LIBERATOR

Foto

Genre-, grenzen-, szenenübergreifend!

Was freute ich mich, als LIBERATOR nach Jahren des Dahindümpelns Ende 2008 mit ihrer EP „Ring The Alarm“ ihr Comeback angekündigt hatten. Für mich sind die Schweden eine der Neo-Ska-Bands der Neunziger gewesen, „Worldwide Delivery“ zählt nach wie vor zu den zehn besten Neo-Ska-Alben, und selbst der absolut unterbewertete Nachfolger „Too Much Of Everything“ hätte mehr Aufmerksamkeit verdient. Fast zehn Jahre agierten LIBERATOR nur sporadisch in ihrer Heimat. Ein Jahr nach ihrem letzten Lebenszeichen folgt nun endlich das Album „Stand And Deliver“, das hier in Deutschland vom Traditionslabel Pork Pie veröffentlicht wird. Grund genug, Sänger Robert und Gitarrist Daniel mit ein paar Fragen zu löchern.

Bei unserem letzten Kontakt hieß es, die Platte und eine Tour sollten im Frühjahr folgen. Nun hat sich alles doch noch um ein Jahr verschoben. Warum?

Robert: Das hatte mehrere Gründe: Zum einen leben wir mittlerweile alle an verschiedenen Orten, zum anderen geht jeder von uns einem Vollzeitjob nach, und der eine oder andere hat mittlerweile seine eigene Familie.

Daniel: Nicht zuletzt braucht es auch Zeit, neue Stücke zu schreiben und die Songs aufzunehmen. Und dieses Mal haben wir wirklich alles an der Produktion selbst gemacht. Das Album war im Frühling zwar bereits eingespielt und abgemischt, allerdings hat man sich dann immer noch um so viel anderen Kram zu kümmern, zum Beispiel um das Coverartwork. Durch die Verzögerung der Veröffentlichung der Platte haben sich dementsprechend auch die geplanten Konzerte nach hinten verschoben. Wir planen jetzt zwar keine längere Tournee, werden aber sicher für den einen oder anderen Gig nach Deutschland kommen

Wie oft habt ihr im letzten Jahr gespielt?

Daniel: Nicht sehr oft. Ich denke, es waren vielleicht gerade mal sechs oder sieben Auftritte. Wir haben uns in diesem Jahr ganz auf unser neues Material konzentriert, weil wir der Meinung waren, dass es an der Zeit sei, neue Stücke und ein neues Album zu haben, bevor wir uns wieder vermehrt auf der Bühne sehen lassen.

Wenn ihr euch an eure erfolgreichen Tage zurückerinnert, was davon vermisst ihr heute und auf was hättet ihr gerne verzichten können?

Robert: Das ständige Touren war nie wirklich mein Ding. Heute, da wir nicht mehr so viel unterwegs sind, genieße ich es und habe echt Spaß daran.

Daniel: Mir gefiel das Touren. Nachts einen Gig in der einen Stadt spielen, danach in den Bus einsteigen, um am Tag darauf in einer anderen Stadt aufzuwachen. Herumkommen und Orte sehen, die ich wahrscheinlich sonst nie in meinem Leben kennen gelernt hätte. Zeit ist ein wertvolles Gut geworden. Ich möchte so viel Dinge tun, aber der Tag hat leider eben nur 24 Stunden.

Welche ganz persönlichen Erinnerungen verbindet ihr mit euren Alben?

Robert: Als Musiker assoziiere ich so viele andere Sachen mit den Platten, nicht nur Musik. „This Is Liberator“, unser Debüt, war alleine aus diesem Grund schon immens wichtig. Auf „Worldwide Delivery“ war Daniel das erste Mal mit dabei. Auf „Too Much Of Everything“ waren allesamt erstklassige Stücke, die sich im Laufe der Jahre angehäuft, für die wir jedoch bislang keine Verwendung hatten, und die deshalb nicht auf die beiden ersten Veröffentlichungen gepasst haben. „Stand And Deliver“ ist großartig geworden, auch wenn ich von dem ganzen Prozess etwas losgelöst war, was daran lag, dass ich in Stockholm lebe, während der Rest der Band in und im Umland von Malmö lebt.

Daniel: „Worldwide Delivery“ war mein erstes Album mit LIBERATOR und natürlich verbinde ich damit ganz persönliche Erinnerungen. Die Aufnahmen fanden im Winter statt. Vier Wochen lang Studioarbeit: zwei Wochen, um die Stücke einzuspielen, zwei Wochen, um das Material abzumischen. Ich liebe den Mix auf dieser Platte. Da ist kein einziger langweiliger Moment. „Too Much Of Everything“ wurde in einem anderen Studio aufgenommen, weil wir einen anderen Sound haben wollten. Einige Stücke orientieren sich mehr Richtung Rockmusik. Super Nummern, auch wenn wir davon kaum noch welche im Live-Set haben. Dann kam es zu Veränderungen in der Besetzung, bevor wir 2003 „Are You Liberated?“ einspielten. Zweifellos noch LIBERATOR, auch wenn es alles andere als eine Ska-Platte ist. Erst kürzlich ließ ich das Album mal wieder bei mir laufen. Starke Songs, wenn auch die Produktion etwas rauher hätte sein können. Mit „Stand And Deliver“ verbinde ich eine Menge. Darin steckt sehr viel persönliche Arbeit. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir uns mit diesem Album noch einmal beweisen wollten, dass wir es noch drauf haben. Wir hoffen, es ist uns gelungen. Zumindest haben wir das Beste herausgekitzelt. Für mich war LIBERATOR noch nie eine Band, die sich nur einer bestimmten Musikrichtung verschrieben hätte, also Ska. Wir alle hören die unterschiedlichste Musik, was sich dann auch im Schreiben unserer Stücke bemerkbar macht. Diese unglaublich wichtige Freiheit nehmen wir uns, nicht zuletzt, weil man als Band Gefahr läuft, sich nicht mehr weiterzuentwickeln. Durch den Mut, Neues mit einzubringen – nur so können Ideen umgesetzt werden. So gesehen ist „Stand And Deliver“ im Sinne unserer Bandphilosophie „back to the roots“.

Insgesamt tendiert meine Interpretation der Texte fast schon in Richtung dunkel, düster, depressiv.

Robert: Ich finde den Gegensatz von tanzbarer Musik und nicht depressiven, aber nachdenklichen Texten unwiderstehlich!

Daniel: Sicher ist da die eine oder andere nachdenkliche Passage, aber von depressiv keine Spur, denn irgendwo steckt in ihnen immer auch ein Schuss Humor. Wie FISHBONE bereits sagten:„The reality of our surroundings“.

Das musikalische Fundament von LIBERATOR bildeten dennoch immer Ska oder 2Tone. Was denkt ihr über die Revivals von Bands wie MADNESS oder SPECIALS?

Robert: MADNESS war für mich die Band, die mir die Tür zur Ska-Musik geöffnet hat. Auch wenn ihr neuestes Album mit Ska nur entfernt zu tun hat, ich liebe es. THE SPECIALS sah ich neulich im TV in Jool Hollands Show „Later“. Gefiel mir. LIBERATOR begann ja als Ska-Coverband, und da ich eh die meisten der Lyrics von den Bands kannte, wurde ich als Sänger eingeladen. Ich vermute, ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort, so dass ich den 2Tone und die Bands dieser Ära noch mehr zu schätzen lernte.

Daniel: Ich habe früher viel Reggae gehört und kam erst später zum Ska, 2Tone ist es eher weniger. Aus dieser Zeit gefallen mir am besten THE BEAT, wegen ihres eigenwilligen Grooves. THE SPECIALS hatten diese besondere Punk-Attitüde, das hatte auch was. MADNESS hingegen war für mich immer eine sehr gute Pop-Band.

Gibt es Berührungspunkte zwischen den Subkulturen und Szenen?

Robert: Sicher bedienen wir diverse Szenen auf unseren Konzerten, die sich jedoch auch in den verschiedenen Ländern unterscheiden. Das Publikum macht LIBERATOR zu einem Bestandteil ihrer eigenen Szene. Und in mancher Hinsicht gehören wir auf Tour einfach zur Gemeinschaft von Musikern, die sich im Hotel, an der Tankstelle oder im Flughafen über den Weg laufen und mit einem Kopfnicken verständigen: „Hey, ich weiß Bescheid, alles klar!“

Daniel: Genau. Wir können uns nicht mit einer bestimmten Subkultur identifizieren, für mich spielt das auch gar keine Rolle. So lange die Leute unsere Musik mögen, bin ich glücklich. Rassisten hingegen sollen sich die Ohren zutackern oder, besser noch, sich verpissen.