Fünf lange Jahre hat es gedauert, bis „Wofür schlägt dein Herz“ fertig war. Für Songwriter Matze Rossi, den früheren Sänger von TAGTRAUM, ist damit fast schon eine biblische Zeitspanne vergangen seit seinem letzten Studioalbum „Ich fange Feuer“. In der Zwischenzeit ist allerdings jede Menge passiert. Er hat ein Unplugged-Live-Album veröffentlicht, englischsprachige Songs und Lieder für Kinder geschrieben. Und vor Corona hat Matze natürlich jede Menge Konzerte gespielt. Mit seinem neuen Album will er nun ein neues Level erreichen. Was er damit meint, erklärt Matze im Ox-Interview.
Der erste Höreindruck vom neuen Album ist, dass es ganz anders klingt als seine Vorgänger, woran liegt das?
Bei diesem Album habe ich sehr lange an den Liedern gearbeitet. Bei jedem einzelnen Stück habe ich eine Vision verfolgt, was Soundästhetik, Instrumentierung und Arrangements betrifft. Deshalb klingen die Songs einfach anders. Bisher konnte ich mir meine eigenen Alben nach der Veröffentlichung nie anhören. Es macht mir unheimlich Spaß, die Lieder zu schreiben und aufzunehmen, aber dann spiele ich sie nur noch live. Dadurch entwickeln sich die Songs immer weiter und klingen dann natürlich anders. Ursprünglich wollte ich die neue Platte Anfang 2020 aufnehmen, dann kam aber Corona. Da habe ich gemerkt, dass ich eine Platte machen möchte, die ich mir auch selbst gerne anhöre. Ein Album, auf dem ich immer etwas Neues entdecke, das so ausgereift ist, dass es nicht nur ein Zeitdokument ist, sondern etwas für die Ewigkeit.
Typisch für dich ist ja bislang die Akustikgitarre. Diesmal hast du dein Arsenal erheblich erweitert. Was hast du für die Aufnahmen verwendet?
Das Klavier hat diesmal beim Schreiben eine zentrale Rolle gespielt, was mich beim Arrangieren wahnsinnig beflügelt hat. Mit Martin Stumpf habe ich zum Glück auch einen Multi-Instrumentalisten in der Band, der einfach wahnsinnig viele Instrumente spielen kann. Ich habe Streicher und Bläser in den Sound eingebaut, die wollte ich schon lange mal auf einer Platte haben. Die verleihen dem Sound einfach eine besondere Tiefe. Wir haben außerdem ein Mellotron verwendet, ein elektromechanisches Tasteninstrument, wie es zum Beispiel bei den BEATLES oft eingesetzt wurde. Und wir hatten eine Pedal-Steel-Gitarre, das ist ein in den Dreißiger Jahren in den Staaten entwickeltes elektrisches Zupfinstrument.
Gab es eine Blaupause für deinen Sound? Ein akustisches Ziel für den Klang der Platte? Ich finde, das Album klingt ziemlich amerikanisch.
Ich wollte auf jeden Fall weg von diesem gängigen Deutschpop-Sound, der sehr komprimiert ist. Die Gitarren klingen immer gleich, alle Instrumente werden sehr weit nach vorne gemischt. Ich wollte genau das Gegenteil. Einen sehr tiefen Sound, der den Raum ausfüllt. Das findet man eben vor allem in amerikanischen Produktionen. Klassiker wie die Platten von Tom Waits fallen mir da ein. Die sind für mich eine große Referenz, aber auch moderne Platten von LUMINEERS oder CALEXICO. Also Musik, die mehr auf analoge Instrumente setzt, die gerne auch ein bisschen verwaschen und dirty klingen dürfen.
Wie sind die Aufnahmen gelaufen? Du hast ja ganz traditionell wieder im Gaibacher Audio Lodge Studio bei Sven Peks aufgenommen.
Ich habe sehr viel Zeit in die Vorproduktion gesteckt und alle Instrumente bei mir zu Hause mit elektronischen Instrumenten eingespielt. Dann bin ich mit der Stammbesetzung vom letzten Album „Ich fange Feuer“ zusammengekommen, also Bassist Martin Stumpf und Schlagzeuger Uwe Breunig. Den Studiotermin mussten wir wegen Corona zweimal verschieben und waren dann letztendlich im Juni fünf Tage lang im Studio. Da war gerade kein Lockdown und man konnte sich gut treffen. Die Basics haben wir größtenteils live eingespielt, ich habe nur ein paar Gitarrenspuren nachträglich noch ergänzt und den Gesang hauptsächlich bei mir im Scheunenstudio aufgenommen.
Wenn man genau hinhört, ist auch einiges an Geräuschen zu hören. Was ist das und woher hast du die Sounds?
Bei der ersten Single „Du weißt immer, wie spät es ist“ zum Beispiel hört man viele Vögel zwitschern. Das ist ein Liebeslied für unsere beiden Hunde. Ein Liebeslied an die Tiere, die immer im Hier und Jetzt leben. Die Soundkulisse habe ich tatsächlich bei einem Spaziergang mit meinem Handy aufgenommen. Das ist bei uns im Wald nahe dem Dorf, in dem ich lebe. Auf meiner Lieblingsstrecke mit den Hunden. Dann habe ich noch Meeresrauschen aufgenommen. Die Aufnahme ist in Frankreich entstanden und schon ziemlich alt.
In deinen Songs erzählst du ja immer sehr persönliche Dinge. Bilden die Texte auf „Wofür schlägt dein Herz“ einen neuen Lebensabschnitt ab?
Es sind alles Themen, die mich aktuell beschäftigen oder die letzten fünf Jahre begleitet haben. Zum Beispiel die Entscheidung, die Stadt hinter mir zu lassen und aufs Land zu ziehen. Oder die Momente genießen, wenn man nach unzähligen Konzerten nach Hause kommt, mit den Hunden spazieren zu gehen und keinen Menschen zu sehen. Ich spiele zwar gerne Konzerte in Großstädten, genieße aber auch sehr die Natur zu Hause. Daraus ziehe ich viel Kraft.
Hast du mit Martin und Uwe jetzt eine feste Besetzung gefunden? Du hast ja immer wieder variiert, mal solo, mal große Band, mal Duo.
Das ist auf jeden Fall so, Matze Rossi ist aber immer noch keine Band. Das bin nach wie vor ich, aber mit Martin und Uwe habe ich jetzt feste Begleiter gefunden. Wir teilen ein sehr tiefes Verständnis für die Musik und haben einen sehr guten Draht zueinander. Das möchte ich auf keinen Fall missen. Wenn ich also eine Band brauche, dann werde ich immer auf diese beiden Jungs zurückkommen. Ich plane auch, die Tour zu der Platte mit Band zu spielen. Die Konzerte für die bisherigen Alben habe ich bislang in den meisten Fällen alleine gespielt. Wenn man die dreiwöchige Duo-Tour zum Live-Album mit Martin nicht dazuzählt.
Wie kommst du als Künstler mit der Pandemie klar? Ein Großteil deines Einkommens verdienst du ja mit Konzerten. Das geht seit Monaten nicht.
Der Lockdown war für mich ein großer finanzieller Einschnitt. 2020 waren 33 Konzerte gebucht, die nicht stattgefunden haben. Das war natürlich ein Batzen Geld, der mir entgangen ist. Geld, das ich zum Beispiel schon fest für die Produktion des Albums eingeplant hatte. Im Frühjahr habe ich einige Streaming-Konzerte gespielt, da konnten die Besucher für Organisationen wie Sea-Watch e.V. spenden oder eben auch für mich. Da kam eine riesige Resonanz. Davon konnte ich die Sommerzeit gut überbrücken. Zwischen den beiden Lockdowns konnte ich ja zum Glück noch ein paar Open-Air-Konzerte mit strengen Hygieneregeln spielen. Anfang Dezember war dann die Kohle wirklich sehr knapp und deshalb habe ich mir eine Art Gewinnspiel ausgedacht. Immer sonntags gab es eine Verlosung mit einer Live-Ziehung bei Instagram, bei der die Teilnehmer zum Beispiel ein persönliches Lied per WhatsApp gewinnen konnten. Das hat sehr großen Spaß gemacht und ich habe eine so rührende und riesengroße Unterstützung von meinen Fans erfahren, das hat uns noch mehr zusammengeschweißt und das ist es ja, worauf es ankommt in einer Gemeinschaft. Solidarität und Zusammenhalt. Insgesamt kam dabei so viel Geld zusammen, dass ich bis ins Frühjahr gut über die Runden gekommen bin.
Noch vor dem Album hast du den Track „Milliarden“ veröffentlicht, von dem du sagst, er wäre einer der wichtigsten Songs, die du je geschrieben hast. Warum ist er nicht auf dem Album?
Ich dachte mir, diesen Song möchte ich nicht aufs Album packen, weil er so sehr für sich alleine steht. Um das noch hervorzuheben, wird „Milliarden“ Teil des Special-Edition-Fan-Bundles sein und auf einer 7“ veröffentlicht, großartig, oder? Dann können auch die Leute, die physische Tonträger bevorzugen, den Song bekommen. Diese Special Edition umfasst dann übrigens alle Songs des Albums in der regulären Bandversion, auf einer zweiten 12“ gibt’s die Songs als Akustik-Lagerfeuerversion, ein Songbook und eben das Stück „Milliarden“ als 7“ sowie einen Bonustrack.
Was passiert eigentlich bei deiner zweiten Band BAD DRUGS? Das erste Album ist ja auch schon sieben Jahre alt.
Für BAD DRUGS habe ich einige neue Songs geschrieben. Aber unser Drummer Hannes ist Papa geworden, deshalb liegt das Projekt aktuell auf Eis. Bassist Sven hat auch wahnsinnig viel zu tun mit seinem Studioumbau und versucht natürlich, unbeschadet durch die Corona-Pandemie zu kommen. Wir sind also alle wahnsinnig beschäftigt gerade, es kann also auch noch drei oder vier Jahre dauern, bis die nächste Platte kommt.
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