MAKEWAR

Foto© by Florian Nielsen

Everything in its right place

Das neue Album „A Paradoxical Theory Of Change“ klingt anders als ihre Veröffentlichungen zuvor. Wir sprechen mit Sänger Jose, wie es zur leicht veränderten musikalischen und textlichen Ausrichtung kam, während der Wahl-New Yorker durch die Straßen seiner Stadt läuft.

Ihr seid eine Band, die über Süd- und Nordamerika verteilt ist. Wie habt ihr während der Pandemie zusammengearbeitet? Existierte die Band nur über das Internet, über mobile Geräte?

Während der Pandemie hatten wir einen anderen Drummer. Und der hat mitten in der Pandemie aufgehört. So waren nur noch Edwin, mein bester Freund und Bassist, und ich übrig. Er hat zwei oder drei Monate bei mir gewohnt, weil er sonst nirgendwo hinkonnte. Die Corona-Zeit begann seltsam, nicht nur für mich, sondern auch für die anderen. Wir waren nur deprimiert und ängstlich und haben nicht wirklich viel Musik gemacht. Wir haben einfach nur viel getrunken, weil wir nicht wussten, was wir sonst tun sollten. Ich hatte keinen Job. Nachdem wir tatsächlich wieder ein bisschen rauskommen konnten, habe ich mit dem Surfen angefangen. Und dadurch war ich ein bisschen weniger deprimiert und das Surfen wurde während der Pandemie zu meinem Ding. Ich glaube, das hat mir geholfen, wieder normal zu werden. Dadurch habe ich auch wieder angefangen, meine Gitarre in die Hand zu nehmen und kleine Riffs und Noten zu schreiben. Aber nur ein Song ist wirklich während der Pandemie entstanden, und das ist der letzte Track auf dieser Platte. Während der Pandemie habe ich auch mit der Therapie angefangen. Einmal die Woche, und das hat mir sehr geholfen, was meine Angst und meine psychische Gesundheit angeht. Dieses Album ist wie eine Beziehung, die ich zu mir selbst habe. Die Therapie hat mir geholfen, mich zu öffnen und herauszufinden, was diese andere Person in mir will und wie wir zusammenleben können. Man könnte also sagen, dass ich während der Pandemie nicht wirklich mit den anderen Jungs gearbeitet habe, sondern nur mit mir selbst.

Als du zur Therapie gegangen bist, hast du da gedacht, dass sich das auf deine Musik und die positive Ausrichtung der Texte auf diesem Album auswirken würde?
Ja und nein. Denn wie ich schon sagte, waren einige der Songs, die ich während der Pandemie geschrieben habe, sehr düster, nicht sehr positiv. Aber so wie ich es angehen wollte, habe ich weiter Stücke darüber geschrieben, über psychische Gesundheit und meine Probleme. Bei MAKEWAR ging es immer darum, gegen innere Dämonen zu kämpfen, gegen all das, was in dir steckt und dich daran hindert, du selbst zu sein. Als ich anfing zu schreiben und mehr darüber herausfand, wie man auf eine andere Art und Weise kämpfen kann, dass es vielleicht nicht nur ums Kämpfen geht, sondern auch darum, das Problem, das man hat, zu akzeptieren und zu lieben. Es ist also eine andere Art zu kämpfen, und das hat für mich die Art und Weise verändert, wie wir bei MAKEWAR über unsere Probleme nachgedacht haben, und es hat zum persönlichsten und besten MAKEWAR-Album aller Zeiten geführt.

Einerseits wirken die Texte positiver, aber die Musik klingt für mich viel dreckiger, der Gesang ist verzerrter und dunkler. War das der Kontrast, den du auf diesem Album schaffen wolltest?
Ich glaube, das ist etwas, das passiert ist, als wir uns entschieden haben, die Gitarren und den Bass auf A-Dur zu stimmen. Unser zweites gemeinsames Album war einen halben Ton tiefer, und dieses ist einen ganzen Ton tiefer, dieses ist in D. Ich glaube, als ich das gemacht habe, habe ich diese Stimme gefunden, bei der ich dachte: „Oh, meine Stimme klingt anders.“ Es war keine bewusste Entscheidung, es war einfach eine schöne Entdeckung.

Es gibt einen Song von NOFX, „Whoa on the whoas“, glaube ich. Hat sich deine Plattenfirma Fat Wreck, die ja sehr eng mit NOFX verbunden ist, nicht beschwert, dass es zu viele „Ahs“ und „Ohs“ auf dem Album gibt?
Das höre ich zum ersten Mal, haha! Nein, die sind eigentlich ganz cool. Sie lassen uns machen, was wir wollen. Sie sagen nicht wirklich, was wir tun oder lassen sollen. Sie sind sehr, sehr cool. Aber kann ich mit dir über dieses eine Lied sprechen, das „Not today“ heißt. Das ist der Song mit den meisten „Whoas“. Das habe ich bewusst so geschrieben, weil es in dem Lied darum geht, nicht sterben zu wollen. Es geht um die Freunde und Familie, und dass man nicht will, dass sie sterben, egal was passiert. Manchmal ist die Depression so stark und so tief in einem drin, dass man denkt, das ist die einzige Antwort, die man hat. Jedenfalls wollte ich, dass es etwas Besonderes ist, und wenn man über seine Sorgen singt, dann schreit man sie einfach raus, wie bei einer Schrei­therapie. Das ist die Bedeutung all dieser „Whoas“.

Es ist also nicht nur eingängig, es hat auch eine tiefere Bedeutung. In diesem Zusammenhang habe ich mich gefragt, wann du über die zusätzlichen Elemente eines Songs nachdenkst. Wo setzt du also den weiblichen Gesang, das Klatschen oder das zusätzliche Instrument im Hintergrund ein? Denkst du über diese Elemente nach, wenn du das Grundgerüst schreibst, oder kommen diese Dinge erst später im Prozess hinzu?
Das Klatschen kam zum Beispiel von unserem Produzenten Marcel. Er hat mit dem Klatschen angefangen und ich dachte, das machen wir einfach so. Die Sängerin, das war diese Frau, die im Studio war und hier und da ausgeholfen hat. Dann haben wir sie zufällig singen gehört. Ich fragte: „Hey, willst du auf dieser Platte singen?“ Und sie sagte zu. Und die Posaune – ich weiß nicht, ob du die Posaune in dem Song „Dark Thoughts“ gehört hast – war fantastisch. Wir begegneten um fünf Uhr morgens den Leuten, die im Studio nebenan aufnahmen. Sie kamen gerade raus, wir arbeiteten noch. Wir fragten den Posaunisten, ob er auf unserer Platte mitspielen könnte. Er kam um sechs Uhr morgens ins Studio und wir brachten ihm das Lied bei. Bei den meisten Songs waren wir einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Also nichts Geplantes, definitiv nichts Geplantes.