Anlässlich des 30-jährigen Bestehens des englischen Punkrock-Urgesteins PETER AND THE TEST TUBE BABIES fand im Sommer 2008 das letzte Ox-Interview mit ihrem Sänger Peter in Brighton statt. Inzwischen hat die schöne Stadt an der Küste Großbritanniens fünf weitere Sommer erlebt und auf die Aktivitäten der TEST TUBE BABIES ist nach wie vor Verlass. Sie ziehen ihr Ding durch, spielen regelmäßig Shows und gehen in der kommenden Weihnachtszeit wieder auf Deutschlandtour. 2012, sieben Jahre nach der Veröffentlichung von „A Foot Full Of Bullets“, verzeichnet die Band sogar erstmals ein weiteres Release mit Coversongs: „Pissups“ auf Randale Records.
Das Label stand zwischenzeitlich in Deutschland wegen Grauzonen-Schnittstellen in der Diskussion. Auslöser waren Veröffentlichungen der Band 4 SKINS, die sich in jüngeren Songs als „Nationalisten“ bekennen und sich wiederkehrend mit rechten Bands die Bühne geteilt haben, sowie Frankie Flame, der in Läden der rechtsextremen Gruppierung Blood & Honour aufgetreten ist und wohl Kontakte zu rechten Kreisen pflegt. Denkt man an den früheren Ärger von PTTTB mit Locomotive Records und dem seitdem bestehenden Misstrauen gegenüber Plattenfirmen, ist diese Labelwahl überraschend. Spätestens jetzt ist es an der Zeit für ein weiteres Gespräch mit Peter.
Die Frage, wie eine Veröffentlichung auf einem Label, das sich zweimal bei der Wahl ihrer Interpreten nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat, zu einer Punkband wie PTTTB passt, die sich klar gegen rechts positioniert und zu der auch kein Patriotismus passt, ist naheliegend. Für Peter selbst trifft diese Verwunderung auf Missverständnis und er distanziert sich von jeglichem Tun der Labelkollegen: „Es ist nicht meine Sache, was diese anderen Bands treiben. Ich bin zu beschäftigt, um jedem Bandmitglied sowie ihren Brüdern oder Schwestern oder den Nachbarn der Bands nachzuspüren, die ebenfalls auf diesem Label sind. Unsere Position ist klar, und ich persönlich gebe einen Scheiß darauf, was all diese Bands treiben.“
Vielleicht ist Peter über all die Jahre solcher Diskussionen müde geworden. Die Band mag ihren Standpunkt über ihre gesamte Schaffenszeit vertreten und gefestigt haben und weit über den Dingen stehen, ein Hauch an Befangenheit oder gar eine kritische Rückfrage wäre an dieser Stelle dennoch wünschenswert gewesen. Die Abgrenzung von Punk zur Grauzone ist wichtig und verliert nicht an Aktualität, solange Punk für humanistische Werte, wie beispielsweise Freiheit, Gleichberechtigung, Vielfalt und Chancengleichheit einsteht – und keinen Patrioten oder gar Vertretern rechtsoffenen Gedankenguts geistigen und physischen Raum in den eigenen Reihen geben will.
Natürlich stehen darüber hinaus Fragen zu anderen Themen an. Zum Beispiel das auf „Pissups“ angekündigte Album mit neuen, eigenen Songs. Doch ein wenig muss sich die Fangemeinde noch in Geduld üben. Peter sagt zwar: „Ich habe über die letzten paar Jahre eine Menge an Texten geschrieben, die es verdient haben, in Songs Verwendung zu finden, und würde gerne ein neues Album aufnehmen, aber nur, wenn es durchweg exzellente Songs beinhaltet und ohne Lückenfüller auskommt.“ Bei diesem enormen Output stellt sich die Frage nach anderen musikalischen Projekten. Leider scheitert es wohl, wie so häufig, an der knappen Ressource Zeit: „Bedauerlicherweise hat der Tag einfach zu wenige Stunden, um all die Dinge zu erledigen, in die ich bereits involviert bin“, sagt er. Kein Wunder bei vier Jobs, einer Band und der Familie.
Und damit wären wir bei einem Thema, das für die ebenfalls älter werdenden Ox-Lesenden meist zunehmend relevanter wird – „The other F-Word: Family“. Die Betrachtung einer subversiven Jugendkultur, die mit ihren Anhängern älter wird, welche häufig immer noch im Szenegeschehen aktiv sind, wirft die Frage auf, inwiefern sich in einer solchen Zeitspanne deren Bezug zu „Punk“ und zu den ursprünglichen Themen oder auch Verhaltensweisen verändert. Peter hakt die an sich komplex wirkende Fragestellung recht gelassen mit einer knappen Antwort ab: „Es hat sich nichts verändert.“
Sieht man mal genauer hin, stößt man bei den einen auf eine Familie und den Hauch eines bürgerlichen Lebens, bei anderen aber nicht selten auf die Auswirkungen jahrelanger Selbstzerstörung. Live fast, die young: In der Punk-Szene gab es schon seit ihren Anfängen immer wieder Menschen, die an ihrem risikofreudigen und damit eben auch oft destruktiven Leben zugrunde gegangen sind. Es ist zu vermuten, dass Peter ebenfalls im Laufe der Jahre in seinem Umfeld entsprechende Erfahrungen gemacht hat. Die Frage, wie er damit umgeht und inwiefern diese Erlebnisse Einfluss auf sein jetziges Leben als Familienvater gehabt haben mögen, ist natürlich verbunden mit der Hoffnung auf einen weisen Ratschlag. „All diese Erfahrungen machen dich zu dem, was du bist“, sagt Peter. „Ich nehme an, dass du über Drogentote sprichst. Ich habe so etwas nie miterleben müssen und ich finde, dass ich selbst nicht total selbstzerstörerisch bin.“
Für die Punker zwischen dreißig und vierzig Jahren, die aktuell in einer Sinnkrise stecken, vielleicht Angst vorm Erwachsenwerden haben und mit ihrem Alter nicht zurechtkommen, hat er folgende Message: „Reißt euch zusammen! Es gibt immer jemanden, dem es schlechter als euch geht. Ihr könntet beispielsweise in Syrien leben oder von dort auf der Flucht sein.“
Obwohl Peter wenig Freizeit hat, lässt er es sich nicht nehmen, gelegentlich auf Konzerte zu gehen. In Brighton leben viele junge Bands und Menschen, die Konzerte organisieren – die Stadt hat diesbezüglich also einiges zu bieten. In der letzten Zeit gab es eine junge Band, die ihn besonders positiv überrascht hat: „Es gibt eine Girlband aus Hastings, die sich komplett aus Schwestern zusammensetzt. Sie heißen MAID OF ACE. Sie sind bereits jetzt verdammt gut und können nur noch besser werden. Sie verdienen es, groß zu werden!“
Was viele übrigens nicht wissen ist, dass Peter beruflich als privater Englischlehrer tätig ist und ausländische Schüler unterschiedlichsten Alters bei sich zu Hause über mehrere Wochen aufnimmt und ihnen praxisnahen Unterricht ermöglicht. Das Konzept geht auf: „Es läuft gerade sehr gut und ich hatte erst vergangene Woche einen Schüler hier. Er wird vorerst der Letzte in diesem Jahr sein, da wir noch vor der Weihnachtstour in Deutschland Auftritte in Frankreich, Serbien und Kroatien haben. Aber ich nehme bereits Anfragen für nächstes Jahr an. Also falls jemand dies liest und gerne bei mir wohnen möchte, um sein Englisch zu verbessern, schaut auf meiner Homepage nach und kontaktiert mich: english-language-home-tuition.co.uk.“
Wer Peter und seine Band dieses Jahr noch mal live erleben möchte, ist herzlich dazu eingeladen, sich das Spektakel in der Weihnachtszeit anzusehen. Die Band ist immer noch mit Herzblut dabei und hat zudem die Freude am Verkleiden nicht verloren. Das diesjährige Motto ist: „Weltreligionen“. Peter freut sich schon darauf: „Wir sehen uns alle an Weihnachten. Vergesst nicht, Geschenke mitzubringen!“
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