MAD SIN

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Vor 13 Jahren sind mir MAD SIN zum ersten Mal auf einem Festival in Belgien begegnet, damals noch zu dritt, mit Köfte als Sänger und am Schlagzeug. Seitdem hat sich in der Psychobilly-Szene viel geändert, wichtige Bands der 80er sind von der Bildfläche verschwunden, treten nur noch hin und wieder auf oder haben die Richtung geändert. Die Berliner MAD SIN hingegen blieben eine Konstante und konnten vor vier Jahren sogar einen Major-Deal abschließen. Ohne Kompromisse zu einer Massenkompatibiliät war dies jedoch nur ein kurzer Ausflug, danach war es vier Jahre ruhig geworden und das nach einer groß angelegten Promotionaktion auf allen Ebenen. Aufstieg und dann der tiefe Fall? Ein bisschen, aber wer die Berliner um Sänger Köfte kennt, weiß, die sind nicht klein zu kriegen. Und so melden sich MAD SIN mit Zuwachs zurück: Tex Morton als zweiten Gitaristen und Andy L. als neuen Schlagzeuger, der allerdings bei den Aufnahmen zu „Survival Of The Sickest“ noch nicht dabei war. Die Mischung aus Psychobilly und Punkrock (ohne peinliche Metal-Einlagen) ist besser denn je gelungen.

Nach eurem Ausflug zum Major-Label hat es jetzt länger gedauert, bis ihr das neue Album „Survival Of The Sickest“ veröffentlichen konntet. War es schwer ein neues Label zu finden und wie war dann die Entstehung der neuen Platte?


Wir waren erstmal damit beschäftigt unsere ziemlich fette Abfindung von der Polydor zu verballern, was natürlich nicht allzu lange gedauert hat, so ca. 14 Tage, haha. Dann haben wir uns ernsthafte Gedanken gemacht, wie es weiter gehen soll und kamen zu dem Entschluss mit Tex Morten einen zweiten Gitarristen anzustellen, der einfach super in die Band passt und unseren MAD SIN-typischen Sound noch mal richtig nach vorne bringen konnte. Dann kam das Songwriting, die Label-Suche, die Aufnahmen usw. Das dauerte seine Zeit, denn auf einen weiteren Schnellschuss hatten wir absolut keinen Bock. Die Wahl des Labels war auch sehr bedacht, denn bis auf eine fette Geldbörse, die nicht lange hielt, weil man umso mehr verballert hat, und einer fetten Promo-Aktion, waren wir nicht wirklich glücklich mit dem Majordeal. Das ist jetzt anders!

Der Deal mit Polydor war relativ kurz. Würdest du die Entscheidung im Nachhinein immer noch so treffen?

Kommt drauf an. Mit dem jetzigen Wissen wohl nicht unbedingt. Allerdings verdamme ich auch nicht alle großen Labels, aber es würde andere Voraussetzungen brauchen, um so einen Deal noch mal einzugehen. Zum Beispiel die internationale Veröffentlichung der Platte war so gut wie unmöglich, und das bei uns, wo wir schon immer in allen Teilen des Planeten gespielt haben und unsere Fans überall vertreten sind!

Die Umstände bei der Aufnahme der letzten Platte waren ja sehr chaotisch – Studio auf Malta, diverse Unfällen etc. – wie lief es diesmal ab?


Wir hatten natürlich auch nicht so ein fettes Budget und haben uns einfach gesagt, wir nehmen in Berlin mit meiner Wenigkeit als Produzenten auf. Ich habe bis auf einen alle Songs geschrieben und hatte ein sehr genaues Konzept im Kopf, was die Dinge natürlich vereinfacht hat. Und mit Marco Birkner als Tontechniker und dem K4 Studio hatten wir die besten Voraussetzungen. Nach dem MAD SIN-typischen Chaos, was aber bei weitem kein Vergleich mit Malta war, hat auch alles so geklappt, wie ich es mir vorgestellt habe. Und auch die gesamte Band ist mehr als zufrieden.

Mit Tex Morton habt ihr jetzt einen zweiten Gitaristen, der bereits mit den LOLITAS und SONNY DOMESTOS zugange war.

Tex ist eine totale Bereicherung und auch ein super Kumpel, was natürlich klasse ist und auch mir persönlich beim Songwriting sehr geholfen hat. Er kann sämtliche Ideen umsetzen und bringt sich und seinen speziellen Style immer voll mit ein.

Das neue Album sprüht geradezu vor Spielfreude und guter Laune, vor allem im Vergleich zum Vorgänger…

Das ist eine der absolut coolen Seiten an uns. Wir sind zwar faul, wenn es ums Proben geht, aber beim Einspielen einer Scheibe oder auch bei Live-Gigs sind wir immer mit 100% dabei, weil wir einfach Bock haben zu rocken.

Mit „Sin Is The Law“ habt ihr einen Song über eine Aftershowparty aufgenommen, die sich schwer nach Erfahrungsbericht anhört. Mir fällt dazu nur das Wort „exzessiv“ ein, ein Ruf der speziell dir schon seit deinen ersten Auftritten in der Psychobilly-Szene anhängt. Hast du immer noch die Energie, auch nach über 15 Jahren, immer noch Vollgas zu geben – vor, während und auch nach einem Gig?

Irgendwann kommt der Punkt, an dem man sich entscheiden muss, ob man in seinem Leben was auf die Reihe kriegen will, was natürlich voraussetzt, sich ab und an zu zügeln, da man ansonsten abstürzt, ohne so richtig zu peilen, was um einen herum passiert. Seit einer Weile lasse ich es ruhiger angehen, weil ich sonst zuviel verpasse, wenn ich ständig am Feiern bin. Denn nach knapp 20 Jahren Party macht das genauso wenig Spaß wie ein ‘9 to 5’- Job, es ist irgendwie immer dasselbe. Dennoch feiere ich immer noch heftig, auch mal gerne zwei Tage am Stück, aber eben nur, wenn es sich auch wirklich lohnt. Ich bin alles andere als bekehrt.

Die Texte auf „Survival Of The Sickness“ bedienen jeden Freund von Horror und Härte. Wo holst du die Inspiration für die Texte her?

Ich lasse mich durch alles mögliche inspirieren. Ich lese ziemlich viel und bin ein sehr großer Filmfan. Aber auch die Schattenseiten des alltäglichen Lebens beeinflussen mich – Nachrichten oder auch mein privates Umfeld. Vor zwei Tagen ist in meinem Haus etwas wirklich makaberes passiert. Als ich zur Tür rauskam, sah ich, dass vor meinem Haus alles voller Cops war und auch ein Krankenwagen stand. Ich realisierte das erst richtig, als ich rechts vor mir auf dem rotgefärbten Boden einen abgedeckten, leblosen Körper sah. Die Füße guckten noch unter dem blutdurchtränkten Leichentuch heraus. Ich erfuhr, dass der Psychiater, der immer freundlich grüßte und angeblich seit 20 Jahren Alki war, mit dem Kopf voran aus dem 3. Stock gesprungen war und dass sein Schädel wie eine Melone zerplatzt sei. Das ist eine wahre Geschichte und wird demnächst sicher auch zu einem Song verarbeitet.

Eure Vorbilder für die grundsätzliche Richtung von MAD SIN sind irgendwo klar, aber wie sieht es mir aktuellen Vorlieben aus?

Unsere Einflüsse sind Psychobilly, Punkrock, Rockabilly, früher Country, Hardcore, Ska, 50er-Rock’n’Roll und bei mir persönlich streckenweise Goth-Rock, Tom Waits, Garage-Punk usw. Die aktuellen Bands, auf die wir stehen, kommen alle aus diesen Bereichen. Einzelne Bands zu benennen, würde hier den Rahmen sprengen. Ich bin genau wie Holly und Tex Plattensammler und absoluter Musikfreak.

MAD SIN sind seit Ende der 80er die größte deutsche Psychobilly-Band, eure Musik hat in den Jahren aber stark an Vielfalt gewonnen und ihr erreicht ein breiteres Publikum. Wie weit spielt da die Psychobilly-Szene noch eine Rolle?


Psychobilly ist meine Szene und bedeutet mir alles! Ich habe ‘81 mit STRAY CATS und THE METEORS angefangen und alles mitgemacht, was innerhalb dieser Szene abgegangen ist. Es gibt wie überall nette Leute und ein paar Arschlöcher, aber Letztere sind eher selten. Psychobilly funktioniert wie eine große Familie, die weltweit am Start existiert. MAD SIN waren jedoch nie Scheuklappenträger und akzeptieren alles, was echt ist.

Wie seht ihr die Vermischung unterschiedlicher Szenen? Verliert „Psychobilly“ dadurch nicht seinen eigenen Charakter und seinen besonderen Reiz?

Nein, solange sich die Szenen im Bereich Psycho-, Rockabilly ,Punk und Hardcore usw. mischen, finde ich das durchaus cool, denn es ist doch alles Rock’n’Roll und jeder hat seine persönlichen Vorlieben.

In den USA wart ihr einer der Headliner auf einem großen Festival in Kalifornien, neben den NEKROMANTIX und DEMENTED ARE GO. Ist dort ein Psychobilly-Boom erkennbar oder findet ihr dort einfach „nur“ Gefallen bei den Streetpunkrock-Kids, weil ihr doch etwas härter drauf seit?

Es ist eine Psychobilly-Manie an der Westcoast ausgebrochen! Aber dennoch ist es noch Underground, was ich persönlich cool finde, denn irgendwelche Trend-Idioten habe ich dort nicht kennengelernt! Nimm zum Beispiel Matt Freemann von RANCID, der jetzt Kontrabass in seiner zweiten Band DEVIL’S BRIGADE spielt. Im Augenblick wird der europäische punkigere Psychobilly wie DEMENTED ARE GO, NEKROMANTIX und eben auch MAD SIN ihn spielen, dort drüben von einer neuen Generation entdeckt . Und eine Band wie TIGER ARMY bringt als amerikanische Version die kleinen Mädels zum Kreischen. Es ist verrückt, alle Psychobilly-Konzerte im Raum LA und San Francisco sind jetzt immer komplett ausverkauft. Für uns ist das natürlich richtig cool, dass wir dort absoluter Kult sind! Wir werden im Januar auf fetter Tournee dort sein.