Hartnäckigkeit zahlt sich manchmal aus. Im Fall von THE LAST GANG dauerte es knapp zehn Jahre, dann bekam Brenna Red unverhofft einen Anruf von Erin Burkett mit dem Angebot eines Deals mit Fat Wreck Chords und damit die Möglichkeit, ihre Musik einer breiteren Hörerschaft zugänglich zu machen. Nach mehreren anderen Projekten scheint die Sängerin und Gitarristin mit Sean Viele am Bass und Robert Wantland am Schlagzeug eine beständige und hart arbeitende Truppe zusammengestellt zu haben, die mit „Keep Them Counting“ ein exzellentes Punkrock-Album eingespielt hat. Da dieses momentan in den USA ausgiebig betourt wird, beantwortet Brenna meine Fragen von unterwegs. Oder wie Joe Strummer sagen würde: „Everybody’s looking for last gang in town.“
Brenna, du hast schon auf der Highschool Schlagzeug bei XENTRIX gespielt, danach bei CIVET. Was brachte dich als Teenager dazu, ein Instrument zu lernen?
Mein Bruder hat mir Schlagzeugspielen beigebracht, als ich zwölf Jahre alt war. Er brauchte jemanden, der ihn an der Gitarre begleitete, konnte aber niemanden finden. Also nahm er mich.
Das Girlie-Image von CIVET langweilte dich später. Warum?
In jungen Jahren zu touren, war super. Mit zunehmendem Alter nahm ich immer mehr die Beschränkungen wahr, denen wir mit dem Mädchen-Image von CIVET unterworfen waren. Wir spielten Rollen. Immer Kleider zu tragen, hat genervt. Ich bin zwar eitel, aber das ging mir dann doch zu weit.
Nachdem du CIVET verlassen hattest, bist du auf die Gitarre umgestiegen und fingst an zu singen. Wieso?
Ich wollte vorne an der Bühne stehen und einen direkteren Bezug zum Publikum haben. Früher bin ich vor meiner tiefen Stimme selber fast zusammengezuckt. Als Teenie wurde ich deshalb öfters gemobbt. Ich musste erst lernen, meine Stimme einzusetzen, anstatt sie zu verbergen. Mit dem Singen anzufangen, war so gesehen der letzte konsequente Schritt.
THE LAST GANG und deine vorige Band FICTION REFORM werden häufig mit den DISTILLERS verglichen. Nervt dich das?
Es gibt Tage, an denen ich es wirklich nicht mehr hören kann. Schlussendlich bin ich aber dankbar dafür, dass Leute sich für unsere Musik interessieren und sie hören. Dann ist es auch egal, über welchen Vergleich sie über uns gestolpert sind. Es ist ein Kompliment an unsere Arbeit als Musiker.
Bei FICTION REFORM warst du nur für die Texte zuständig, bei THE LAST GANG bist du in das komplette Songwriting involviert. Was liegt dir mehr?
Wenn es um Musik geht, fühle ich mich in jeder Rolle wohl. Es ist dieses totale Durchdrehen, egal ob ich Texte in die Welt rotze oder auf meine Gitarre eindresche. Der Effekt ist der Gleiche. Ich fühle mich beidem gleich intensiv verbunden.
Warum haben sich THE LAST GANG 2009 aufgelöst und sind dann wieder zusammengekommen?
Es war irgendwie die Luft raus. Keine echte Krise, aber Stagnation auf allen Ebenen. Und dann heuerten FICTION REFORM mich als Sängerin an, also hielt ich es für besser, einen komplett anderen Weg einzuschlagen. Als bei FICTION REFORM dann richtig Bewegung in die Sache kam, verliefen THE LAST GANG mehr und mehr im Sande. Dann kriselte es bei FICTION REFORM und alles ging sehr abrupt zu Ende. Ich rief unter Tränen meinen alten Freund Robert an, den Drummer von THE LAST GANG, und fragte, ob er Lust hätte, die Band wiederzubeleben. Wir hatten zuvor niemals einen Streit oder irgendwelche musikalischen Unstimmigkeiten gehabt und ich wollte einfach wieder zurück in dieses positive, gesunde Umfeld. Dieses Mal nahmen wir uns vor, das Ding auf das nächste Level zu hieven, mit klaren Zielvorstellungen.
Ist Freundschaft demnach der Schlüssel zum Erfolg?
Definitiv! Es gibt keinen Platz für eine ,,Fuck you, me first!“-Einstellung. Zusammenhalt ist die treibende Kraft, nicht nur in der Musik, auch im Privaten. Alleine kannst du gar nichts bewegen. Und wir müssen uns unterstützen und gegenseitig aufhelfen, um erfolgreich zu sein. Ich glaube nicht, dass man wirklich mit einer Sache glücklich sein kann, wenn man sie auf Kosten anderer erreicht hat.
THE CLASH scheinen ein elementarer Einfluss für deine Musik zu sein. Kannst du dir vorstellen, wie dein Songwriting wäre, wenn du niemals ein Stück von Joe Strummer gehört hättest?
Keine Ahnung. Strummer hat meine Neugier auf Punk geweckt, die Harmonien, die rotzige Attitude, Telecaster-Gitarren, die Bescheidenheit, Texte und Wortspiele. Ich bedauere es sehr, niemals die Chance zu haben, mit Joe Strummer aufzutreten oder Musik mit ihm zu machen. Das wäre das absolut Größte für mich gewesen.
Du hast auch einige Solosachen veröffentlicht, unter anderem mit dem früheren CIRCLE JERKS- und BAD RELIGION-Gitarristen Greg Hetson. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Brian Thoryk, ein guter Freund von mir und Punkrocker der alten Schule, liebt es, Stücke zu schreiben und zu produzieren. Er sprüht nur so vor Ideen und versucht, so viele wie möglich davon umzusetzen. Die Nummer mit Greg Hetson heißt „Punk rock christmas“. Brian suchte dafür eine Sängerin und fragte mich. Quasi eine Auftragsarbeit. Da Brian Gott und die Welt kennt, hatte ich das Vergnügen, mit Greg Hetson zu arbeiten.
„Keep Them Counting“ ist der Titel des neuen Albums, was bedeutet er?
„Keep Them Counting“ kann mehrere Bedeutungen haben. Eine davon ist, dass die Reichen reich bleiben und man die Massen klein hält, indem diese in ständiger Existenzsorge leben müssen. Immer nach dem Motto: Arbeite hart, dann kannst du es auch schaffen. Dieser Bullshit lässt sie sich an dem Wenigen festklammern, das sie haben. Wenn wir uns ständig um uns selbst drehen, erkennen wir nicht, wie wir und das Land ausgenutzt werden.
Welche Geschichte steckt hinter dem Song „Believe in the poet“?
Eine thematische Fortsetzung dieses Problems. Eine Mehrdeutigkeit. Ich habe eine eher phlegmatische Sicht auf die Zukunft, bin aber im Kern Optimistin. Ich glaube nur nicht an eine grundlegende Veränderung, weil das System zu übermächtig ist. Wir sind alle so kleine Rädchen im System. Aber man kann nie wissen, denn eine laute und von vielen gehörte Stimme kann vielleicht eine Veränderung bewirken. Ein Funke kann reichen, daher muss man es einfach versuchen. Die Überzeugung liegt im permanenten Versuch, unter schlechten Bedingungen kleine Verbesserungen zu erreichen.
Wer ist Karla aus dem gleichnamigen Stück von euch?
Karla war ein wundervoller Mensch. Ein Rockstar auf ihre eigene Art und Weise. Wir sind zusammen in der Punk-Szene von Orange County großgeworden und, ich schwöre, wirklich jeder kannte sie. Sie war der Mittelpunkt jeder Party, eine knallharte Frau. Gegen sie war ich die reinste Sissy. Aber sie hatte diese mitreißende Form von Weiblichkeit. 2013 ist sie bei einem nächtlichen Motorradunfall ums Leben gekommen. Ihr Tod hat ein unbeschreibliches Loch bei ihrer Familie und ihrem Freundeskreis hinterlassen.
Wie kommt es, dass der ehemalige MOTÖRHEAD-Gitarrist Wizzö Campbell auf dem Album zu hören ist?
Das ist über mehrere Umwege passiert. Unser Produzent Cameron Webb kennt ihn gut, denn er hat mehrere MOTÖRHEAD-Alben produziert. Er hatte diese Vision von einem Partyende inklusive dreckigem Rock’n’Roll-Gitarrensolo für unseren Song „Salvation for wolves“. Ich spiele aber keine Soli. Cameron ließ die Idee nicht los und er fragte Phil. Der hörte das Album und kommentierte es mit „Bunch of cunts singing into their hairbrushes ... I love it!“ Eine treffendere Beschreibung von uns habe ich noch nicht gehört. Er nahm in England ein paar Riffs auf, schickte sie zu Cameron und wir legten sie über das Outro des Songs.
Das Frontcover zeigt euch drei in eurem Tourvan. Betrachtet ihr euch eher als Liveband?
Das trifft es genau auf den Punkt. Unterwegs zu sein, liegt uns im Blut. Obwohl ich die Studioarbeit mag, bin ich besessen vom Touren. Gestern erst sind wir von Kanada zurück nach Orange County gefahren. Mit einer siebenstündigen Pause in Oregon war es eine zwanzigstündige Fahrt. Neun Personen, gequetscht in einen Ford Econoline E150, plus Gepäck, Instrumente und Merchandise. Aber das ist es wert!
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