Eine dunkle und saukalte Winternacht im Dezember 2004: LOGH, die gerade in den letzten Zügen ihrer "The Raging Sun"-Tour liegen, während das dritte Album "A Sunset Panorama", das Anfang 2005 erscheinen soll, bereits im Kasten ist, entlassen uns nach einem hinreißenden Konzert auf den Heimweg. Es ist eine stille Rückfahrt, bei der das Autoradio zur Abwechslung einfach mal aus bleibt. Seitdem habe ich LOGH noch ganze vier Mal live gesehen, zuletzt in Berlin während der einwöchigen Promo-Tour im vergangenen Februar. Mit halber Besetzung spielten die Schweden die Songs ihres neuen Albums "North" als Akustik-Set und es war zu ahnen, dass sie auch diesmal das machen, was sie am besten können: alles anders. Einen Monat später treffe ich Sänger und Gitarrist Mattias Friberg in Köln zur Bestandsaufnahme.
Mattias, wenn jetzt jemand behauptet, dass ihr wie eine Popband klingt, würdest du ihm Recht geben?
Wir wollen wie eine Popband klingen. Wir versuchen, eine Popband zu sein. Ich weiß nur nicht, ob man das immer so wahrnimmt.
Es gab da einen Song, der mich an DEATH CAB FOR CUTIE erinnert hat. Falls das ein gutes Zeichen ist ...
DEATH CAB FOR CUTIE ist eine tolle Band, aber ich würde mir zu Hause nicht ihre Platte anhören. Ich höre mir zu Hause sowieso kaum Platten an. Und wenn doch, dann keine Popmusik.
Und warum soll dann LOGH klingen wie eine Popband?
Ich wollte unsere Musik vereinfachen. In dem Sinne, dass es ihren Hauptgedanken ans Licht bringt. Ich denke, darum geht es bei Popmusik: die Ideen zu destillieren.
2002 erschien euer Debüt "Every Time A Bell Rings, An Angel Gets His Wings". Seither hieß es von eurem Sound immer, er sei sehr minimalistisch. Gilt das auch für "North" oder ist es ein Schritt in eine andere Richtung?
In gewissem Sinn ist es ein Schritt in eine andere Richtung. Gut, wenn du es mit dem ersten Album vergleichst, ist es viel weniger minimalistisch, aber wir sind immer noch sehr bedacht um jede Note, die wir spielen. Es stecken viele Gedanken dahinter. Jedes Instrument, jeder Akkord hat seine Berechtigung. Das ist sicher minimalistisch. Aber wir hätten nicht als vierköpfige Band weitermachen wollen, zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug, und dann jahrelang immer die gleiche Musik spielen.
Die Leute, denen "The Raging Sun" besonders gefallen hat, werden sich bei "North" jetzt fragen, wo der düstere Sound hin ist. Empfindest du selbst "The Raging Sun" auch als so düster?
Für mich ist es das düsterste Album. Wir waren in einer beschissenen Verfassung, als wir es aufgenommen haben. Als es veröffentlicht wurde, habe ich versucht, mir einzureden, es wäre in irgendeiner Weise hell und freundlich. Aber ich denke nicht, dass es das wirklich ist. Für mich bedeutet es Dunkelheit.
Textlich hat mich eure erste Single "Saturday Nightmares" an ein klassisches Horrorfilmdrehbuch erinnert: Jemand wird von einem Geist verfolgt, aber wenn er den Geist schließlich erkennt, hilft es ihm, etwas Wichtiges zu begreifen ?
Genau darum geht es. Aber der Geist ist LOGH. Es geht um die Band. Wir haben ziemlich harte Zeiten durchgemacht. Der Song handelt von diesen Problemen innerhalb der Band. Es ist ein sehr persönlicher Text, es ist eine Ehrung der anderen Jungs.
Das Album endet mit einem Song, der "A new hope" heißt. Ist das so eine Art Bekenntnis?
In "A new hope" geht es eigentlich nur ums Trinken. Klar kann man da noch andere Dinge hineininterpretieren, aber es geht hauptsächlich um den Frust, wenn die Bars um eins schließen und man noch einen draufmachen will.
Erzähl mir mal was über die Aufnahmen für "North". Es scheint ja nicht ganz ohne Bedeutung zu sein, dass es zehn Monate gedauert hat, bis das Album fertig war.
Die eigentlichen Aufnahmen haben nur vier Monate gedauert, aber selbst das ist eine lange Zeit. Die ersten fünf Monate habe ich mit dem Schreiben der Songs verbracht. Im Juli haben wir dann angefangen aufzunehmen. Es war von Anfang an unser Plan, im Sommer aufzunehmen, weil wir diese schöne Atmosphäre haben wollten, bloß keinen Schnee und keine Kälte. Und der Sommer war hier wahrscheinlich auch großartig, aber in Schweden war es so warm wie seit Ewigkeiten nicht mehr. Wir sind jeden Tag im Meer schwimmen gewesen, hatten gemütliche Abendessen ... Natürlich ist es für uns nie einfach, zusammen aufzunehmen, weil wir viele unterschiedliche Ansichten haben, aber alles drum herum war fantastisch.
Seit letztem Jahr habt ihr zwei neue Bandmitglieder bei LOGH. Hat das eure musikalischen Möglichkeiten vergrößert? Ich denke da vor allem an den Mann am Klavier.
Klar. Es hat viel mit dem Klavier zu tun, weil Karl auch einfach unglaublich ist. Und natürlich bringt es neue Möglichkeiten. Die beiden hatten aber auch vorher schon eine ganze Weile mit uns gespielt. Für mich ist das Wichtigste daran, dass sie jetzt zur Band gehören, dass sie ein Gleichgewicht herstellen, das nicht immer gegeben war, als wir noch zu viert waren. Es macht unsere Zeit zusammen viel besser. Sie bringen Licht in die Dinge, sie halten sie zusammen. Deshalb ist es für mich eine rein persönliche Sache.
Euer Tourplan ist wieder ziemlich vollgestopft: Ihr reist quer durch Europa, teilweise sehr lange Strecken. Wie macht man das eigentlich? Ganz schön hart, wenn man wochenlang unterwegs ist. Schlägt das Touren nie aufs Gemüt oder sorgt für Stress untereinander?
Ist schon vorgekommen. Aber erst einmal machen wir das jetzt schon so lange, dass es uns nicht mehr viel ausmacht. Man wird einfach nicht müde. Und dann war es letztlich die Tour, die wir letztes Jahr im Januar gemacht haben, und die uns dazu motiviert hat, die neue Platte aufzunehmen.
Weil ihr so ein gutes Feedback bekommen habt?
Deshalb natürlich auch. Aber vor allem, weil wir so viel Spaß im Tourbus hatten.
Es gibt ja auch gar nicht so viele Bands, die so weite Strecken machen. In Spanien zum Beispiel oder Portugal.
Wahrscheinlich nicht. Wir gehen das eigentlich so an wie ein Abenteuer. Es soll sich so anfühlen wie Urlaub. Ein Haufen befreundeter Typen in einem Bus. Du siehst unterschiedliche Orte, gehst aus und obendrein kannst du noch Konzerte geben. Du kriegst sogar Geld dafür. Wie gesagt, das Wichtigste ist, dass wir Freunde sind und zusammen Spaß haben können. Und die Crew, die wir mitnehmen, ebenfalls. Wenn es anders wäre, würden wir das nicht hinkriegen.
Manchmal witzeln wir, dass Pelle Gunnerfeldt der einzige Musikproduzent in ganz Schweden ist, weil es manchmal so wirkt, als hätte er einfach bei jeder Platte, die aus Schweden kommt, seine Finger im Spiel.
Er tut schon eine Menge. Unsere neue Platte hat er nur abgemischt und er hat einen richtig guten Job gemacht.
Wenn ich beschreiben soll, wie andere Bands klingen, sage ich manchmal: Die klingen ein bisschen wie LOGH. Aber ich habe noch nie gesagt, LOGH klingen wie irgendwer. Liegt das daran, dass euer Sound so schwer zu beschreiben ist?
Ich denke, es liegt daran, dass wir uns sehr bemühen, nicht so zu klingen wie irgendwer anders. Wir sind nicht von aktueller Musik beeinflusst, von dem, was gerade hip ist und was nicht. Aber dieses Mal hatten wir maßgebliche Einflüsse, die wir benennen können.
Das konnte ich ja erst nicht so recht glauben: Roy Orbison, Kate Bush ?
Vangelis war der allerwichtigste Einfluss. Und danach Roy Orbison. Vor allem die beiden.
Ihr scheint ja auch recht gut darin zu sein, so etwas zu verarbeiten. Als ich euer SLAYER-Cover zum ersten Mal gehört habe, habe ich kaum geglaubt, dass es wirklich der gleiche Song ist.
Na ja, wir mögen Musik. Jede Art von Musik. Wir versuchen es so weit wie möglich zu streuen. Wir versuchen, uns nicht beeinflussen zu lassen, aber natürlich färbt die Musik, die wir hören auch auf das ab, was wir spielen.
Nach "The Raging Sun" haben viele vermutet, ihr kämt aus dieser Postcore-Ecke, in dem Sinne: man fängt mit dem Lauten an und bricht es herunter. Wenn man sich eure Songs dann aber so anhört, könnte man meinen, dass eigentlich die Stille als Erstes da ist.
Uns wurden lange Zeit all diese merkwürdigen Bezeichnungen aufgedrückt: Emo und alles, was irgendwie auf -core endet und andeuten sollte, dass wir einen Hardcore-Background haben, was eben nicht stimmt. Niemand von uns hat jemals in einer Hardcore-Band gespielt. Wir versuchen, Stille einzusetzen, so gut es geht. Wenn du jemanden spielen siehst, dann sind da Geräusche, Klänge und Bewegung. Wenn die Band auf einmal für eine Minute völlig still wäre, dann würden die Leute reagieren, vielleicht anfangen rumzuschreien oder was auch immer. Es ist ein starkes Mittel, um die Aufmerksamkeit der Leute zu bekommen. Denn für die meisten Leute ist Stille das Beunruhigendste überhaupt.
Ich gerate öfter mal mit Leuten aneinander, die bei Konzerten kontinuierlich quasseln. Mir scheint, die wollen unterhalten werden, und wenn es dann mal ruhig ist, dann ist das für sie bloß eine Unterbrechung der Unterhaltung.
Na gut, es ist unser Job zu unterhalten. Das ist eine verdammt trickreiche Angelegenheit. Wir haben unsere eigene Art, es zu tun. und wenn Leute das nicht als Unterhaltung betrachten können - fein. Für den Rest des Publikums ist das natürlich ärgerlich. Aber wir sehen auch ein, dass manchen Leuten eben nicht gefällt, was wir machen.
Also fühlst du dich wohl damit, wenn man es jetzt als Popmusik bezeichnet, was ihr macht?
Ja, sehr viel wohler als mit Emo. Das, was ich unter Emo verstehe, ist einfach nur fürchterlich. Das heißt nicht, dass jede Band, die als Emo bezeichnet wird, fürchterlich ist. Es ist einfach nur so, dass es mich schüttelt, wenn ich über jenen Anteil nachdenke.
Magst du mir mal eine Frage nennen, die du im Interview gerne mal beantworten würdest, die aber nie einer stellt?
Wenn man Interviews gibt, will man meistens weniger über die Band reden oder über die Musik. Du willst über gutes Essen oder so etwas sprechen. Mehr persönliches Zeug, das ist der angenehme Teil.
Annika Büsing
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