Die Geschichte von LES THUGS beginnt 1977, als im westfranzösischen Angers die beiden Brüder Eric und Christophe Sourice Punk entdecken und bald erste eigene musikalische Gehversuche machen. 1983 entstehen LES THUGS, mit Eric als Sänger und Gitarrist und Christophe als Drummer. 1984 treffen sie bei einem Konzert in Paris auf die Betreiber des kleinen Labels Gougnaf Mouvement und Anfang 1985 erscheint die erste 7“, die in Frankreich, aber auch in den USA und England auf Zuspruch stößt.
1986 kommt das erste (Mini-)Album „Radical Hystery“, das Londoner Label Vinyl Solution zeigt Interesse, bringt 1987 mit „Electric Troubles“ ein weiteres Mini-Album raus – und John Peel lädt die Band, bei der nun noch mit Pierre-Yves Sourice ein dritter Bruder spielt (Bass), zu einer Radiosession ins BBC-Studio. 1988 folgt die „Dirty White Race“-12“, zig Konzerte in Europa, auch eines bei den „Berlin Independence Days“, wo Bruce Pavitt und Jonathan Poneman von Sub Pop im Tross von MUDHONEY die Szene der Mauerstadt erkunden. Poneman treibt die Neugier zu einem LES THUGS-Konzert – mit der Folge, dass in den Neunzigern die Alben „As Happy As Possible“ (1993), „Strike“ (1996) und „Nineteen Something“ (1998) auf dem Label aus Seattle erscheinen. Danach folgte 1999 noch das erste frankophone Album „Tout Doit Disparaître“, dann war im Dezember ’99 Schluss und nur zum Sub Pop-Jubiläum 2008 spielte die Band noch mal live. Pierre-Yves Sourice hat nach langem Zögern – auch das Label glaubte nicht, dass da was kommen würde – meine Fragen zu dieser einst so präsenten Band beantwortet.
Zunächst einmal: LES THUGS müssen wirklich tot sein, da die Website lesthugs.fr ebenfalls tot ist ...
In der Tat ist die Band wie die Website wirklich seit September 2008 aus und vorbei – nach unserer „No Reform Tour“ auf Initiative von Sub Pop, die uns zum zwanzigjährigen Jubiläum des Labels nach Seattle eingeladen hatten. Damals haben wir auch fünf Konzerte in Frankreich gespielt.
Was macht ihr in diesen Tagen der Pandemie?
Für mich, der ich immer noch in der Unterhaltungsbranche tätig bin, haben die Aktivitäten in diesem Sommer ein wenig angezogen, ich konnte auf zwei großen Musik- und Theaterfestivals in Frankreich arbeiten. Eric leitet ein Straßentheater, das seine Aktivitäten seit Beginn der Pandemie fortsetzen konnte. Thierry, der ein Showmanager ist, hat diesen Sommer ebenfalls wieder angefangen. Und Christophe ist im Rathaus seines Dorfes angestellt. Musikalisch haben wir seit 2018 eine Gruppe namens LANE mit Eric an Gesang und Gitarre und Felix, meinem Sohn, an der Gitarre, und Etienne und Camille Belin, der früher bei DARIA spielte, an Gitarre und Schlagzeug. Wir bereiten gerade unser drittes Album vor. Wir proben also sehr viel. Aber im Moment bin ich mit Freunden im Urlaub in den Bergen. In so einer Höhe kann man gut nachdenken.
Ich finde es immer erstaunlich, wenn Brüder zusammen in einer Band spielen. Welche Rolle hat dieser Aspekt bei LES THUGS gespielt?
Ja, ich kenne nicht viele andere Bands mit drei Brüdern, außer vielleicht die BEE GEES. Vielleicht ist das einer der Gründe, warum die Band 17 Jahren existierte. Wir haben den Vorteil, dass wir uns gut kennen, die Bindung ist stärker, als wenn man mit Kumpels spielt, wobei man Thierry auch als vierten Bruder betrachten kann. Die Familienessen am Sonntagmittag helfen, Spannungen abzubauen, falls es welche gibt, und vielleicht gehen wir auch mehr Kompromisse ein.
Pierre, du bist der jüngste Bruder und kamst erst später dazu. Wie hast du die Punk-Aktivitäten der anderen beiden als Teenager erlebt?
Ich wurde 1967 geboren, Christophe 1961 und Eric 1960. 1977, als die Jungs anfingen, Punk mit den CLASH, SEX PISTOLS oder BUZZCOCKS zu entdecken, war ich zehn Jahre alt. Ich war nicht sehr an Musik interessiert, abgesehen von einigen französischen Sängern, wie Joe Dassin zum Beispiel. Ich war vor allem Fußballfan und konnte mir vorstellen, Fußballer zu werden. Als sie ihre erste Band gründeten, probten sie in ihrem Zimmer, wenn unsere Eltern weg waren. Den Nachbarn gefiel das überhaupt nicht. Nachdem sie ausgezogen waren, begannen sie im Keller von Christophes Wohnung zu proben. Mit zwei oder drei Freunden begannen wir, auf die Trommeln einzuhämmern und den Gitarren zu klimpern. Wir nannten uns „Jungle Kids“, wir machten fünf, sechs Songs, hatten aber nie irgendwelche Konzerte. Ich war zu der Zeit Koch, also hatte ich nicht viel Zeit, um Musik zu machen, aber ich half beim allerersten LES THUGS-Konzert in Angers an der Bar aus ... ohne Alkohol. Ich hatte die Rockmusik für mich entdeckt, indem ich THE CURE hörte, von denen ich immer noch ein großer Fan bin. Ich ging dann zum Arbeiten nach London und dort begann ich, dank Yves und Alain von Vinyl Solution, eine Menge Bands zu hören, HÜSKER DÜ, THE WIPERS, RADIO BIRDMAN, THE SAINTS ... Bei Vinyl Solution fragten mich Yves und Alain gleich beim ersten Mal, ob ich eine Band namens LES THUGS kenne. Ich erzählte ihnen, dass ich der kleine Bruder des Schlagzeugers und des Sängers/Gitarristen bin. Ich war sehr stolz. Ich glaube, da hat meine Geschichte mit der Musik wirklich angefangen.
Zuerst warst du der „mitreisende Bühnenarbeiter“ der Band. Warum und wann bist du von Backstage auf die Bühne gewechselt?
Ich kam 1987 zurück nach Frankreich, ich war zwanzig Jahre alt, ich hatte eine Menge Konzerte in London gesehen. Ich wollte nicht mehr als Koch arbeiten, auch wenn Kochen immer noch eine meiner Leidenschaften ist. LES THUGS fingen an, ziemlich viel zu touren und boten mir an, als Roadie mitzukommen. Ich baute das Equipment mit ihnen auf, ich wechselte kaputte Saiten aus und so weiter ... Ich war glücklich, ich reiste, ich sah Konzerte. Im Januar 1988 gab Gérald, der Bassist, bekannt, dass er die Band verlassen würde. Ich habe nie gefragt warum, aber die Jungs haben mich gefragt, ob ich seinen Platz einnehmen möchte. Ich habe vorher ein bisschen Gitarre und Schlagzeug gespielt, aber nicht ernsthaft. Ich habe natürlich zugesagt. Da ich keinen Bass spielte, half mir Gérald, indem er seine Hände beim Spielen der Songs filmte. Ich übte ein paar Monate lang und hatte dann meinen ersten Gig im Juni 1988.
Ihr habt in Angers gelebt, im Westen Frankreichs, weit weg von Paris, wo hauptsächlich die Musikszene war. Was für eine Stadt war Angers damals, wie war die Szene?
Zu dieser Zeit war in Paris viel los, das stimmt, aber auch in anderen Städten. Eine der wichtigsten Bands zu dieser Zeit waren LES DOGS aus Rouen in der Normandie, außerdem gab es noch MARQUIS DE SADE aus Rennes in der Bretagne. Es gab in der Tat Bands in ganz Frankreich, und dank der Fanzines, Radios und unabhängigen Labels konnten wir sie entdecken. In Angers gab es vor LES THUGS sehr wenig Rockmusik. Angers war zu dieser Zeit eine sehr ruhige Provinzstadt, sehr bürgerlich und katholisch. Eric und Christophe gaben ein Fanzine heraus, sie machten Radioshows mit Freunden und sie begannen, Konzerte in einer Bar und dann in größeren Locations zu organisieren. Viele Bands kamen, um in Angers zu spielen, und so begannen die Leute, sich für Rockmusik zu interessieren und Bands zu gründen. Außerdem wurde ein Plattenladen eröffnet, der es den Leuten ermöglichte, viele Bands zu entdecken. Dort habe ich meine erste Single gekauft: „New Rose“ von THE DAMNED.
Ihr habt auf Fotos von damals nie wirklich „radikal“ ausgesehen – kein roter Irokesenschnitt oder so. Wie war euer Leben damals?
LES THUGS galten immer als College-Kids, da war nichts mit Punk-Look oder so was ... Anders als in England gab es nicht viele Punks mit Iro, Sicherheitsnadeln und zerrissenen Jeans. Ich kann ich mich nicht erinnern, in Angers in den Achtzigern viele Punks gesehen zu haben, maximal ein oder zwei. Wir hatten eine ziemlich ruhige Jugend, es gab nichts, wogegen man rebellieren musste, indem man sich die Haare grün färbte. In den frühen Tagen von LES THUGS gingen die Jungs arbeiten, weil die Gigs nicht genug zum Leben brachten. Mit dem Geld wurden der Bandvan, der Sprit, die Plakate und alles, was eine Band braucht, um zu spielen, bezahlt. Ich kam zu einer Zeit dazu, als die Band begann, in größeren Läden mit besseren Gagen zu spielen, und sehr schnell konnten wir den offiziellen Status „Intermittent du spectacle“ bekommen, der jeden Monat ein Grundgehalt für Musiker, Schauspieler, Techniker möglich machte ... die Dinge wurden einfacher.
Wie sah deine musikalische Erziehung aus? Kommst du aus einer musikalischen Familie, hast du mit deinen Eltern Popmusik gehört? Und wie war es für dich mit den älteren Brüdern?
Während meiner Kindheit gab es nicht viel Musik zu Hause. Meine Eltern hörten ein wenig klassische Musik und Opern. Ich glaube, mein Vater spielte ein bisschen Klarinette, als er jung war, aber mehr nicht. Meine Mutter träumte davon, einen Sohn zu haben, der mal Geige oder Klavier in einem Philharmonieorchester spielt. Sie war ein bisschen enttäuscht, glaube ich. Meine Schwestern haben auch keine Musik gemacht, aber sie liebten SUPERTRAMP. Wir hatten keinen Musikunterricht, wir haben lieber Fußball gespielt. Wir haben Musik nach Gehör gelernt.
Welche französischen und internationalen Bands haben damals den Musikstil von LES THUGS geprägt, wie hat er sich entwickelt?
Einflüsse gab es viele. Eric hörte PINK FLOYD, PERE UBU, Klaus Schulze und Krautrock-Bands. Du kannst das in einigen LES THUGS-Songs erkennen, an den sich wiederholenden Melodien. Dann gab es Bands wie THE NOMADS und natürlich die BUZZCOCKS. Als ich später zur Band stieß, brachte ich wahrscheinlich andere Einflüsse ein wie R.E.M., die ich wirklich mag, oder LEATHERFACE und MOVING TARGETS. Und als wir dann bei Sub Pop unterschrieben, haben wir uns viele der Bands auf dem Label angehört, wie POND und LOVE BATTERY.
Wie politisch waren LES THUGS, warst du damals? Ihr hattet Songs wie „Strike“, „Burn all the flags“, „Dirty white race“, die eine klare Botschaft hatten.
Eric und Christophe, die die Texte schrieben, waren die politisch Engagiertesten in der Band. Alles, was wir zu sagen hatten, sagten wir in den Songs und in den Interviews, die wir gaben; Eric machte nie Ansagen auf der Bühne. Für uns war ein Konzert keine politisches Veranstaltung. Du liest die Texte, du verstehst, was wir meinen, du verstehst unsere Position. In der Tat sind „Burn all the flags“, „Dirty race“ oder „Strike“ an sich schon Slogans. Und darüber hinaus waren unsere politischen Ansichten unsere eigene Sache, wir hatten niemandem einen Rat zu geben. Und wenn ich auf ein Konzert gehe, möchte ich nicht zehn Minuten lang einem Typen zuhören, der über die extreme Rechte redet oder darüber, dass Wale abgeschlachtet werden, auch wenn das Themen sind, die mich sehr betreffen, wie aber viele andere Themen auch.
Wie kommt es, dass ihr euch entschieden habt, hauptsächlich auf Englisch zu singen? Die französische Szene kam mir immer etwas isoliert vor, da die Sprachbarriere zwischen Frankreich und den umliegenden Ländern ziemlich hoch ist.
Es stimmt, dass in den Achtziger Jahren in Frankreich nur wenige Bands auf Englisch gesungen haben. Unsere Haupteinflüsse waren aber angelsächsisch, und für uns war die Sprache des Rock’n’Roll Englisch und nicht Französisch. In Frankreich wurden die ersten Aufnahmen auf dem Label Gougnaf Mouvement veröffentlicht, da waren wir die einzige Band, die auf Englisch sang, und viele Leute verstanden nicht warum. Die französische Presse fand, dass Eric keinen schönen Akzent hat, während die Leute in den Staaten überrascht waren, als wir ihnen sagten, dass wir aus Frankreich kommen. Niemand hat den SCORPIONS jemals vorgeworfen, dass sie auf Englisch singen, obwohl sie Deutsche sind, oder? Aber das war auch der Grund, warum wir im Ausland in einem Ausmaß touren konnten, wie es keine andere Band, die auf Französisch singt, je getan hat. Es gab uns die Möglichkeit, überall zu spielen und verschiedenste Zielgruppen anzusprechen.
Mit Englisch habt ihr also sehr international gewirkt, aber hat das eurer Karriere in Frankreich geschadet, mit seinen Quoten für französischsprachige Musik im Radio? Wie hat die französische Medien- und Musikszene auf euch reagiert?
Die großen französischen Medien waren sehr wenig an uns interessiert. Eine Band aus der Provinz, die auf Englisch singt, verkaufte sich nicht. Außerdem haben wir in den Hotels nichts kaputt gemacht, keine Skandale, wir waren nett zu allen, also war es nicht interessant für sie. Als beschlossen wurde, mehr Künstler im Radio zu spielen, die auf Französisch singen, war es uns egal, weil sie unsere Platten sowieso nicht spielten. Unser Netzwerk waren die unabhängigen Radiosender, die sich nicht um Quoten scherten, einige lokale Fernsehsender und vor allem die Fanzines, die über Musik schrieben und nicht über die kleinen Geschichten nebenbei, um Zeitungen zu verkaufen. Die Dinge änderten sich, als wir zum ersten Mal aus den USA zurückkamen, nachdem wir bei Sub Pop unterschrieben hatten, und plötzlich kamen die großen Musikmagazine auf uns zu. Wir haben gut darüber gelacht. Wir sind für sie interessant geworden, aber wir hatten uns nicht verändert. Und ich glaube, was sie am meisten interessierte, war, ob Kurt Cobain nett gewesen war.
In der Tat nahm die Karriere eurer Band erst in den späten Achtzigern an Fahrt auf, als ihr in Berlin gespielt habt und Jonathan Poneman und Bruce Pavitt von Sub Pop euch zufällig live gesehen haben. Wie erinnerst du dich an diesen Abend und was ist dabei herausgekommen?
Ja, es ist schwer, diesen Abend zu vergessen. Wir sollten eigentlich nicht spielen, weil man eine französische Band auf einem französischen Label brauchte, und wir waren auf Vinyl Solution, einem englischen Label, aber am Ende gingen wir hin und schummelten ein bisschen. Dieses Konzert hat unser Leben komplett verändert, denke ich. Wir waren eigentlich sehr zufrieden damit, wie es mit der Band lief. Wir tourten viel in Frankreich und Europa, die Platten verkauften sich gut, die Konditionen wurden besser, wir waren alle „professionell“, also flogen wir nach Berlin zu diesem Festival von Independentlabels. Es war das erste Mal, dass die Band geflogen ist, glaube ich. Wir hatten eine sehr gute Show, wir waren ziemlich zufrieden mit uns, alles lief gut. Nach der Show saßen wir draußen und rauchten eine Zigarette, als Jon und Bruce zu uns kamen und sagten, dass sie die Show sehr genossen hätten und dass man sich wahrscheinlich bald wiedersehen würde. Sub Pop war in Europa noch nicht sehr bekannt, aber für uns könnte sich ein Weg in die USA auftun. Wir kamen recht zufrieden aus Berlin zurück und tatsächlich hat sich Sub Pop schnell mit unserem Management und Vinyl Solution in Verbindung gesetzt. Wir sind dann 1989 losgezogen, um dort eine zweimonatige Tour zu absolvieren, 35 Konzerte und so weiter ... Damit ging es los.
Ihr hattet Glück, dass die Leute in den USA euch mochten. Es war prinzipiell sehr schwierig für ausländische Bands, in den USA Erfolg zu haben. Wie hast du diese Jahre, Touren und Aufnahmesessions erlebt?
Ich denke, dass es uns sehr geholfen hat, 75 Shows in den USA zu spielen und bei einem amerikanischen Label zu sein. Die Tourbedingungen waren völlig anders als das, was wir aus Frankreich, Holland, Deutschland kannten. Wir reisten nachts mit acht Leuten in einem Van, der nicht sehr komfortabel war, wir übernachteten so gut wie nie in einem Hotel, wir schliefen in den Häusern der Leute, die die Konzerte organisierten. Das, was wir verdienten, reichte für das Benzin, um in die nächste Stadt zu fahren, und um die Ausgaben für die Tour zu bezahlen, und wir konnten vor ein paar Leuten spielen. Wir tourten wie eine amerikanische Band. Wir waren außerhalb der europäischen Komfortzone – mit Ausnahme von England, das in dieser Hinsicht den USA sehr ähnlich ist –, und nicht viele französische Bands wollten das tun. Aber wir haben es nicht bereut. Wir haben überall gespielt, wir haben eine Menge toller Leute getroffen und viele Bands, wir haben das ganze Land besucht. Das war wirklich ein sehr schöner Abschnitt unserer Bandgeschichte. Sub Pop und Alternative Tentacles haben wirklich viel für uns getan, wir sind ihnen immer noch dankbar.
Gab oder gibt es überhaupt andere französische Punk/Rock-Bands, die jemals vergleichbaren Erfolg in den USA hatten?
Ich bin mir nicht sicher, ob es eine französische Band gibt, die so viele Shows in Amerika gespielt hat wie wir. Oft treten Bands oder Sänger in New York und Los Angeles auf oder bei den ganz großen Festivals, wie DAFT PUNK oder Manu Chao zum Beispiel.
Ihr habt eure Platten mit einigen Legenden aufgenommen, wie Iain Burgess, Kurt Bloch, Butch Vig und Steve Albini. An was erinnerst du dich noch hinsichtlich der Arbeit mit diesen und welchen Einfluss hatten sie auf den Sound eurer Band?
Es ist wahr, dass wir mit ein paar wirklich tollen Leuten aufnehmen durften. Mit Butch Vig haben wir nur „Moon over Marin“ für eine DEAD KENNEDYS-Compilation aufgenommen, aber ich hätte wirklich gerne ein ganzes Album mit ihm gemacht. Er hatte „Nevermind“ mit NIRVANA aufgenommen und wäre sowieso viel zu teuer für uns gewesen. Ich erinnere mich, als ich ins Studio ging, sah ich keinen Bassverstärker. Butch brachte mich in den Keller, wo der Verstärker stand. Er hat ihn dort hingestellt, weil alles auf volle Pulle lief, der Boden vibrierte unter unseren Füßen, weil es so laut war. Wir haben zwei Alben mit Kurt Bloch gemacht, den wir sehr schätzten, eines davon in Seattle. Wir hatten gerade eine komplizierte Aufnahme mit Steve Albini hinter uns. Eine tolle Zeit. Es ist wirklich cool, einen Tonmann zu haben, der sich um die Band kümmert und immer gut gelaunt ist. Mit Iain Burgess war es eine sehr freundschaftliche Angelegenheit. Wir haben ihn zuerst in Chicago getroffen, dann haben wir ein Album mit ihm in Wales gemacht. Er hat dann später in einem alten Farmhaus in Frankreich in unserer Nähe sein Black Box Studio eingerichtet. Wir haben dort mehrere Platten gemacht. Er war ein wirklich toller Kerl, ich war wirklich traurig, als er starb. Ich denke, dass jeder von ihnen eine Menge in die Band eingebracht hat, was den Sound und die Arrangements angeht.
Wie hast du die zweite Hälfte der Neunziger Jahre erlebt? Die weltweite Musikszene hat sich verändert, der Grunge-Hype, der euch vielleicht geholfen hat, war irgendwann vorbei und melodischer Punk, Crossover und andere Stile wurden dominant.
Ja, du hast recht, ab Mitte der Neunziger Jahre hat sich vieles verändert. In Frankreich zum Beispiel hat die Rap-Musik die Dinge wirklich verändert. Die kleinen Vereine, die Konzerte oder Festivals organisierten, verschwanden und die Gemeinden bauten Spielstätten, um die Musikszene noch mehr zu professionalisieren. Der „Do It Yourself“-Geist verflüchtigte sich nach und nach. Für uns begannen die Plattenverkäufe zu sinken. Wir waren, glaube ich, müde nach all dem Touren und es gab einige Probleme zwischen uns, keine ernsthaften, aber genug, um sich zu trennen. Zu dieser Zeit bekam ich meinen ersten Sohn Felix, der übrigens jetzt mit mir zusammen spielt. Christophe war auch gerade Vater geworden und wir wollten etwas Zeit zu Hause verbringen. Wir hatten auch unterschiedliche Vorstellungen. Die wenigen Lieder auf Französisch haben mir nicht gefallen. Also beschlossen wir, ein letztes Album und eine letzte Tour zu machen.
Welche Rolle spielten die Plattenfirmen im Laufe der Jahre? Ihr habt Platten selbst veröffentlicht, ihr hattet ein Label in Großbritannien, in den USA, Gougnaf Mouvement und Virgin in Frankreich und zuletzt Nineteen Something.
Das Wichtigste bei der Wahl eines Labels war für uns, dass sie uns das machen ließen, was wir künstlerisch machen wollten, und dass sie nichts ohne unsere Zustimmung machten. Wir wollten die Kontrolle über alles haben. Gougnaf war das erste Label, das LES THUGS unter Vertrag genommen hat, das ist der Anfang der ganzen Geschichte, und danach hatte jedes Label seine Bedeutung. Vinyl Solution in England bedeutete den Durchbruch in Europa und Sub Pop den in den USA. Wir wollten immer mit Leuten arbeiten, die die Band wirklich mögen, nicht nur mit Geschäftsleuten. Alle diese Labels haben uns immer vertraut und wir haben ihnen vertraut. Wir haben eng zusammen gearbeitet. Einige von ihnen haben durch die Veröffentlichung unserer Platten viel Geld verloren, und ich kann ihnen nur sehr danken für alles, was sie für uns getan haben. Es sind auch und vor allem Begegnungen mit Menschen, die ihren Beruf mit Leidenschaft ausüben und die zu Freunden geworden sind. Leider sind viele Jahre seitdem ins Land gegangen und wir haben uns aus den Augen verloren.
Im Dezember 1999 war dann alles vorbei. Warum, und wie waren deine Gefühle?
Ich war sehr traurig. Ich erinnere mich, dass ich sehr geweint habe, als wir „I love you so“ als letzten Song des letzten Konzerts der letzten Tour gespielt haben. Ich bin ein Jahr lang zu Hause geblieben, meine Frau hat gearbeitet und ich habe mich um Felix gekümmert. Ich habe für lange Zeit keinen Bass mehr angefasst und war acht Jahre lang in einer Straßentheatergruppe. Wir tourten durch die ganze Welt, bis Eric mich eines Tages anrief und mir sagte, dass Jon von Sub Pop wollte, dass wir 2008 die Band für das zwanzigjährige Jubiläum des Labels in Seattle wieder zusammenbringen. Ich habe sofort ja gesagt. Wir haben auch einige Dates in Frankreich gehabt, es war toll, und ich habe gehofft, dass wir weitermachen, weil alle es toll fanden. Aber das taten wir dann nicht. Das war der Deal zwischen uns. Ich hätte mehr gemacht, Thierry auch, glaube ich, aber Christophe und Eric wollten nur sechs, sieben Shows spielen und dann aufhören. Wir haben dann unsere Instrumente weggelegt.
Wie ging es bei euch allen musikalisch weiter?
Thierry hat nie wieder in einer Band gespielt, seine Gitarren und Verstärker stehen in seiner Garage. Christophe hat ein paar Songs mit einer Band gemacht und eine 7“ auf Nineteen Something veröffentlicht. Eric und ich haben ein Album unter dem Namen JIVE PUZZLE aufgenommen, musikalisch ist das aber völlig anders als LES THUGS. Vor drei Jahren gründeten wir dann LANE mit zwei Mitgliedern von DARIA, einer großartigen Band aus Angers sowie meinem älteren Sohn Felix. Da keiner von uns singen konnte, rief ich Eric an, er hörte sich die Songs an, die wir gemacht hatten, und er sagte zu. Wir haben seitdem eine 4-Track-EP und zwei Alben veröffentlicht.
Im Jahr 2016 gab es mehrere Wiederveröffentlichungen auf Nineteen Something. Warum habt ihr entschieden, dass eure Musik wieder auf Vinyl erscheinen sollte?
Eric und Franck haben zusammen das Label Nineteen Something gegründet. Sie stellten fest, dass viele französische Bands aus den Neunzigern nicht auf den Internet-Musikplattformen wie Spotify oder Deezer vertreten waren und dass ihre Platten nicht mehr in den Läden erhältlich sind. Eric wollte auch alle LES THUGS-Alben auf CD und Vinyl neu rausbringen, mit einigen unveröffentlichten Tracks, um die Releases interessanter zu machen. Er erkannte, dass es eine Nachfrage für die Band und vor allem für Vinyl gab, da viele Leute sich wieder Plattenspieler kauften. Seit 2016 hat er eine ganze Reihe von LES THUGS-Platten verkauft.
2018 kamen du und Eric mit LANE zurück, du erwähntest es bereits. Ich mag sowohl „Teaching Not To Pray“ als auch „A Shiny Day“. Was ist die Idee und das Konzept dieser Band?
Eines Tages im Jahr 2017 hörte ich Felix in seinem Zimmer ein Gitarrenriff spielen, ich fand es richtig cool, ich nahm meine Gitarre und spielte die Akkorde dazu. Wir spielten dann zusammen diesen Song „Teaching not to pray“ ein. Dann hörte ich mir einige Lieder an, die ich auf meinem Computer aufgenommen hatte, und Felix und ich dachten, es wäre schön, Etienne und Camille zu bitten, sie gemeinsam mit uns zu spielen. Etienne an der Gitarre und Camille am Schlagzeug. Bei uns vieren hat es sofort klick gemacht, aber keiner von uns wollte singen, also haben wir Eric gefragt, der ja gesagt hat. Die Grundidee war einfach, mit Freunden zu spielen und wieder Konzerte zu geben. Also nahmen wir zu Hause eine 4-Track-EP auf und wir verkauften mehr als wir dachten Wir fanden dann einen Tourmanager, der ein Freund von uns ist, und zogen wieder los mit den zwei Soundjungs, die bei LES THUGS dabei waren, und einem fürs Licht. Wir haben eine Menge Gigs gespielt, und im Juni 2020 haben wir nach „Teaching ...“ und „A Shiny Day“ das Album „Pictures Of A Century“ veröffentlicht, auf Vicious Circle. Wegen Corona waren wir leider bislang nicht in der Lage zu touren. Im Moment arbeiten wir an einem neuen Album, das wir hoffentlich im Februar 2022 in Iain Burgess’ Black Box Studio mit J. Robbins von JAWBOX aufnehmen werden. Hoffentlich können wir danach noch ein paar Gigs spielen. Warum nicht auch in Deutschland? Das wäre toll.
Letztes Jahr ist das Buch „Les Thugs Radical History“ in Frankreich und auf Französisch erschienen. Wie kam es an, wer hat es geschrieben und warum ist es wichtig, sich an die Band zu erinnern?
Das Buch kam sehr gut an, es hat sich viel besser verkauft als erwartet. Der Autor, Patrick Foulhoux, ist ein alter Freund, er war schon immer sehr nah dran an den Rockbands in Frankreich. Als wir die Band gründeten, sagte Eric immer: „Ich will nicht berühmt sein, ich will nur in Erinnerung bleiben.“ Und ich denke, das hatten wir schon erreicht, bevor Patrick das Buch geschrieben hat. Wir waren sehr überrascht, aber sehr glücklich, dass er es vorgeschlagen hat. Es ist seltsam, wenn jemand eine Biografie über das schreiben will, was du getan hast. Wir sind während unserer Karriere immer sehr bescheiden gewesen, wir wollten uns nie in den Vordergrund drängen. Sein Buch ist wirklich gut, er hat hart daran gearbeitet und wir sind sehr zufrieden damit.
Rereleases, ein Buch und keine Reunion, keine Shows? Nie und nimmer?
Nein, dieses Mal ist es vorbei!
Wenn jemand anfangen möchte, eure Band zu entdecken, welche Veröffentlichungen würdest du empfehlen?
Vielleicht fängst du damit an, dir die Dokumentation „Come On People!“ anzuschauen, die unsere Geschichte wirklich gut erzählt. Dann hörst du dir die Platten in der Reihenfolge des Erscheinens an, von „Radical Hystery“ bis „Tout Doit Disparaître“.
Diskografie
„Radical Hystery“ (LP, Closer, 1986) • „Electric Troubles“ (12“, Vinyl Solution, 1987) • „Still Hungry Still Angry“ (LP, Decoy, 1989) • „I.A.B.F.“ (LP/CD, Decoy, 1991) • „As Happy As Possible“ (CD/LP, Sub Pop, 1993) • „Strike“ (MC/LP/CD, Roadrunner, 1995) • „Nineteen Something“ (CD/LP, Labels, 1997) • „Tout Doit Disparaître“ (CD/LP, Labels, 1999) „Come On People!“ (LP/CD, Slow Death/Crash Disques, 2012) • „Live Paris 1999“ (CD, Nineteen Something, 2020)
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