Ein Telefoninterview mit den GIMME GIMMES war angesagt. Und tatsächlich war es möglich, mit Fat Mike persönlich zu sprechen. Diese Gelegenheit konnte und wollte ich mir nicht entgehen lassen. Wir kennen uns seit 20 Jahren und hatten lange keinen persönlichen Kontakt, außer ab und zu mal via E-Mail. Eingangs des Gesprächs klärten wir ab, in welche Richtung das Interview gehen sollte. Ziemlich schnell war klar, dass er keine Lust auf ein Fat Mike/NOFX/USA/FatWreck-Interview hatte, sondern sich auf die GIMME GIMMES konzentrieren wollte. Also ...
Hallo Mike, wie geht's?
Ich bin alt und fett, und wie geht's dir?
Okay soweit ... Wie würdest du den Erfolg der GIMME GIMMES erklären? Ihr habt ja inzwischen mehr als eine Million Tonträger verkauft ...
Wir haben sicherlich nicht daran gedacht, eine populäre Band zu werden, als wir anfingen zu spielen. Wir wollten eine Bar-Band sein, die 7"s rausbringt. Wahrscheinlich gibt es zwei Gründe für unseren Erfolg: zum einen glaube ich, dass wir ziemlich gute Coversongs ausgewählt haben. Ich meine, es gibt viele Songs, die man covern kann, aber die wenigsten sind dazu geeignet, in gute Punksongs umgewandelt zu werden. Zum anderen glaube ich, dass unser Sänger Spike eine wirklich coole und prägnante Stimme hat.
Hat das auch was mit Kontinuität zu tun?
Ich glaube nicht, denn unser erstes Album ist nach wie vor das, welches sich am besten verkauft. Die Verkaufszahlen sprechen also nicht eine solche Sprache ... ich meine, es ist witzig, die Leute verstehen nicht, warum wir so groß sind. Es ist wahrscheinlich nicht unser Image, es gab schon viele Coverbands vor uns, zum Beispiel die LENINGRAD COWBOYS. Die hört keiner mehr, weil sie einfach die falschen Songs gecovert haben. Die haben Rock-Songs genommen, ROLLING STONES und so Zeug - keine guten Songs! Und es gibt eine Menge Tribute-Bands, aber das wird auch schnell langweilig. Du siehst sie dir einmal an und das reicht. Für unser vorletztes Album, das Countryalbum "Love Their Country", hatten wir zum Beispiel einhundert Stücke auf dem Zettel und haben das dann auf 13 oder 14 Tracks reduziert. Wenn du die Songs ausprobierst, auch wenn sie an sich klasse sind, dann sind es noch lange keine funktionierenden Punks-Songs. Du hörst so viele Coverversionen von Bands und die wenigsten sind gut. Nimm nur mal NOFX, die Coversongs sind nicht gut und der Sänger kann nicht singen, haha. Als Joey und ich die Band ins Leben riefen, war das Erste, was wir festlegten, dass weder er noch ich singen sollten. Wir sind beide keine guten Sänger.
Und vielleicht auch, weil jeder erkannt hätte, dass hier LAG WAGON und NOFX am Start sind ...
Richtig, das ist der Punkt: sich einen Sänger suchen, der deiner Band eine andere Identität verleiht. Spike war zudem in anderen Coverbands, bevor er sich den GIMME GIMMES anschloss. Und der Junge ist in den Karaokebars berühmt-berüchtigt ...
Noch mal zurück zum Countryalbum. Habt ihr tatsächlich hundert Songs geprobt?
Nicht wirklich geprobt, nicht als Band. Jeder hat sie zu Hause schon mal angetestet, Country ist auch ziemlich einfach zu spielen. Da merkst du als Musiker ziemlich schnell, welche Stücke für eine Punkrock-Band Sinn machen.
Hängt das mit eurer bisherigen Erfahrung als Band zusammen?
Ja, ich glaube schon. Kennst du eines der Geheimnisse? Wenn du das Tempo des Gesangs beschleunigen musst, damit es zu der neuen Version passt, dann ist das nicht gut. Die Leute wollen die Gesangsmelodie des Originalsongs hören. Sie wollen einen schnellen Drumbeat und mehr Energie, aber die Gesangslinie muss erhalten bleiben. Du darfst die Melodie nicht verändern, das ruiniert den Song. Das ist mehr oder weniger das Geheimnis, wenn du es wissenschaftlich betrachtest.
Betrachten wir mal die Glamrock-Ära der 70er Jahre. Bands wie THE SWEET, SLADE, MUD ...
Das kannst du nicht machen! Das sind alles perfekte Songs. Vielleicht nicht immer der Song an sich, aber die Art und Weise, wie sie gespielt sind. Zum Beispiel kannst du auf gar keinen Fall einen AC/DC-Song covern. Es ist sinnlos. Du kannst es nicht besser machen. Oder einen RAMONES-Song. Das ist vertane Zeit. They already rock! Genauso ist es mit THE SWEET. Diese Songs rocken. Wenn du sie covern willst, musst du eine Jazzversion daraus machen. du kannst auch keine Rockversion von IRON MAIDEN machen und damit besser sein. Aber du kannst dir einen Barry Manilow-Song schnappen und diesen echt verbessern, haha! Wir suchen uns also auf keinen Fall Rocksongs aus.
Also wählt ihr die "echten" Oldies?
Wir spielen auch den einen oder anderen "modernen" Song. Auf dem Countryalbum haben wir etwa die DIXIE CHICKS gecovert, das ist ziemlich neu ... Und was sind "Oldies" überhaupt?
Wenn ich von "Oldies" spreche, meine ich die 50er oder 60er-Jahre.
Interessant an den 50ern ist, ist, dass viele Leute denken, es gäbe viele gute Songs aus dieser Zeit - aber da gibt es keine. Das gute Zeug kommt aus den 60ern. Ernsthaft, all die guten BEATLES- oder BEACH BOYS-Songs, als Rockmusik melodischer und ein bisschen komplizierter wurde, das begann 1961. Die 50er hatten nur fuckin' Buddy Holly und Elvis Presley, das war's.
Welchen Song kann man gar nicht covern?
Ein Song, den wir probiert haben, aber nicht machen konnten, war "Always a woman to me" von Billy Joel, ein wirklich guter Song. Es ist echt hart, einen Walzer zu covern. Manchmal kriegst du das hin, auf dem Countryalbum haben wir "So lonesome I could cry" gemacht, das ist auch ein Walzer. Du musst aus einem Zweidrittel-Rhythmus einen Vierviertel machen, das ist heftig. Und außerdem haut das normalerweise mit dem Gesang auch nicht mehr hin. Da mussten wir die Segel streichen.
Bei dem neuen Album "Have Another Ball!" seid ihr etwas faul gewesen, es ist eine ähnliche Songauswahl wie bei eurer ersten Session. Hattet ihr diesmal nicht die Möglichkeit, euch zu treffen?
Wir sind alle sehr viel mit unseren Bands beschäftigt. Einer unserer Gitarristen spielt bei den FOO FIGHTERS, der hat viel zu tun. Die SWINGIN' UTTERS spielen nächsten Monat, da freue ich mich sehr drauf. Sie bringen auch demnächst eine "neue" Scheibe raus, mit B-Sides und Outtakes, daneben arbeiten sie aber auch an neuem Material. Für ME FIRST AND THE GIMME GIMMES treffen wir uns zwei bis drei Wochen im Jahr, da ist nicht viel Zeit. Und wenn wir jetzt von dieser kurzen Zeit auch noch zehn Tage in Kalifornien auf Tour sind, dann wird es eng.
Eine exotische Tour wie mit NOFX ist da nicht drin, oder?
Das hängt immer von den Möglichkeiten der einzelnen Mitglieder ab. Wir haben bislang überall in Europa gespielt, in Japan und in Kanada. Das ist zwar nicht wie die letzten Monate mit NOFX, aber wir kommen schon viel rum. Aber wir haben bislang noch keine Pläne für die nächste Tour, nächstes Jahr wird das wohl nichts.
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