LURKERS

Foto

Die britischen RAMONES

THE LURKERS wurden 1976 von Pete Stride (gt), Pete „Manic Esso“ Hayes (dr), Pete Edwards (voc) und Nigel Moore (bs) gegründet. Nach einigen Proben übernahm Howard Wall den Gesang und ersetzte Edwards. Die LURKERS waren eine der frühen Punkbands, die im legendären Roxy Club in London auftraten. Mit Arturo Bassick, der Nigel Moore am Bass ersetzte, nahmen THE LURKERS ihre Debütsingle „Shadow“ auf, die gleichzeitig auch als erste Veröffentlichung auf Beggars Banquet geführt wird.

Nachdem Arturo Bassick die Band wieder verließ und kurzzeitig durch Kym Bradshaw (ex-SAINTS) ersetzt wurde, nahm wieder Nigel Moore, noch vor Veröffentlichung des Debütalbums „Fulham Fallout“ 1978, seinen Platz ein. Songs wie „Shadow“, „I’m on heat“ oder „Be my prisoner“ wurden schnell zu Punk-Klassikern. Die „britischen RAMONES“ legten 1979 mit „God’s Lonely Men“ ein zweites, musikalisch differenziertes Album nach. Nach einer Bandpause gab es zwischen 1982 und 1984 ein Lebenszeichen, dann tauchte die Band ab, bis DIE TOTEN HOSEN-Frontman Campino Arturo Bassick dazu überredete, die Band zu reformieren. Er produzierte auch das 1988 von Bassick, Esso, Moore und Stride eingespielte und auf Totenkopf Records veröffentlichte Album „Wild Times Again“. Es folgte weitere Alben, bis nur noch Bassick als „Ur-Mitglied“ dabei war. Das letzte LURKERS-Album mit Bassick, „Fried Beans“, stammt aus dem Jahr 2008. Esso, Moore und Stride fanden erst 2010 wieder zusammen und veröffentlichten als GLM (God’s Lonely Men) und später als LURKERS GLM jeweils ein Album. Mit der FEATHERZ-Sängerin Danie Cox gab es 2017 und 2019 zwei LURKERS-7“s, und jetzt, als Trio, das neue Album „Sex Crazy“ im Original Line-up. Im Interview stehen uns Nigel, Pete und Esso Rede und Antwort.

Es gibt derzeit zwei LURKERS-Versionen, warum? Ist es fair, wenn jemand, der zu Beginn sechs Monate in der Band war, für thelurkers.co.uk steht?
Pete: Ja, es ist eine schlimme Situation. Leider scheint es so, dass wir keine Möglichkeit haben, es zu verhindern, dass jemand unseren Namen benutzt.

2010 habt ihr drei als THE LURKERS GLM wieder angefangen. Warum habt ihr euch damals für diesen Zusatz im Bandnamen entschieden und warum fehlt er jetzt bei „Sex Crazy“?
Nigel: Ursprünglich haben wir uns dazu entschieden, uns mit GODS LONELY MEN/GLM einen neuen Namen zu geben, aber da wir drei Gründungsmitglieder der Band sind und aufgrund der Verwirrung, die das bei den Leuten, die uns folgen, verursacht hat, haben wir ihn wieder in THE LURKERS geändert.

Wie kam es jetzt zum neuen Album „Sex Crazy“?
Pete: Wir hatten zwei Singles für Damaged Goods Records gemacht, beide verkauften sich sehr gut. In der Tat ging unsere letzte Single „Electrical Guitar“ direkt auf Nummer eins in den UK-Vinyl-Charts. Als wir uns mit dem DG-Boss Ian auf einen Drink und ein Gespräch trafen, haben wir uns sehr gefreut zu hören, dass er daran interessiert war, ein weiteres Album mit uns zu machen.

Welche Erwartungen verbindet ihr mit diesem Album?
Pete: Ich denke, es ist das beste Album, das wir seit unserem klassischen ersten Album „Fulham Fallout“ gemacht haben, und ich hoffe, dass die Fans dem zustimmen werden.
Nigel: Meiner Meinung nach ist dies das beste Album, das wir seit unserer Reunion gemacht haben, also sind meine Erwartungen hoch. Ich denke, es wird von unserem Publikum und der Presse gleichermaßen gut aufgenommen werden.
Esso: Ich hoffe, dass es den Leuten gefällt.

Seid ihr jetzt als Trio unterwegs? Und welche Rolle spielt die FEATHERZ-Leadsängerin Danie Cox auf dem neuen Album?
Nigel: Wir sind eine dreiköpfige Band, aber wir haben Danie mit ins Boot geholt, um einigen Songs einen frischen Wind zu verleihen. Hör dir mal ihre Gesangsperformance bei „Electrical guitar“ und speziell bei „High velocity“ an, diese Songs drücken das perfekt aus.

Was bedeutet der Track „When you are borderline“ auf einer der 7“s? Welche Erfahrung habt ihr damit?
Pete: „Borderline“, die B-Seite von „Fits You Like A Glove“, beschäftigt sich mit jemandem, der das Gefühl hat, geistig ein bisschen durchzudrehen, und keinen Bezug zu dem „normalen“ Leben oder „normalen“ Menschen findet. Ich kann mich damit identifizieren, da ich schon den größten Teil meines Lebens an Angstzuständen und einer Essstörung leide. Esso hat auch eine Verbindung zu diesem Thema. Er arbeitete einige Jahre im Bereich psychische Gesundheit.
Esso: Persönlichkeitsstörungen sind die Norm in der Welt der LURKERS!

Aus meiner Sicht hat das „Sex Crazy“-Album mehr vom UK-Eighties Punk-Style, als vom alten 1977er-Sound. Wie seht ihr das? Welchen Stil bevorzugt ihr?
Pete: Ja, es ist sicherlich nicht der alte 77er-Sound, obwohl der Singletrack „Fits you like a glove“ ein sehr klassischer Song im frühen LURKERS-Stil ist. Er hat diesen großen, kraftvollen Sound, den wir 1977 nicht hatten. Generell wollen wir versuchen, einen Sound hinzubekommen, der auf einer individuellen Basis zu jedem Song passt. Ich denke, das ist uns gelungen, „Sex Crazy“ ist ein abwechslungsreiches Album. Natürlich auch, weil wir schließlich „moderne“ Aufnahmestudios und -geräte benutzen und nicht versuchen, einen Retro-Sound zu kreieren.
Nigel: Die Songs von THE LURKERS hatten schon immer ein Pop-Feeling, genauso wie Punk damals 1977. Auch eine Menge Achtziger-Jahre-Punk hat dieses Pop-Feeling. Ich finde, dass unser erstes Album „Fulham Fallout“ genauso viel Pop wie Punk ist, und „Sex Crazy“ ist nur eine Fortsetzung dieses Gefühls.

Wie hat 1976 alles angefangen? Ihr habt in einem Keller unter einem Plattenladen geprobt. Hat der Besitzer tatsächlich, nachdem er eure Musik gehört hatte, ein Label gegründet, benannt nach dem Plattenladen Beggars Banquet?
Nigel: Wir kamen alle aus der gleichen Gegend in West-London, tranken in den gleichen Pubs und hatten ein Interesse an der gleichen Art von Musik. Also war es fast unvermeidlich, dass wir die auch selbst gemacht haben. Wir begannen im Keller unter dem Beggars Banquet-Laden zu proben, wo wir unsere guten Songs schlecht spielten. Martin Mills und Nick Austin, die Besitzer von Beggars Banquet, wollten ihr eigenes Label gründen und Punk war die Musik, mit der man das damals im Jahr 1977 machen konnte. Mike Stone, der Manager des Ladens in Fulham, ermutigte Martin und Nick, sich uns mal anzuhören, und sie nahmen uns unter Vertrag.
Esso: Mike Stone, der spätere Gründer von Clay Records, arbeitete oben im Plattenladen und fuhr uns immer zu den Gigs. Er versuchte immer, Martin und Nick, die Beggars Banquet leiteten, dazu zu bringen, ein Plattenlabel zu gründen, uns unter Vertrag zu nehmen und einen Song aufzunehmen – sie taten es schließlich, aber Mike wurde aus dem Ganzen rausgehalten und blieb hinter dem Tresen im Laden. Er ging dann, um sein eigenes Label zu gründen – ohne Mike hätten wir höchstwahrscheinlich gar nichts gemacht.

Eine nicht unwesentliche Rolle für euch als die Band spielten John Peel und Campino. Was war ihre Rolle und welche anderen Personen wären noch zu nennen?
Pete: Die „John Peel Show“ im BBC-Radio war für alle jungen Punks unverzichtbar und wir hatten sehr viel Glück, denn er spielte ständig unsere Platten. Wir machen auch eine Reihe von Studiosessions für ihn, die alle halfen, unsere Fangemeinde aufzubauen. Campino hat für uns eine Show in Düsseldorf organisiert, um seinen Geburtstag zu feiern, und dann eine Tournee, woraufhin er das „Wild Times Again“-Album für uns produzierte. Wir haben auch eine kurze Tournee als Support von DIE TOTEN HOSEN gespielt.

Mein erster LURKERS-Song war „Be my prisoner“ von der 1977er Streets Compilation. Was hat dieser Song mit der SM/Fetisch-Szene zu tun? Fetischkleidung war ja in Modekreisen und Malcolm McLarens „Sex“-Laden angesagt.
Pete: „Be my prisoner“ ist ein SM-Liebeslied, aber es dreht sich nicht wirklich um die Fetisch- und Lederszene. Und überhaupt, um diese ganze Punk-Modekreise haben wir immer einen großen Bogen gemacht. Da waren wir außen vor!

Welche Erinnerungen an die Roxy-Zeiten 1977 in London habt ihr noch?
Pete: Ich hatte Glück, denn ich arbeitete gerade in der Nähe des Roxy, als es eröffnet wurde. So konnte ich in den allerersten Tagen ein regelmäßiger Besucher werden, dann habe ich meinen Job gekündigt und zusammen mit Esso, Nigel und Howard die LURKERS gegründet und innerhalb kurzer Zeit spielten wir selbst im Roxy.
Nigel: Die Punk-Szene brummte zu dieser Zeit und das Roxy war ein anerkannter Veranstaltungsort. Es war großartig, bei der Entstehung des Punk dabei zu sein, da es in völligem Kontrast zum Rest der damaligen Musikszene stand.
Esso: Es war ein düsterer, trendiger Schuppen mit sehr teurem Bier – nicht die Art von Club, wo ich hingegangen wäre, um etwas zu trinken.

Nach der ersten Pause habt ihr 1982 die „This Dirty Town“-7“ veröffentlicht. Speziell dieser Song klingt für mich kraftvoller als spätere Veröffentlichungen wie „Wild Times Again“. Liegt das am Clay-Label?
Pete: Ja, du hast wahrscheinlich recht, es könnte am Label liegen, denn der Besitzer Mike Stone war an der Produktion beteiligt.
Nigel: Es war ein Spiegelbild dessen, wie wir zu der Zeit spielen wollten. Stimmungen und Stile ändern sich und Marc Finchams Stimme passte zu der Art, wie wir zu der Zeit spielten.

Was ist euer liebster, euer wichtigster LURKERS-Song?
Pete: „I’m on heat“ hat immer einen Platz in meinem Herzen, es war der erste Song, den wir jemals geprobt haben, wir haben ihn immer und immer wieder gespielt ...
Nigel: „Be my prisoner“ aus dem alten Set, da es toll war, diesen Song live zu spielen, und momentan ist es „Axe static meltdown“ vom neuen Album.
Esso: Wie Nigel mag ich „Be my prisoner“, es ist eine Außenseitergeschichte, abartig und düster. Pete war sehr jung, als er ihn schrieb, aber er hatte eine Essenz, die sich von den anderen Songs, die wir gemacht haben, unterschied.

Wenn du zurückblickst, welchen Einfluss hat die Punk-Bewegung auf euch gehabt? Was hat bis heute einen Platz in eurem Leben und was würdet du lieber vergessen?
Nigel: Punk hat mich offensichtlich stark beeinflusst, da er einen großen Teil meines Lebens geprägt hat, also habe ich eine große Zuneigung zu ihm. Es gibt nicht viel, was ich vergessen möchte, doch wahrscheinlich habe ich bereits viel vergessen.
Esso: Früher, als ich 17 war, hörte ich VELVET UNDERGROUND und später THE NEW YORK DOLLS. Als ich die RAMONES entdeckte, kam alles zusammen, für mich war die „Punk“-Sache amerikanisch, hauptsächlich New York, trashig und randständig – das ist auch heute noch meine Lieblingsmusik.

In der Vorbereitung auf dieses Interview musste ich wegen des „Wild Times Again“-Plattencovers schmunzeln. Trinkende Rentner, ist das eure Zukunft? Wäre das nicht bald ein passendes Cover?
Pete: Es war lustig, als wir das erste Mal in Deutschland spielten, waren wir erst um die zwanzig Jahre alt, und ich glaube, es war Berlin, wo jemand in den Toiletten an die Wand schrieb: „The Lurkers sind Rentner!“ Nun, jetzt sind wir es wirklich fast ...
Nigel: Niemals, denn wie der Song der RAMONES sagt: „Ich will nicht erwachsen werden und werde es auch nie.“ Was das „Wild Times Again“-Artwork angeht, glaube ich nicht, dass die Regenmäntel wirklich zu uns passen, und das „Sex Crazy“-Cover ist jetzt passender, denn wie man auf den Fotos sehen kann, werden wir jünger.

Und was denkt ihr, ist Trinken echter Punkrock oder bedeutet Punkrock immer Trinken?
Pete: Wir alle nehmen immer noch gerne einen Drink, aber nichts im Vergleich zu den Exzessen der Vergangenheit ...
Nigel: Alle Arten von populärer Musik, vom frühen Jazz bis zur heutigen Musik, werden mit Exzessen in Verbindung gebracht. Punk und wir waren da nicht anders.

Welche aktuellen Bands mögt ihr?
Pete: Nichts hat mich in letzter Zeit wirklich gepackt, aber ich fand, dass es ein paar tolle Tracks gibt auf dem GREEN DAY-Album „Revolution Radio“ vor einer Weile.
Nigel: Ich neige dazu, Songs aus den frühen Punk-Tagen zu mögen, aber ich habe eine Schwäche für eine gute Melodie, die mit Überzeugung gespielt wird, und das ist die eine Sache, die der Punk von heute mit uns gemeinsam hat.

Welche Bands sind eure All-time Faves – und warum?
Pete: Alle üblichen Verdächtigen, RAMONES, NEW YORK DOLLS, BLONDIE, T. REX ...
Nigel: Meine Geschmäcker sind sehr unterschiedlich, aber die STRANGLERS müssen dabei sein.
Esso: Britischer Pop der späten Sechziger Jahre, wie KINKS und MOVE, ich mochte den Humor und die Energie. Dann V.U. und die von Pete erwähnten New Yorker Bands, sie klangen anders als alle anderen und sprachen damit jemandem wie mich an, der sich als Außenseiter fühlte.