NEW BOMB TURKS

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Quit Your Dayjob?

Tja, die NEW BOMB TURKS ... muss ich zu dieser Band noch große Worte verlieren? Mit zahllosen Singles, dem stilbildenden Debütalbum „Destroy Oh Boy“ und auch den gereiften Spätwerken hatte sich das Quartett aus Columbus, Ohio seit Anfang der Neunziger einen bemerkenswerten Szenestatus erarbeitet. In Plattenbesprechungen zu Garagenpunk-Scheiben ist ihr Name nach wie vor eine der meist genannten Referenzen und auch in meiner musikalischen Sozialisation gehörten sie zu den wichtigsten Einflüssen. Kaum eine andere Band bekam den treibenden, rauhen und dreckigen Punkrock-Sound ähnlich intensiv hin wie die Band von Eric Davidson (Gesang), Jim Weber (Gitarre), Matt Reber (Bass) und Bill Randt (Schlagzeug, später durch Sam Brown ersetzt). Dazu clevere Lyrics fernab vom Punk’n’Roll-Klischee-Einheitsbrei und unglaublich wilde Konzerte, fertig war das perfekte Gesamtpaket! Vor ein paar Jahren kam dann die traurige Nachricht vom Ende der Band, worauf in unregelmäßigen Abständen aber immer wieder Live-Shows folgten. Im Juli 2009 waren die Turks endlich mal wieder für vier Shows in Europa und Eric und Jim waren so nett, mir kurz danach ein paar Fragen zu beantworten.

Wie waren die Shows in Europa?

Eric: Es war überall großartig! Ich war schon etwas früher in Europa und hab die GORIES und OBLIVIANS bei einer ihrer Clubshows gesehen. Bis auf Stuttgart waren alle unsere Clubshows ausverkauft, beim belgischen Sjock-Festival war es auch voll, wir haben mit einigen echt tollen Bands gespielt und ich habe viele alte Freunde wieder getroffen. Mir war schon im Vorfeld aufgefallen, dass wir besonders in Europa immer noch sehr viele junge Fans zu haben scheinen. Da war es cool, auf den Shows auch mal neue Gesichter zu sehen, so wie es dann zum Beispiel in Solingen ja auch der Fall war. Also gar nicht mal so schlecht für so alte Säcke wie uns, haha.

Enttäuscht es euch, wenn mal, wie diesmal in Stuttgart, nicht so viele Leute kommen?

Jim: Nein. Ich bin überrascht und dankbar, wenn überhaupt jemand kommt, um uns zu sehen. Wir haben seit über sechs Jahren keine Platte veröffentlicht und daher auch keine Promotion in Europa. Da ist es doch klar, dass weniger Leute auf den Konzerten sind.

Eric: Ich war allgemein überrascht, wie gut es überall lief. Wir haben die Shows nicht großartig beworben, für uns war das ja so eine Art Urlaub. Wenn du kein aktuelles Album hast, kein Label, das promomäßig aktiv ist, und mit einer – in technischer Hinsicht – nicht mehr existenten Bands unterwegs bist, dann kannst du halt nur auf das Beste hoffen. Es war trotzdem noch ziemlich voll und durchgedreht.

Jim: In Stuttgart rannte zum Beispiel ständig dieser nackte Typ durch die Gegend, der einen wirklich sehr kleinen Penis hatte. Er kam auf die Bühne und hat versucht, mit seinem Pimmel Schlagzeug zu spielen, was aber wegen der mangelnden Größe nicht klappte. Zum Totlachen!

War es jetzt endgültig das letzte Mal, dass man die NEW BOMB TURKS auf deutschen Bühnen bewundern durfte?

Jim: Das würde ich nicht endgültig sagen, aber ich weiß halt auch nicht, wann wir wiederkommen. Wir spielen nur ein paar Shows im Jahr, die müssen wir uns also gut einteilen. Es könnte sein, dass wir November 2009 noch mal auf dem Speedfest in Eindhoven spielen, das ist ja relativ nah an Deutschland dran.

Eric: Wir waren uns alle schon bei der offiziellen Auflösung der Band einig, dass wir jeden Sommer spielen werden, sofern ein gutes Angebot vorliegt, alle frei bekommen und wir uns sicher sind, noch eine gute Show abliefern zu können. Wenn wir bei euch spielen, dann womöglich wieder in Solingen oder vielleicht auch Berlin, da Crypt-Chef Tim Warren mittlerweile dort lebt.

Juckt es euch nicht mal wieder in den Fingern, neue Songs aufzunehmen?

Jim: Das wäre toll! Unsere letzten Konzerte liefen so gut, da bin ich überzeugt, dass wir immer noch coole Platten machen könnten. Ich hoffe, wir können das irgendwann noch mal in Angriff nehmen, aber es ist natürlich schwer, wenn jeder einen Vollzeitjob hat und man die Band nur als Hobby betreibt.

Eric: Manchmal habe ich schon Lust drauf, aber ich lebe in Brooklyn und die anderen in Columbus. Für uns ist es schwierig, ein Treffen zu organisieren, bei dem wir neue Songs schreiben könnten. Wir könnten sicherlich schnell mal ein paar Coverversionen aufnehmen, aber ich glaube es wäre etwas unredlich, auf die Schnelle zwei oder drei Songs aus der Band rauspeitschen zu wollen, wenn ich mal für ein Wochenende in Columbus bin. Aber wer weiß ...

Was bei euch schon seit 2005 auf dem Projektplan steht, ist eure DVD „Quit Your Dayjob“, wie ist da der Stand der Dinge?

Jim: Das Projekt liegt momentan komplett auf Eis. Der Typ, der es auf die Beine stellen wollte, hat keine Zeit mehr dafür und es ist uns noch nicht gelungen, jemand anderes dafür zu finden. Wir haben tonnenweise großartiges Material, es geht eigentlich nur darum, alles auszuwählen und zusammenzuschneiden.

Eric: Wenn das Ding tatsächlich mal erscheint, dann wird der Titel wahrscheinlich auch anders lauten. Wir sprechen hin und wieder noch über die Sache, aber wir müssen genug Zeit finden, um alles auszuwählen. Außerdem brauchen wir einen wirklich zuverlässigen Freund, der günstig für uns arbeitet. Ich arbeite allerdings momentan noch an einem Buch über den Garagepunk der Neunziger, das mich zeitlich extrem auf Trab hält, von daher wird das Ganze sicher noch etwas dauern. In der Zwischenzeit müsst ihr euch also noch mit unserer Live-DVD „Reigning On Edinburgh“ begnügen, die vor einiger Zeit auf Cherry Red erschienen ist.

Dein Buchprojekt hört sich sehr interessant an, erzähl mal ein bisschen mehr dazu.

Eric: Es handelt, wie gesagt, von der Garagepunk-Szene der Neunziger und wird ein echtes Monster! Über fünfzig Interviews werden drin sein und massenhaft Abbildungen von alten Flyern und Fotos. Ich habe jede Menge Bands und Labels, aus der Szene interviewt, beispielsweise Crypt Records, In The Red, Sympathy, Estrus, Empty und Norton, aber auch einige Fans, Booking-Agenten, Plattenladenbesitzer. Da gibt es also massig Informationen und wilde Geschichten, die ich immer ein wenig mit meinen eigenen Erfahrungen mit den NEW BOMB TURKS zu verknüpfen versuche. Das Buch wird „We Never Learn“ heißen und im kommenden Juni bei Backbeat Books erscheinen. Leider weiß ich nicht, ob es in Europa vertrieben wird, aber ich hoffe, dass es auch ins Französische und/oder Deutsche übersetzt wird.

Bist du auch noch an der derzeitigen Punkrock- und Garagepunk-Szene interessiert?

Eric: Ja, aber ich habe die ausgeklügelte Theorie, dass uns ein paar Generationen lang einige wirklich abgefuckte und durchgeknallte Punkrocker durch die Lappen gegangen sind – und das werden nicht die Letzten gewesen sein, weil die Eltern ihre Kids ja bereits ab dem vierten Lebensjahr mit Prozac und Ritalin füttern. Ich hoffe aber, dass schon bald ein Schwung neuer verrückter Bands auftaucht. Es ist schon zu merken, dass jüngere Fans gelangweilt sind und bei den Shows mehr rocken wollen. Ich persönlich bin sehr offen, höre also nicht nur das ungeschliffene Rockzeug, sondern auch eine Menge anderer Sachen. Ich liebe aber die BLACK LIPS, MANNEQUIN MEN, DAVILA 666, die kürzlich aufgelösten LIVEFASTDIE, KING KHAN & BBQ und deren viele Nebenprojekte, die BABY SHAKES, VIOLENT LOVERS CLUB, JAIL WEDDINGS und viele mehr. Bis vor ein paar Monaten war ich Redakteur beim amerikanischen Musikmagazin CMJ, da habe ich viele CDs bekommen, meistens allerdings Indierock. Kürzlich hab ich dann meinen Job dort verloren, da im Moment fast alle Magazine in den USA dichtmachen. Dieses Jahr war ich dann stark mit meinem Buch beschäftigt und konnte daher also leider auch nicht so viele Konzerte mitnehmen.