MÜLHEIM ASOZIAL

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Ein weiterer asozialer Tag in den Straßen Kölns

Seit drei Jahren sorgen MÜLHEIM ASOZIAL für Radau, Pogo und hoffnungsvolle Scherbenhaufen in den autonomen Eckkneipen und linksradikalen Pommesbuden der Bundesrepublik. Deutschpunk wird wieder zur Musik des gesetzlosen, Korsakow-erkrankten, randständigen Abschaums der Gesellschaft. Im folgenden Text gewährt euch Kölns verheißungsvollstes Rappelpack Einblick in einen Tag aus ihrem ungeschminkten Leben auf der „Schäl Sick“, also der „falschen“, weil rechten Rheinseite, wo der Begriff Gentrifizierung nicht nur Fremdwort, sondern eine Beleidigung ist.

Es ist so circa 18 Uhr, als wir vom Wiener Platz durch die Unterführung laufen Richtung Mülheimer Freiheit (welch groteske Ironie). In einer Ecke neben dem Kiosk sehen wir einen gut gekleideten Mann, der wie wild auf ein schmutziges Bündel am Boden eintritt. Es stellt sich heraus, dass der Wüterich Karl Lauterbach ist (ja, der von der SPD. Ja, der mit der scheiß Fliege), der auf einen wehrlosen Mann eintritt und dabei schreit: „Brüderle hat geile Titten, das wird man jawohl noch sagen dürfen!“

Eine Frau im rosa Sportdress und Bierflasche in der Hand sieht unsere erstaunten Gesichter und zischt uns missmutig zu: „So läuft das in Köln-Mülheim – wenn’s euch nicht passt, verpisst euch!“ – „Leider geht das nicht, gute Frau, weil wir so ’ne Band haben und das wäre dann namenstechnisch nicht mehr real, wenn wir jetzt hier abhauen würden, checkste?“, entgegnet Feinripp, woraufhin sie nur abwinkt und ihren Weg ins Glück fortsetzt. Sache geklärt, ab ins Limes.

Nach dem „Hallo“ Überzeugungsarbeit für weitere Deckel leisten: Haben sie gemacht – selber schuld. Dennoch warnt uns der Kieler Bengel hinter der Theke, er werde uns im Auge behalten. Ja, gut so. Ist er doch nicht nur zum Kellnern hier! Wir gehen weiter in die Bierblume, trinken Bier und Cola, um kurz darauf mit der asozialsten Straßenbahnlinie, der Linie 4, auch: „Warteraum zur Hölle“ genannt oder einfach „Müllwagen“, Richtung AZ Kalk zu ballern. Boah, wie viele Jogginghosen in so eine Bahn passen. Echt immer wieder krass! Dann kommt zu allem Überfluss noch ein Kerl auf uns zu, sieht unseren Gitarrenkoffer, mustert uns mit einem süffisanten Grinsen auf dem recht klebrigen Gesicht und stellt fest: „Ihr macht Mussikkk? – Korräk!“ So viel ungefragte Zustimmung gibt’s nicht überall gratis, hier auch nur manchmal.

Endlich am AZ angekommen bietet sich uns ein wahrhaft skurriler Anblick. Oberbürgermeister Roters, der Ex-Bullencommander Kölns, den man sonst eigentlich nur bockwurstfressend und anmaßend angezogen auf irgendeiner Schützenfesteröffnung sieht, machte eine Räuberleiter für seinen SPD-Freak-Freund und Bezirksbürgermeister von Köln-Kalk, Markus Thiele. Roters Gesicht befindet sich auf Arschhöhe von Thiele, dabei ruft er immer wieder verstört: „Das AZ ist mir eine Herzensangelegenheit! Eine Herzensangelegenheit!“ Thiele lässt sich von Roters Gejammer nicht ablenken und versucht mit einem kleinen Hammer, die Mauern des AZ zu beschädigen beziehungsweise abzureißen, wie er später der Presse erklären wird. Na ja, die Typen sind so verballert, da fällt einem nix mehr zu ein. Das AZ gibt’s jetzt schon fast drei Jahre und wenn sie sich wirklich mit einem größeren Hammer dran wagen, muss Köln sterben ... haben wir gehört.

Nichts desto Trotzki sind wir dann erst mal ab innen Keller zum Proben. Nach zehn Minuten ist allen klar: Brauchen wir nicht, können wir nicht! Also schnell wieder die Instrumente der anderen Bands zurückgestellt und wieder raus on the street of darkness and pain. Mangels Ideen und Motivation, ergreift Bullenstaat, unser Bassist, die Initiative und schleppt den abscheulichen Rest zum Eisenbahnmuseum an der Endstation der Linie 18 in Thielenbruch. Dort erklärt er uns, worin der Unterschied zwischen der Sambabahn und den Großraumwagen der Baureihe 1300 liegt. Ungefragt, versteht sich: „Mit achtzig Fahrzeugen stellen die Großraumwagen der Baureihe 1300 eine der größten Fahrzeugserien dar, die Köln je besessen hat. Gebaut wurden sie ab 1956 von Westwaggon und erregten in der Fachwelt großes Aufsehen. Im Museum sind zwei voll betriebsfähige Wagen, 1321 und 1363, dieses Typs ausgestellt.“

Bullenstaat fährt fort: „Die Sambawagen wurden genau wie das ,Finchen‘ in diversen Varianten für die Frechener Vorortbahn beschafft. [...] Den Namen ,Samba‘ erhielten sie aufgrund ihrer ruhigen, hin und wieder wiegenden Fahreigenschaften. Beim Wagen 1019 handelt es sich mit Baujahr 1957 um einen der letzten angeschafften Wagen dieses Typs. Als gegen Ende der 1960er das Vorortbahnnetz in das Stadtnetz integriert wurde, zeichnete sich das Ende dieser Wagen bereits ab. [...] Lediglich der Wagen 1019 konnte als Arbeitswagen, Partybahn und schließlich Museumswagen bis heute in Köln erhalten werden.“

Geschafft, Bulli ist zufrieden, er freut sich über zustimmendes Nicken anderer Bahnfreunde und verteilt das letzte Bier an uns. Das war ein schöner Tag!