OFFSPRING

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Voller Energie

In unserem Interview spricht Dexter Holland, Frontmann von THE OFFSPRING, über das neue Album „Supercharged“ und gewährt dabei spannende Einblicke in den kreativen Prozess der kalifornischen Band. Angesichts dieser frischen Energie und entschlossenen Rückkehr zu ihren Punk-Wurzeln reflektiert Holland, wie sie es schaffen, nach fast vier Jahrzehnten immer noch relevante und mitreißende Musik zu schreiben. Er teilt auch Geschichten über ihre Aufnahmen an verschiedenen Orten, von Huntington Beach bis Maui, und lässt uns an den Herausforderungen und Freuden teilhaben, die das Leben auf Tour mit sich bringt. Zudem verrät Holland, warum Positivität und Selbstmotivation eine zentrale Rolle in ihrer Musik spielen.

Was kannst du mir über den Aufnahmeprozess von „Supercharged“ erzählen? Gibt es irgendwelche Anekdoten?

Ja, ich muss sagen, es kam viel schneller zusammen als unser letztes Album. Ich meine, unser letztes Album, Junge, da lagen neun Jahre zwischen den Platten, das ist zu lang. Bei dieser Platte waren es nur ein paar Jahre, vielleicht drei. Aber in Musikjahren ist das doch eigentlich sehr kurz, oder? Man hat viel zu tun und geht auf Tournee, und ehe man sich versieht, sind sechs Monate vergangen, und man hatte nicht mehr so viel Zeit, ins Studio zu gehen. Aber grundsätzlich versuchen wir, in kurzen Abständen zwischen den Touren aufzunehmen. Anstatt uns also drei Monate lang einzuschließen, machen wir nur eine Woche hier und zwei Wochen dort. Und ich finde, dass es tatsächlich produktiver ist, in einem kürzeren Zeitraum eine Menge aufzunehmen.

Hatte das irgendwelche Auswirkungen auf das Material?
Nun, für mich macht es das besser. Du hörst einen Song immer und immer wieder, wenn du ihn aufnimmst, richtig? Ja. Und nach einer Weile bleibt man irgendwie stecken. Wenn ich also sage: Okay, lass uns mit einem anderen Song weitermachen, dann kommen wir einen Monat später zurück und plötzlich weiß ich genau, was zu tun ist. Weißt du, das gibt dir Zeit, über den Song nachzudenken. Und ich glaube, das macht es für mich besser.

Stimmt es, dass ihr das Album an drei verschiedenen Orten aufgenommen habt?
Das haben wir, das haben wir. Wir haben unser eigenes kleines Studio in Huntington Beach, wo wir leben, und dort entsteht normalerweise der Großteil der Aufnahmen, aber wir haben auch einige Aufnahmen auf Maui gemacht, was Spaß gemacht hat, und die Nachbearbeitung und das Abmischen passierte hauptsächlich in Vancouver.

War es das erste Mal, dass ihr in unterschiedlichen Studios wart?
Nein, das ist so ein Bob-Ding. Unser Produzent, Bob Rock, lebt in Maui, also sind wir über die Jahre immer wieder nach Maui geflogen, um dort aufzunehmen. Und Huntington Beach ist unser Zuhause, und dann nimmt Bob auch gerne in Vancouver auf. BON JOVI und ­METALLICA und all diese Sachen waren in Vancouver, also ist es eine Umgebung, in der er sich sehr wohl fühlt, also arbeiten wir viel dort.

Du hast mal gesagt, dass es auf „Supercharged“ darum geht, die Energie hoch zu halten. Wie stellt ihr sicher, dass die Energie auch nach all den Jahren noch hoch ist?
Ja, das Zitat gefällt mir. Ich habe das gesagt? Das ist gut. Haltet die Energie hoch. Ja, ich denke, vielleicht weil wir so lange für die letzte Platte gebraucht haben, wollte ich, dass sich diese Platte wie ein Knaller anfühlt. Außerdem haben wir echte Die-hard-Fans, und die mögen immer am liebsten die schnellen Punk-Songs. Also dachte ich, lass uns die Platte dieses Mal mehr in diese Richtung bringen.

Wie macht ihr das eigentlich, wie schreibt ihr eure Musik so dass der Prozess nach fast vier Jahrzehnten interessant bleibt?
Manchmal ist es schwierig nach zehn Alben. Manchmal fragt man sich schon, Junge, was haben wir musikalisch noch zu bieten? Man will sich nicht nur wiederholen auf einer neuen Platte. Manchmal dauert es ein bisschen, bis wir herauszufinden, was wir musikalisch erreichen wollen. Es braucht dann auch ein bisschen Zeit, um die richtige Balance zu finden zwischen Dingen, die sich vertraut anfühlen, die uns Spaß machen und die unsere Fans mögen, und dem Gefühl, etwas Neues zu machen.

Habt ihr eine besondere Methode, um den Schreibprozess frisch zu halten, oder experimentiert ihr viel?
Zeit. Manchmal, wie ich schon sagte, muss man eine Weile Abstand von einem Song finden. Ich glaube, Bob ist ein wirklich guter Einfluss im Studio. Es kommt vor, dass ich vielleicht nur eine halbe Idee habe und er sagt: Wie wäre es damit? Was ist damit? Was ist damit? Und so entsteht manches spontan und auf der Stelle. Es gibt sozusagen einen Teil einer Idee, einen Keim einer Idee, und dann entwickeln wir sie manchmal fast vor dem Mikrofon zu Ende.

Hat sich der Schreibprozess im Laufe der Jahre verändert oder ist er im Grunde derselbe wie bei den ersten Platten?
Ich versuche, mit einem so gut wie möglich geschriebenen Song zu kommen. Ich denke, wenn man sich nicht sicher ist, kann es manchmal sehr lange dauern, weil man nicht weiß, wo man hinwill und so. Es ist also wichtig, den Song so kurz vor der Fertigstellung zu haben wie möglich. Aber wie ich schon sagte, kürzere Zeitabschnitte sind gut für uns. Und ich gehöre auch nicht zu den Leuten, die 25 Anfänge schreiben oder 25 Demos aufnehmen und sich dann die besten zehn heraussuchen. Das sind sozusagen die zehn Startsongs und die zehn Endsongs. Und das war’s auch schon.

Wenn ich das Album höre, erkenne ich eine gewisse positive Grundhaltung in vielen Songs. Kam das natürlich oder war es geplant, sich auf das Positive zu konzentrieren?
Ähm, ich glaube, die Leute denken, sie könnten ihre Kreativität selbst steuern. Ich finde nicht, dass das auf mich zutrifft. Ich denke, dass ein Song so entsteht, wie er entsteht, und man führt ihn einfach zu seinem natürlichen Ende fort. Ich nehme an, dass etwa „Make it alright“ vielleicht als positiver Song gesehen werden würde. Es geht um eine Beziehung, in der eine Person von seiner Freundin unterstützt wird, aber sie ist nicht so „Schatzi“, sondern sie sagt: „Halt die Klappe, du bist in Ordnung.“ Da war so eine Art Ironie drin, die ich schön fand, also es ist positiv, aber auf eine lustige, ironische Weise, und ich dachte, vielleicht ist es komisch, einen Song zu haben, der so positiv ist.

Könntest du also erklären, warum ihr positiver eingestellt seid als viele andere Punkbands, die sich hauptsächlich auf das Negative konzentrieren?
Das ist schwer zu beantworten. Na ja, im Punkrock geht es doch eigentlich darum, sich zu beschweren, oder?

Ja, als Deutscher sollte ich das wissen.
Du beschwerst dich über alles. Du beschwerst dich über die Polizei. Du beschwerst dich über den Präsidenten, du beschwerst über was auch immer. Über das Wetter. Vielleicht ist es zu schön, zu schlecht. Es ist nie richtig. Aber das ist eine großartige Form des Ausdrucks, oder? So bewirken Menschen Veränderungen, positive Veränderungen, indem sie sich darüber beschweren, was nicht stimmt.

Ja, genau. Also spiegelt diese Konzentration auf das Positive wider, welche Art von Menschen ihr seid?
Ach du meine Güte. Es ist irgendwie witzig, du sprichst von positiv und negativ, und ich habe es nicht wirklich in diese Begriffe gefasst. Ich weiß nicht, ob ich sagen würde, dass es übermäßig positiv ist, aber ich denke, dass ich versuche, Hoffnung in unserer Musik zu vermitteln. Ich denke, dass ich bei vielen Songs, auch wenn sie düster klingen, versuche, eine Art von Hoffnung hineinzubringen. Selbst wenn der Song davon handelt, dass man sich innerlich nicht gut fühlt. Man kann es auf humorvolle Art machen, wie zum Beispiel bei „Self esteem“, denn ich denke, die Idee ist, dass man etwas anbieten möchte. Man will nicht einfach nur sagen: Das Leben ist scheiße, das Leben ist scheiße. Man sollte das Gefühl haben, dass man etwas davon hat. Ja, ich denke, die Idee hinter Musik, besonders hinter düsterer Musik, ist, dass sie kathartisch sein sollte oder sein kann. Sie kann dabei helfen, eine Veränderung in dir hervorzurufen, die gut ist, und letztendlich ist es das, was ich möchte, nämlich der Welt etwas zu hinterlassen, das dem Wohl der Menschheit dient.

Was war das Tollste, das du in den fast vierzig Jahren in dieser Band erlebt hast?
Oh du meine Güte, ich würde sagen, es hat hauptsächlich eine Menge Spaß gemacht, oder? Wenn du anfängst, bist du einfach so drauf, ihr seid 18 Jahre alt und trinkt Bier in der Garage und spielt am Samstagabend Gitarre, richtig? Und dann geht es immer weiter, und plötzlich spielst du in einem Club, und bevor du dich versiehst, gibt es tatsächlich ein Publikum, und du denkst: Wow, wir könnten in die nächste Stadt fahren und eine Show spielen! Und so geht das Abenteuer weiter, und ich habe das Gefühl, dass es immer noch weitergeht. Ich glaube, die Leute gründen Bands, weil sie mit ihrer Musik eine Verbindung zu den Leuten herstellen wollen. Ich meine, egal, welche Art von Musik es ist, das ist es, was man versucht zu tun. Die Tatsache, dass wir in der Lage waren, das zu tun und mit unserem Publikum in Verbindung zu treten, ist das Erfreulichste überhaupt. Es ist eine sehr bedeutsame Sache für uns.

Ist da etwas, das ihr im Laufe der Jahre lieber anders gemacht hättet?
Unseren Manager feuern. Nein, das war nur ein Scherz. Alles passiert aus einem Grund, richtig? Manchmal sind Dinge passiert, nach denen wir dachten, wow, wir hätten etwas Bestimmtes schon früher tun sollen. Aber meist ist das Leben keine gerade Linie. Manchmal geht man zwei Schritte vor und einen zurück, aber ich bin wirklich zufrieden mit dem, wo wir jetzt sind. Ein gutes Beispiel ist diese Tournee, die wir gerade in Europa gemacht haben. Wir haben einige Shows in Deutschland gespielt und das waren die besten Shows, die wir je hatten, und das größte Publikum, das wir je hatten. Und ich kann kaum glauben, dass es nach all dieser Zeit immer noch so gut läuft.

Gibt es eine Geschichte, die dir jemand über eure Musik erzählt hat und die du für das Erstaunlichste hältst, das du je gehört hast?
Ach du meine Güte. Die Leute sagen manchmal Dinge zu dir, die du in deiner eigenen Musik nicht fühlen kannst. Sie sagen Sachen wie: „Dein Song hat mir das Leben gerettet“ oder so etwas in der Art, dann sagst du: „Also das kann ich mir nicht vorstellen.“ Aber dann sagen sie: „Doch, das hat er tatsächlich!“ Es gibt viele Geschichten wie diese. Eine Menge Leute erzählen, dass sie die Musik lieben, weil sie sie an einen geliebten Menschen erinnert, der verstorben ist, und sie erzählen davon, wie sie zum Beispiel zusammen zu unserem Konzert gegangen sind. Ein Elternteil erzählte, dass das allerletzte Konzert ihrer Tochter eins von uns war, und eine Woche später ist diese arme junge Frau bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Und man kann sehen, dass diese Verbindung zu der Musik, die diese Person geliebt hat, für sie sehr, sehr bedeutsam ist, und das berührt mich sehr.

Und was können wir von euch in den nächsten vierzig Jahren erwarten?
Ja, viel Energie. Eine sehr hohe Energie. Das ist mein Plan für jedes Jahr.