Verhalten vieler meiner Landsleute übertragen, die ohne zu fragen eine Sache bedingungslos unterstützen. Dabei reagieren sie nicht auf Argumente oder Fakten. Dieses Phänomen ist im Moment leider sehr weit verbreitet.

Spielen diese Ideen auch eine Rolle im Song „Riot season“?

Das kann man so sagen. Wir alle leben in sehr komischen, unruhigen Zeiten, in denen wir aufpassen müssen, dass nationalistische Idioten nicht das zerstören, was Generationen vor uns aufgebaut haben. Es ist unglaublich, dass es Leute gibt, die den Klimawandel leugnen oder vermehrt nationalistisch statt global denken. Wir dürfen solchen Leuten nicht das Feld überlassen. Aber auch hier gilt, dass das nur eine mögliche Idee hinter dem Song ist und sich jeder seinen Teil dazu denken soll.

Das Wort „Prey“ hat übersetzt mehrere Bedeutungen, wie zum Beispiel ausbeuten, die Beute oder auch auf jemanden Jagd machen. Was hattet ihr mit dem Titel „Prey“, also Beute, im Sinn?

Das Wort lässt offen, in welcher Rolle wir uns dabei befinden. Mal bist du der Jäger und plünderst zum Beispiel deine Mitmenschen oder die Natur auf irgendeine Art aus, auch wenn du dir dessen gar nicht bewusst bist. Auf der anderen Seite sind wir aber auch oft diejenigen, die beraubt werden. In unserer Gesellschaft müssen wir uns aber aufeinander einlassen können, anders würde das Zusammenspiel gar nicht funktionieren. Es gibt immer Leute, die dieses Vertrauen ausnutzen und es sich zunutze machen. Ich weiß nicht immer, auf welcher Seite ich gerade stehe, und es gehört auch Mut zur Selbstreflexion dazu, um das herauszufinden.

Sprechen wir über die Musik auf „Prey“, die wie gewohnt atmosphärisch und vertrackt ist. Mit „Fucking tenderness“ habt ihr aber auch einen fast schon straighten Rocksong im Gepäck. Gab es während der Produktion der Platte Situationen, in denen ihr euch gesagt habt, dass ihr zu sehr nach den alten PLANES MISTAKEN FOR STARS klingt?

Die Songs haben sich im Grunde von ganz allein geschrieben. Schon bei „Mercy“ wussten wir sehr schnell, in welche Richtung wir gehen würden. Während der Aufnahmen zu „Prey“ war es nicht so, dass wir etwas erzwingen oder gar unbedingt wiederholen wollten. Es entstand relativ schnell ein Fluss, der alles mitzog und dazu führte, dass die Platte nun so klingt, wie es jetzt der Fall ist.

„Prey“ ist auf Deathwish Records erschienen wie schon das Rerelease von „Mercy“. Mit Plattenfirmen wie Deep Elm, No Idea, Dim Mak oder Abacus habt ihr schon vorher Erfahrungen machen können. Was ist bei Deathwish dieses Mal anders, und meinst du, ihr bleibt dieses Mal länger dabei?

Wir haben etwa zu den Leuten von No Idea immer noch Kontakt und verdanken ihnen auch sehr viel. Die Möglichkeiten, die wir bei Deathwish haben, sind jedoch viel größer und ermöglichen es uns, dass wir uns nur auf die Musik konzentrieren können. Wir sind in der Situation, dass wir nicht von unserer Musik leben können und hätten bei anderen Plattenfirmen sogar Pay-to-play-Konzerte spielen müssen. So etwas lässt sich mit einer Familie und in unserem Alter nicht mehr realisieren. Daher sind wir umso erfreuter, dass wir ein Plattenlabel gefunden haben, das nicht nur viele unserer Lieblingsplatten rausgebracht hat, sondern auch voll hinter unserer Musik steht.

Ihr habt 2015 wieder angefangen, Konzerte zu spielen. Während eurer Bühnenabstinenz hat sich die Musikszene stetig verändert. Was hat sich deiner Meinung nach zwischen den frühen 2000er Jahren und jetzt am meisten geändert?

Wir gehen ganz anders an unsere Konzerte heran. Schließlich sind wir nicht mehr die wilden Langhaarigen, denen es egal war, ob nach einem intensiven Konzert alle Instrumente demoliert waren. Wir merken auch, dass die Leute uns ganz anders wahrnehmen. Wir sind zwar noch keine Oldieband, unsere Hörer hatten jedoch genug Zeit, sich mit uns auseinanderzusetzen. Vielleicht ist so eine andere Art von Wertschätzung entstanden.

Wie fühlt es sich denn für dich an, die alten Songs wieder zu spielen?

Ehrlich gesagt, sind viele Texte und Songs immer noch zu persönlich, als dass ich die Erinnerung von damals wiederaufleben lassen möchte. Wenn ich Songs schreibe, dann versuche ich, wie schon gesagt, meine persönlichen Dämonen zu bekämpfen und hinter mir zu lassen. Die Zeiten damals waren nicht so einfach und ich will das nicht unbedingt noch mal heraufbeschwören. Das soll jedoch nicht heißen, dass wir nur neues Zeug spielen. Vielleicht ist aber nicht jeder Lieblingssong von damals dabei. Dafür sind in der Zwischenzeit hoffentlich viele neue hinzugekommen.