Mit „All Things Shining“ legt das schwedische Post-Rock-Duo sein fünftes Studiowerk vor. Wieso es zwangsläufig wieder um die existenziellen Fragen des Lebens geht, erklärt uns Gitarrist und Sänger Jakob Hemström.
Kannst du zunächst den Produktionsprozess von „All Things Shining“ noch einmal Revue passieren lassen? Wann habt ihr mit dem Schreiben angefangen? Wie lange habt ihr an den Songs gearbeitet, wo habt ihr aufgenommen und mit wem?
Wir haben mit dem Schreiben begonnen, direkt nachdem unser vorheriges Album „Myriad“ rauskam. Das war im Sommer 2022. „Deluge“ und „Leave us behind“ existierten da bereits. Doch wir hatten das Gefühl, dass sie nicht so gut zu dem passten, was wir mit dem Album machen wollten. Für die neue Platte fanden wir, dass sie aber sehr gut funktionieren könnten. Wir sind dann im Juli 2023 ins Studio gegangen, acht Tage haben wir für die Aufnahmen gebraucht. Wir waren erneut bei Kristian Karlsson in Südschweden im Studio. Die Backing Vocals, das Cello und die Posaune haben wir dann selbst aufgenommen. Magnus Lindberg hat die Platte gemischt und gemastert. Es war quasi alles so wie beim vorangegangenen Album und dieselben Leute. Kristian und Magnus sind großartige Menschen und kennen uns und unsere Musik schon lange.
Im Laufe der Jahre gab es eine Reihe von Besetzungswechseln in der Band, mittlerweile seid ihr als Duo unterwegs. Wer war bei den Aufnahmen alles beteiligt? Habt ihr alle Instrumente selbst eingespielt oder gab es Gäste im Studio? Und in welcher Konstellation werden wir euch live auf der Bühne sehen?
Ich habe alle Gitarren, den Bass und den Gesang eingespielt. Die zweite Hälfte der Band, mein Bruder Oskar, hat das Schlagzeug und die Percussions übernommen. Kristian hat die meisten Keyboards gespielt, bis auf ein paar, die ich beigesteuert habe. Und dann waren noch meine Frau Ellen am Cello und für ein paar Gesangseinlagen sowie unser Freund Arvid Ageborg an der Posaune dabei. Bei Live-Auftritten bringen wir zwei gute Freunde von uns mit auf Tour, Jocke Liebgott für Bass und Gesang und Jalle Furingsten an den Gitarren und Keyboards.
Gab es von Anfang an eine klare musikalische Vision – in Bezug auf Sound, Ausrichtung und Arrangements? Oder war es eher ein sich entwickelnder und fließender Prozess?
Ein bisschen von beidem. Wir hatten im Vorfeld einige Ideen, die wir mit diesem Album umsetzen wollten, wie zum Beispiel etwas direktere Songs und einen prägnanteren Sound. Andere Dinge haben sich entwickelt, zum Beispiel der Gesang, der diesmal etwas prominenter ist. Wenn es um die Arrangements geht, versuchen wir immer, jeden Track einzeln zu betrachten und keine Dinge zu erzwingen, die sich unnötig anfühlen. Letztlich haben wir im Vergleich zu „Myriad“ aber jetzt etwas mehr Keyboards und weniger Bläser am Start.
Die Platte beschäftigt sich unter anderem mit den Themen „Zweck“ und „Sinn“ des Lebens. Wann genau war dir klar, dass du diese Fragen behandeln willst? Und gab es einschneidende Ereignisse, die zu dieser Entscheidung geführt haben?
Ich entscheide mich nie im Voraus für Themen. Wenn ich Texte schreibe, kommen sie immer irgendwie während des Schreibprozesses zu mir. Ich entdecke sie dann manchmal auch erst, wenn ich mir ansehe, was ich geschrieben habe. Und es gibt fast immer ein Muster, das man finden kann. Aber es hat mich nicht überrascht, dass der rote Faden des Albums gewissermaßen existenzielle Fragen sind, das ist eigentlich meistens so. Mir ist klar, dass meine Texte wahrscheinlich manchmal ein bisschen zu abstrakt sind, um ganz verstanden zu werden, aber für mich sind sie immer sehr persönlich. Ich denke, ich habe mich für eine abstraktere Herangehensweise entschieden, weil sie zur Musik passt und weil sie mir hilft, die Dinge auszudrücken, die ich ausdrücken möchte, während ich gleichzeitig meine Integrität wahre.
Ihr seid für eure emotionale Herangehensweise an die Musik bekannt. Ist es für euch im Laufe der Jahre einfacher geworden, euer Inneres in der Musik auszudrücken und eure Gefühle zu vertonen?
Ich glaube nicht, dass es einfacher geworden ist, aber es ist auf jeden Fall anders. Am Anfang haben wir viel mehr mit Intuition und rohen Emotionen gearbeitet. Wir hatten seinerzeit nicht die Fähigkeiten, uns zurückzulehnen und das Material objektiv zu bewerten, so wie wir es jetzt können und tun. Das bedeutet nicht, dass die neuen Songs nicht aus unserem Inneren kommen, aber sie sind vielleicht ein bisschen ausgefeilter und konzipierter, da wir schlichtweg besser im Schreiben, Aufnehmen und Spielen unserer Instrumente geworden sind. So können wir heute so lange an Songs arbeiten, bis wir wirklich mit ihnen zufrieden sind. Damals war ein Song fertig, sobald er eben fertig war. Ich denke, das ist der Unterschied.
Wie oft hörst du die neue Platte selber heute noch?
Für mich ist es nicht wirklich möglich, meine eigene Musik aus reinem Vergnügen zu hören. Beim Schreiben, Aufnehmen und Abmischen analysiert man die Songs ständig, und dieser Impuls bleibt einem auch hinterher irgendwie erhalten. Wenn ich mir die fertige Platte also anhöre, wird das in der Regel zu einer Review-Session, bei der ich darüber grübele, ob die Songs nun gut sind und was ich hätte anders machen sollen. Ich bin ein wenig perfektionistisch, aber zum Glück nicht so verbohrt, dass ich mich davon komplett beherrschen lasse. Es kann aber natürlich auch schön sein, sich eine Platte noch einmal anzuhören, wenn man etwas Abstand gewonnen hat, denn dann klingt sie in der Regel besser.
Was sind letztendlich die Vorteile, wenn eine Band aus zwei Personen besteht? Und welche Herausforderungen oder Probleme sind damit verbunden?
Du kannst zu zweit viel schneller Entscheidungen treffen. Außerdem hast du viel mehr Kontrolle über alles und auch mehr kreativen Freiraum. Du kannst die Dinge so tun, wie du sie tun möchtest. Der Nachteil ist wohl, dass es sehr viel anstrengender ist, da es weniger Leute gibt, die sich die Arbeit teilen.
© by Fuze - Ausgabe #107 August/September 2024 und Anton Kostudis
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