LASTING TRACES

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Schwarzwaldpunks im Asien-Knast

Ob LASTING TRACES schon 2007 geplant hatten, fünf Jahre später – nach Demotape, erster EP, einer Split-Single mit WAY DOWN und dem Debütalbum „Old Hearts Break In Isolation“ – eine Nacht auf einer indonesischen Polizeiwache zu verbringen? Wohl kaum. Jedenfalls hat sie ihr von Bands wie MODERN LIFE IS WAR, KILLING THE DREAM oder VERSE inspirierter Hardcore 2012 genau dorthin verschlagen. Ihre neue 7“ „Elements“, erschienen auf Demons Run Amok, stellt nun einen Schritt weg vom alten LASTING TRACES-Sound dar – mehr Klargesang, mehr Struktur und ein neuer Drummer. Doch zurück zu den Knastgeschichten: Nachdem zuvor Europa von England bis an den Ural beackert wurde, galt es letztes Jahr Neuland zu erkunden. Über ihre Abenteuer auf Tour in Südostasien unterhielt ich mich mit Thomas, dem Sänger der „Black Forest Punks“.

Wie kommt man vom Schwarzwald nach Indonesien?


Zunächst einmal war es so, dass wir über diese ganzen sozialen Netzwerke in Kontakt mit Leuten aus Südostasien gekommen sind, sei es, dass sie uns geschrieben haben, dass sie unsere Mucke cool finden oder Merch bestellt haben. Einige haben eben auch geschrieben, dass wir mal rüberkommen sollen. Das war für uns erst mal ganz weit weg, völlig unrealistisch. Bis dann Teuku, der Betreiber einer kleinen D.I.Y.-Booking-Agentur, auf uns zukam und vorgeschlagen hat, dass er uns eine Tour bucht und alles vor Ort organisiert, einzig und allein um die Flüge sollten wir uns kümmern. Und dann standen wir da plötzlich, jeder mit einem kleinen Rucksack mit Klamotten, zwei Koffern mit Merch und unseren Instrumenten am Flughafen.Am nächsten Tag sind wir dann in Bangkok gelandet und haben unsere erste Show gespielt, nur um direkt weiter nach Malaysia zu fliegen. In Indonesien ist Teuku dann zu uns gestoßen und mit uns durchs Land getourt.

Gibt es irgendwelche Unterschiede im Prozedere zwischen europäischen Shows und denen in Südostasien?

Die Promoter an sich haben das gleiche gemacht, wie auch alle in Europa – sie haben sich um Essen gekümmert, Schlafplatz und eben den Transport. Der Ablauf ist aber schon anders. Wenn bei uns an einem Wochentag eine Hauptband mit ein oder zwei Vorbands spielt, ist es in Indonesien so, dass eine Hauptband mit zwanzig Vorbands spielt, über das gleiche Equipment, die gleichen Gitarren, das gleiche Schlagzeug und so weiter. Wenn eine Band mit ihren drei oder vier Liedern fertig ist, übergibt man die Gitarre an die nächste und fünf Minuten später geht’s weiter. Da mussten wir unsere soundtechnischen Ansprüche natürlich ein wenig zurückschrauben, haha. Teilweise stand dort der grottigste Amp, dafür hatte ich ein Funkmikrofon.

Wie hat das Publikum auf euch reagiert?

Die waren superenthusiastisch, in Thailand und Malaysia kannten die sogar teilweise unsere Texte. In Indonesien war das dann mehr so ein Happening: „Hey, da kommt ’ne europäische Band, die macht Krachmusik, geil!“ Da wurde dann rumgetanzt und es gab Stagedives, wir mussten Fotos machen und sogar Autogramme geben, nicht nur eins oder zwei, teilweise hat jeder von uns am Abend siebzig- oder achtzigmal einen Stift in der Hand gehabt.

Ich hab auf Facebook das Bild von dem Riesenbanner gesehen, das über irgendeiner Straße in Indonesien hing, auf dem ihr als „Rock Sensation“ angekündigt werdet ...

Ja, das war der krasseste Tag auf der Tour. Wir hatten eine 15-stündige Busfahrt hinter uns, sind morgens um elf in der Stadt angekommen und haben dann erst gemerkt, dass wir in einem Novotel Hotel spielen würden. Da haben wir dieses Riesenplakat gesehen: „Ach du scheiße, das glaubt uns daheim keiner, die denken noch, dass wir die dafür bezahlt haben!“ Haha. Dann hatten die unten im Hotel tatsächlich eine Bühne aufgebaut. Die Location war eigentlich für tausend Leute ausgelegt, es kamen „nur“ achtzig, das war dann ein bisschen komisch. Dummerweise ist dann durch die große Werbung ein Polizist darauf aufmerksam geworden, dass das erste Mal seit zehn Jahren eine europäische Band in der Stadt spielt. Der hat uns die Reisepässe abgezockt, mit der Begründung, dass unser Visum nicht dafür ausreicht, Musik machen zu dürfen, wir würden dafür ja schließlich Geld bekommen. Dass das Geld für den Transport gedacht war und nicht für uns, war ihm jedoch egal. Also saßen wir fünf oder sechs Stunden auf der Polizeiwache fest, nachts. Irgendwann wurde uns klar, dass der Polizist eigentlich nur Geld von uns haben wollte. Entweder wir müssen am nächsten Morgen das Land verlassen – und die halbe Tour absagen – oder wir nennen die richtige Zahl. Irgendwann ist der aber auf seinem Stuhl eingepennt und einer seiner Kollegen hat uns für 400 Euro rausgelassen. Aber bis auf die Geschichte mit den Reisepässen hatten wir relativ wenig Probleme.

Ihr habt auch schon in Weißrussland gespielt, das ist genau wie Indonesien ein autoritär regiertes Land. Kann man das vergleichen?

Weißrussland ist auf jeden Fall heftiger. 2011 waren wir alleine auf Tour und hatten am Tag zuvor in Polen gespielt, wo wir die Info bekamen, dass der Veranstalter in Weißrussland inhaftiert wurde, weil er gegen Lukaschenko protestiert hatte. Die Show wurde deshalb auch abgesagt, so wurde das zumindest von einem Kumpel des Promoters kommuniziert. Dieser hat aber immerhin noch eine Art Proberaum-Gig für uns organisiert, in einer Garage, in irgendeinem Hinterhof. Es gab aber wohl auch schon Konzerte, wo die Polizei ankam, die Location abgeriegelt und alle verhaftet hat. Dabei bleibt es dann aber nicht, in Weißrussland sagt die Polizei auch deinem Arbeitgeber Bescheid und so bist du dann auch im Handumdrehen arbeitslos, nur weil du auf dem falschen Konzert warst. In Weißrussland musst du auch wirklich auf der Straße aufpassen, dass du dich ruhig verhältst, sonst ist Stress vorprogrammiert.

Wie sieht die Szene in Südostasien aus? Sind da die gleichen Trends aktuell? Spielen Sachen wie Straight Edge oder Vegetarismus/Veganismus dort eine Rolle?

Im Endeffekt hören die alle die gleiche Musik wie wir hier, durch das Internet hat man ja mittlerweile auf der ganzen Welt Zugang zu Musik von überall her. Teilweise hatten die dann sogar Shirts von befreundeten deutschen Bands an wie EMPTY HANDED oder SENDING LIGHTS aus Würzburg, das war krass. Vegetarismus oder Veganismus ist dort allerdings nicht so das Thema, weil alle viel zu sehr auf Hühnchen abfahren, haha. Straight Edge liegt da vielleicht ein wenig näher, auch weil viele aufgrund ihres muslimischen Glaubens überhaupt nicht trinken. Rauchen und Hühnchenessen sind aber auf jeden Fall beliebt.

Was hast du von der Tour mitnehmen können an Erfahrungen oder Eindrücken?

Überwältigend war auf jeden Fall die Dankbarkeit der Leute, für die war das wirklich was ganz Besonderes, dass wir da spielen. Wenn ich hier auf eine Show gehe, dann hänge ich ein bisschen rum und höre mir die Musik an. Dort drüben haben die Leute lange Fahrten auf sich genommen und viel Geld, von dem sie nicht viel haben, dafür ausgegeben, uns zu sehen oder um sich ein T-Shirt zu kaufen. Da regt man sich dann auch nicht mehr drüber auf, dass das Equipment vielleicht mal nicht so gut ist und gibt 100%. Man lernt andere Leute und Kulturen kennen, man baut teilweise auch Vorurteile ab, die man vielleicht hatte, gerade wenn man in so ein muslimisch geprägtes Land fährt. Da denkt man sich: „Oh Gott, sind das alles Islam-Fanatiker?“ und am Ende merkt man, dass alles halb so wild ist und alle einfach nur nett und zuvorkommend, aber auch interessiert sind, an unserer Heimat, wie das alles bei uns so ist. Und das alles mit Hardcore als gemeinsamem Nenner.