Im Song „Coyote Conundrum“ von seinem aktuellen Album „La Araña Es La Vida“ („Die Spinne ist das Leben“) mit den PINK MONKEY BIRDS singt Powers: „We’ll have a good time/and we want it to be real“. Das zeigt deutlich das Misstrauen des Punks gegenüber der Kommerzialisierung, der Manipulation der Medien, der Star-Verehrung und den aufgeblasenen Egos, die so was begünstigt. Es reicht nicht, Spaß zu haben; es gibt so viel Scheiße, die sich in der populären Musik angehäuft hat, so viel Raum für Illusionen, Verwirrung und völlige Falschheit, dass du einen Weg finden musst, die dreckigen primitiven Wurzeln freizulegen. Wenn etwas hübsch verpackt ist, ist es bestimmt eine Lüge! Denn wir wollen, dass unsere Musik echt ist, so einfach ist das. Es ist also kein Wunder, dass so viele Leute aus dem Punk irgendwann die Wurzeln der Musik für sich entdecken: von Blues, Country und Rockabilly bis Garage-Rock und primitiven Psych-Sounds. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Bands, mit denen Kid Congo hauptsächlich in Verbindung gebracht wird – THE CRAMPS, THE GUN CLUB und NICK CAVE AND THE BAD SEEDS – ihren Beitrag dazu geleistet haben. „Denn“, wie Kid Congo anmerkt, „es gab keine wirkliche psychedelische Rockabilly-Band vor den CRAMPS und es gab keine wirkliche Punk-Blues-Band vor THE GUN CLUB.“ Kid Congo sieht seine Aufgabe darin, die Traditionen seiner früheren Bands am Leben zu erhalten: „Ich führe nur fort, was andere begonnen haben.“ Und er macht einen verdammt guten Job dabei.
Lass uns über ein paar Fotos reden können, die Bev Davies gemacht hatte, als du 1981 mit den CRAMPS hier in Vancouver im Commodore gespielt hast. Erinnerst du dich noch an diese Show?
Ich kann mich erinnern, dort gewesen zu sein, allerdings nicht daran, was passiert ist. Ich habe eine Menge Shows gespielt.
Du spieltest da eine Gitarre mit einem Fledermaus-Stencil.
Oh ja, das war eine Ibanez Explorer oder eine Destroyer oder so was in der Art. Es war die Kopie einer Gibson, mit so einer Art Biker-Fledermaus als Deko. The CRAMPS hatten diese Gitarre bereits, ich habe sie also nicht gekauft, sie wurde mir überlassen. Und sie hatten eine Gibson Explorer mit derselben Form. Die Ibanez war nur eine andere Marke und ich hatte sie während meiner gesamten Zeit mit den CRAMPS.
War das die alte Gitarre von Bryan Gregory?
Ich bin mir nicht sicher. Ich war 21 Jahre alt und habe nicht gefragt. Ich dachte nur, die CRAMPS haben mich gefragt, ob ich sie spielen will, also nehme ich die Gitarre. Ich war nicht so neugierig in dem Moment, ich fand es zu aufregend.
Du hast ein sehr interessantes Schmuckstück umhängen, ein Zahn?
Ich hab einige Zahnketten. Ich hab auch Ketten aus Knochen, die ich in einem Santería-Laden gekauft habe, eine latino-kubanische-südamerikanische Hexenkraft, die sie, womöglich, in Zeremonien benutzen. Von welchem Tier der Zahn ist? Ein Huhn? Eine Ziege? Keine Ahnung.
Als ich Chris Desjardins interviewte, redeten wir über das Backcover des ersten GUN CLUB-Albums „Fire Of Love“, und da sind all diese Santería-Flaschen abgebildet. War Santería eine große Sache damals in Los Angeles? Du hast ja auch deinen Namen durch eine Santería-Kerze bekommen, richtig?
Wir versuchten, einen CRAMPS-Namen für mich zu finden, weil ich immer noch Brian Tristan war zu der Zeit. Wir fragten irgendwie jeden und so kam eine verrückte Liste zustande – von Namen wie „The Thing“ über „Brian Gris-Gris“ bis „Mr. Tristan“, alles Mögliche. Lux und Ivy hatten diese Congo-Chango-Kerze zu Hause und Lux musterte sie – er war immer jemand, der Leuten Rollen zuordnete – und sagte: „Wenn du diese Kerze anzündest, wird die Congo-Kraft sich dir offenbaren.“ Und er überlegte kurz: „Congo Powers, das ist jetzt dein Name!“ Es klang großartig, und dann ergänzte wir „Kid“, in Gedenken an Kid Thomas, einen verrückten R&B-Sänger mit einer gigantischen Schmalzlocke. Er sah total umwerfend aus. Und „Kid“ wie Johnny Kidd & THE PIRATES, das klang super.
Auf den Alben wurdest du immer nur als Congo Powers aufgeführt.
Ja, mein CRAMPS-Name war Congo Powers, und Kid Congo gab es, um die Leute zu verwirren. Es war der informelle Name. Ivy war eigentlich Poison Ivy Rorschach, aber daraus wurde einfach Poison Ivy.
Was ist das für ein Hut, den du auf dem Backcover vom CRAMPS-Album „Psychedelic Jungle“ trägst?
Das ist ein typischer spanischer Bolero-Hut, nichts Besonderes. Der war Teil meines Stils und rundete meinen Look ab. THE CRAMPS hatten immer maßgeschneiderte Klamotten. Es ging gar nicht darum, dass es selbstentworfen war, sondern nur darum, dass es nicht alle trugen.
Du hast auf diesen Fotos auch eine ziemlich pompöse Frisur. War das der Stil, den du hattest, bevor du bei THE CRAMPS warst?
Die Frisuren waren mir immer wichtig. Aber bevor ich bei THE CRAMPS war, gab es da eine Punkband aus Kalifornien auf Dangerhouse Records namens THE DILS, mit denen ich gut befreundet war und mit denen ich oft abhing. Die nannten mich immer „Brian Haircut“. Ich hatte nämlich ständig eine andere Frisur. Aber als ich zu den CRAMPS kam, hatte ich bereits meinen Stil gefunden. Sie hätten mich sonst gar nicht genommen. Ich war immer ein stilbewusster Bursche. Als ich in der ersten Klasse war, verkleideten mich meine Schwestern als das Model Twiggy für Halloween. Dafür habe ich dann in der Schule den ersten Preis gewonnen. Ich habe mich immer gestylet, so habe ich meine Drag-Phase früh hinter mich gebracht. Dieser ganze androgyne Look war mir also nicht fremd.
Wie hast du die CRAMPS entdeckt?
Das muss mit 18 oder 19 gewesen sein. Ich ging nach New York mit ein paar typischen Kids der Siebziger, die von der Max’s Kansas City- und CBGB’s-Szene angezogen wurden. Wir stiegen mit einem 69-Dollar-Ticket in den Greyhound-Bus nach New York und hatten dort nichts als einen Kumpel, wo wir übernachten konnten. Wir gingen auf viele Konzerte und eine Band, die ich dabei entdeckte, waren die CRAMPS. Zu dieser Zeit kannte ich Jeffrey noch nicht, aber ich ging nach sechs Wochen oder so nach L.A. zurück und traf ihn bei einem PERE UBU-Konzert wieder. Wir hatten uns bereits vorher gesehen, weil ich in einem Plattenladen arbeitete, bei Bomp! Records von Greg und Suzy Shaw, wo Jeffrey ab und zu vorbeischaute. Und auch wenn wir keine Freunde waren, war er immer ein freundlicher Kunde und wir redeten über Musik und so. Er stand zu dieser Zeit, in den späten Siebzigern, auf Reggae und kaufte ein paar Reggae-Alben. Wir sahen uns dann öfter bei Konzerten und bei dieser PERE UBU-Show standen wir dann nebeneinander in der Schlange, fingen an zu reden und gingen später noch einen trinken. Am Ende der Nacht meinte Jeffrey: „Lass uns eine Band gründen!“ Ich antwortete: „Okay! Ich habe zwar keine Ahnung, wie man spielt, aber ich bin dabei.“ Und nach einer kurzen Zeit begannen wir mit THE GUN CLUB aufzutreten. Wenig später sind dann THE CRAMPS nach L.A. gezogen und suchten einen Gitarristen. Ich hatte sie in New York getroffen und kam gut mit ihnen klar. Sie kannten mich als den Typen mit dem goldenen Lansky Brothers-Blazer –- Lansky Brothers war ein Laden in Memphis, in dem Elvis immer eingekauft hatte. Sie wussten also, dass ich diesen goldfarbenen Vintage-Seidenblazer hatte, einen langen, nach Teddyboy aussehenden Blazer, und sie waren ziemlich beeindruckt. Und als sie nach L.A. kamen, sagten gemeinsame Freunde von uns: „Dieser Typ hat eine coole Band, die solltet ihr euch ansehen.“ Lux und Ivy kamen also zu einer der ersten GUN CLUB-Shows, bevor es ein erstes Album gab, als unser ganzes Publikum aus nicht mehr als fünf Freunden bestand. Und so kamen wir uns näher. Aber Jeffrey und ich blieben natürlich Freunde. Ich sagte zu Jeffrey: „THE CRAMPS haben mich gefragt, ob ich in ihrer Band sein will, was soll ich tun?“ Ich fühlte mich irgendwie illoyal. Er sagte nur: „Machst du Witze? Wir spielen jede Nacht vor zehn Leuten und du hast die Chance, Mitglied in der besten Band der Welt zu werden.“
Als du Jeffrey beim PERE UBU-Konzert getroffen hast, hatte er da diese Debbie Harry-Frisur?
Nein, er hatte einfach nur dunkles Haar. Zu dieser Zeit war es Punk, ein gepunktetes Bob Dylan-T-Shirt mit einer karierten Krawatte zu tragen. Als ich ihn traf, sah er sehr seltsam aus, weil er einen Trenchcoat und weiße Stiefel trug, vielleicht waren das sogar Damenstiefel. Und eine große Deborah Harry-Tasche. Ich habe nicht weiter danach gefragt. Je schräger, desto besser!
War Jeffrey homo-, hetero- oder bisexuell?
Er war heterosexuell. Er hatte immer Freundinnen und war sehr treu. Und dann durchlebte er eine Phase, in der er von William Burroughs beeinflusst war, in der er entschied, bi zu sein. Es war komisch. Ich denke bei ihm gar nicht so sehr an eine sexuelle Person, aber er war generell sehr offen. Wo man es am meisten bemerkte, war in den Liedern, wo du denkst, der muss sich wohl auskennen mit Besessenheit und Sex.
Gibt es einen offen queeren Aspekt bei deiner Musik?
Natürlich! Ich habe keine Songs über Schwulenrechte geschrieben, aber es gibt einen großartigen Song auf dem ersten PINK MONKEY BIRDS-Album, in dem ich singe: „Even though your leather is cliché/I like what it has to say anyway“. Für mich ist Sexualität gleich Sexualität.
Glam war ein großer Einfluss für dich, oder?
Ja, und das ist auch der Grund, warum es niemals ein großes Ding war, schwul zu sein. Es wäre nur eine große Sache, wenn ich es dazu mache, aber in meinem Rock’n’Roll-Leben war ich 14 oder 15, als ich in Rodney Bingenheimer’s English Disco ging in Hollywood, und Glamrock hörte und natürlich David Bowie. Es war lustig, denn die Szene bestand fast nur aus älteren Männern, die einen auf schwul machten, um die Mädchen rumzukriegen. Aber rund um die Szene gab es auch viele Jungs und für uns war das sehr befreiend. Die Mädchen haben sich alle geküsst, und dank David Bowie und Lou Reed schien es okay zu sein, „to walk on the wild side“.
Im Film „The Decline of Western Civilization“ sieht man eine ziemlich homophobe Bühnen-Performance der Band FEAR – war das ernstgemeint?
Ich weiß es auch nicht, da ich sie immer komplett ignoriert habe, sie waren nicht Teil meiner Welt oder Szene. Ich kannte sie und hielt sie immer für irgendeine dumme Band. Ich war vielleicht ein bisschen snobistisch, was Musik anging. Ich wollte mich nur mit etwas beschäftigen, das Abenteuer verspricht und mich umhaut und für mich waren das nur ein paar Rüpel, die Radau machen. Mir war bewusst, dass die recht populär waren, aber ich wollte etwas anderes. Die Szene war klein, aber groß genug, dass du dich davon abgrenzen konntest. Als es mit Hardcore losging, da war ich bereits ein alter Sack mit 19 oder 20, aber ich habe mich nicht nur auf Los Angeles beschränkt. Es gab Leute in L.A., die ich mochte, THE WEIRDOS, THE SCREAMERS, THE BAGS und X natürlich. Da waren verschiedene Bands, die ich schätzte. Aber da waren auch viele Bands, die ich nicht mal beachtet habe.
Mochtest du Hardcore?
Nein. Das heißt, zum Teil. Ich mochte die CIRCLE JERKS, weil Keith Sinn für Humor hatte, auch bei BLACK FLAG. Ich fand einiges an der Musik ziemlich großartig. Es gab da die Band MIDDLE CLASS, die spielten so schnell, dass man es kaum noch Musik nennen konnte. Sie gelten als eine der ersten Hardcore-Bands überhaupt und es war lustig, als ich Jahre später Interviews mit ihnen gelesen habe, in denen sie sagten, das wäre ihnen gar bewusst gewesen, sie dachten einfach, Punkrock müsse so schnell gespielt werden. So nach dem Motto: „Wir wollten gar nicht Hardcore sein, wir hatten nur falsche Informationen, was die Schnelligkeit von Punk angeht. Wir mochten DEVO!“ Sie wollten so was spielen wie DEVO, nur super schnell.
Wie und wann kam es zu deiner ersten Begegnung mit den CRAMPS?
Das war war wahrscheinlich 1978 oder 1979. Meine Freundin Trudie Arguelles, eine Punkerin aus L.A. aus den frühen Punk-Tagen, hatte Familie in New York und schrieb mir von dort aus einen Brief, in dem stand: „Ich habe gerade die erstaunlichste Band überhaupt gesehen. Meine absolute Lieblingsband. Sie heißen THE CRAMPS. Es ist schwer, sie zu beschreiben, aber sie sind das Beste überhaupt. Komm schnell her, du musst diese Band sehen!“ Ich holte mir also wieder ein Greyhound-Ticket, saß drei Tage im Bus – und wurde nicht enttäuscht. Sie spielten im CBGB’s mit THE CONTORTIONS, in die ich mich auch sofort verliebte. Ohne dass sie Platten veröffentlicht zu haben, hatten sie eine große Fangemeinde. Ich traf sie also dort und sie waren sehr nett zu mir. Sie spielten da noch mit Bryan, und als ich sie in L.A. sah, spielten sie mit Julie, die zwischen mir und Bryan in der Band war. Ich kannte sie da schon, hatte bereits mit Nick Knox und Bryan LSD genommen. Als die CRAMPS dann in L.A. waren, sagten Bradley und sein Freund Kristian Hoffman, der in der New Yorker Band THE MUMPS war, dass sie unbedingt zu einem Konzert meiner Band gehen und mich zu ihrem Gitarristen machen sollen. Ich wusste lange nicht, dass es Bradley und Kristian waren, die quasi die Entscheidung für sie trafen. Zu dem Zeitpunkt spielte ich ja erst ein Jahr Gitarre.
Wurde das 1984 erschienene GUN CLUB-Live-Album „The Birth, The Death, The Ghost“ in dieser Zeit aufgenommen?
Ja, wahrscheinlich waren Lux und Ivy auch zu dieser Zeit im Publikum. Es gibt sogar irgendwo Aufnahmen von Lux – er hat viel archiviert und hat tausende Bands live aufgenommen. Und ich weiß, dass Dave Alvin von den BLASTERS sagte: „Oh ja, Lux war bei dem Konzert und hat Aufnahmen gemacht mit einem Kassettenrecorder, den er versuchte unter seinem Mantel zu verstecken.“ Es wird also zu dieser Zeit gewesen sein. Es gab nämlich eine frühere Version von THE GUN CLUB mit dem Namen THE CREEPING RITUAL.
Woher kam der Name THE CREEPING RITUAL?
Das hat sich so ergeben. Es war eine Art Dr. John-„Gris-Gris“-Referenz. „Gris-Gris“ war ein Album, das ich in dieser Zeit sehr mochte, eines der besten Alben aller Zeiten. Und auch ein großer Einfluss für THE GUN CLUB.
Wie denkst du über „The Birth, The Death, The Ghost“?
Da sind einige ziemlich rudimentäre Nummern auf dem Album. Wir wussten wohl nicht, was wir tun, dasselbe Riff, immer und immer wieder, dann stoppen, starten, stoppen, starten. Wir wussten nicht mal, wo das Album genau herkam. Wir glauben, dass es von Terry Graham kam, unserem Drummer. Seine Frau hat zu der Zeit alles aufgenommen. Es kam, glaube ich, erst nach „The Las Vegas Story“ raus, als ich gerade wieder in bei THE GUN CLUB eingestiegen war. Ich nehme an, sie wollten die Verbindung von THE CRAMPS mit THE GUN CLUB irgendwie herausstellen. Damals gab es viele Bootlegs. von THE GUN CLUB und THE CRAMPS, die waren sehr populär und verkauften sich gut. Aber die Leute haben wirklich jeden Scheiß veröffentlicht, das hatten wir nicht in der Hand.
Ist es interessant für dich, so frühe Aufnahmen zu hören?
Es ist interessant, da man hören kann, wie ich auf dem Album versage. Es ist unglaublich, dass eine Band wie THE CRAMPS mich dennoch haben wollte. Oder vielleicht hat ihnen gerade das gefallen, haha. Aber es macht Spaß, sich das anzuhören und an diese Zeit zu denken, weil wir damals Musik gemacht haben, einfach nur um Musik zu machen. Es war, als ob ich endlich eine Sprache gefunden hätte, um mich auszudrücken. Es ist also sehr aufregend. Es klingt wie die Hölle, ist laut und auch noch schlecht gespielt, aber es ist wie eine Geburt. Es ist nur eine kleine Momentaufnahme, wenn du dich für die Anfänge interessierst. Es ist vor allem eine Art Zeitdokument, das eigentlich eher ins Museum gehört.
Wo wir gerade über Bootlegs sprechen: Ich bin über eines von GUN CLUB aus den frühen Achtzigern gestolpert, das dann 2014 noch mal offiziell veröffentlicht wurde, „Destroy The Country“. Kennst du das?
Eine weitere miese Veröffentlichung! Aber die Scheibe ist okay. Die Aufnahme ist jedenfalls gut, vielleicht war es eine Radio-Show. Oder es hatte jemand gutes Equipment und stand genau an der richtigen Stelle oder so. Außerdem war auch die Performance ziemlich gut.
Auf dem Bandfoto des Covers von „Destroy The Country“ siehst du ganz anders aus als auf den Fotos, die Bev Davies von dir in Vancouver gemacht hatte: Du siehst fast so aus wie Stiv Bators, wirkst viel bedrohlicher. Hatte Stiv Einfluss auf deinen Look?
Hahaha! Nein, ich war nur ein Freund und auch ein Fan von ihm. Ich wollte mehr wie Ronnie Spector aussehen. Wie eine Mischung aus Ronnie Spector, den SHANGRI-LAS und all diesen „Bad-Boy“-Boyfriends, über die ich singe.
So siehst du heute gar nicht mehr aus. Du wirkst eher wie ein Bibliothekar oder ein Universitätsdozent.
Ja, ich trage jetzt eine Hornbrille!
Bist du generell an lateinamerikanischer Kultur interessiert? Angeblich warst du Fan von THEE MIDNITERS – waren sie eine Chicano-Band?
Das spielte sich bei mir mehr unterbewusst ab. Das liegt an meinen Teenagerjahren. Ich habe zwei ältere Schwestern, die viel Musik gehört haben, und eine ganzen Haufen Cousins, die alle in meinem Alter waren und Musik gemacht haben. Die fanden THEE MIDNITERS super. Ich dachte immer, ich weiß nicht wer THEE MIDNITERS sind, aber ich will sie live sehen, wenn ich groß bin. Sie waren Chicanos ... und THEE MIDNITERS waren für mich mehr das Produkt einer Teenager-Begeisterung und ich wusste damals als Zehnjähriger, das ist das, was ich möchte. Sie haben mich auf diese Weise also ziemlich geprägt. Und wenig später, kurz bevor ich selbst begann, Musik zu machen, fing ich wirklich an, sie zu hören, und erkannte, dass sie wirklich großartig waren. Ihr stampfender R&B-Sound war unglaublich aufregend, dynamisch und sogar richtig „heiß“. Wenn du in einer bestimmten Gegend aufwächst, prägt dich sowas.
Hat sich deine Familie eher mexikanisch oder amerikanisch gefühlt?
Wir sind in Amerika geboren und aufgewachsen und fühlten uns also nicht als Immigranten. Ich glaube, unsere Eltern wollten, dass wir als Amerikaner aufwachsen. Ich konnte kein Spanisch, bis ich in die Schule kam. Das einzige Spanisch, das ich kannte, waren die Wörter, mit denen uns unsere Eltern beschimpften, hahaha! Wir waren uns unserer Kultur durch unsere Großeltern bewusst. Aber meine Cousins hörten viel Jimi Hendrix, BLACK SABBATH und SMOKEY ROBINSON & THE MIRACLES. Ich hatte also viele verschiedene Einflüsse.
War deine Kindheit sehr katholisch geprägt, hat der Katholizismus Eindruck bei dir hinterlassen?
Ja, es ging ständig nur um Blut und Tränen . Was denkst du, warum die Gothic-Szene in L.A. so groß ist? Ich war der Jüngste in der Familie. Als ich aufwuchs, waren es meine Eltern schon leid, jeden Sonntag in die Kirche zu gehen und solche Sachen. Alle meine Cousins sind allerdings auf eine katholische Schule gegangen. Ich genoss keine super-katholische Erziehung, bei der ich beten oder die Bibel lesen musste, ich lernte allerdings, dass man Gott zu fürchten hat. Ich kann mich daran erinnern, dass im Haus meiner Großmutter ein großes – sehr großes! – Bild von Jesus mit Dornenkrone hing. Als Kind war der Anblick sehr beängstigend. Aber von klein auf habe ich die Dinge immer nach dem Motto betrachtet: Wow, das ist verrückt, das ist anders, das ist unheimlich, aber ich mag es ... Ich schreibe gerade an meinen Memoiren, der Titel wird „The Enjoyment of Fear“ sein.
Wusste deine Familie, dass du dich als Congo Powers nach einer Santería-Kerze benannt hast?
Meine Eltern wussten es, aber zu diesem Zeitpunkt war ich bereits auf dem Weg in eine andere Welt, ich sah meine Familie zu dieser Zeit nicht so oft. Meine Eltern kamen gut damit zurecht. Weißt du, meine Mutter war Künstlerin, sie war Malerin, und mein Vater arbeitete sein ganzes Leben als Schweißer in einer Stahlfirma. Aber sie waren sehr offen. Ich glaube, dass sie etwas enttäuscht waren, dass ich nicht einen normalen Beruf erlernte, sie unterstützten mich trotzdem. Sie haben außerdem Lux und Ivy ziemlich früh kennen gelernt und mochten sie. Vor allem Lux war sehr charmant. Er hat sich für meine Mutter sogar einen fiktiven Charakter ausgedacht. Er beschloss, meine Mutter Allura Monsanto zu nennen. Darauf war er durch eine Anzeige für Perücken der Firma Monsanto in einem Magazin gekommen, da gab es eine mit dem Namen Allura. Also meinte er: „Deine Mutter ist jetzt Allura Monsanto, eine mexikanische Vampirdarstellerin aus den Vierzigern und Fünfzigern.“ Sie kam aber damit klar ...
Es gibt großartige Videoaufnahmen von THE CRAMPS. Es ist faszinierend zu sehen, wie Lux sich von seiner Begeisterung mitreißen lassen konnte.
Ich glaube, wir wurden alle mitgerissen. Ich habe Menschen durchdrehen gesehen, verrückte Sachen auf der Bühne machen sehen. Meistens machst du es einfach und denkst nicht darüber nach. Es ist ziemlich intuitiv, sowohl physisch als auch mental. Weißt du, ich musste mich ja auch einfach darauf konzentrieren, wie ich die nächsten drei Noten zu spielen habe, das war meine größte Sorge.
Ich sah THE CRAMPS nur einmal live, in der Thunderbird-Arena der Universität von Vancouver, und es fühlte sich so an, als ob Lux Stress mit dem Publikum hatte. Man wusste aus dem Radio, dass er bei der Show davor gestrippt hatte, und das ganze Publikum rief vor der Zugabe: „Strip! Strip!“ Ich glaube nicht, dass er davon begeistert war.
Ich glaube, niemand wäre das. Ich glaube, niemand mag sich mit solchen Zwängen und Erwartungshaltungen konfrontiert sehen. Ich kenne das von THE GUN CLUB und da war es ist eine klare Sache: In dem Moment, in dem uns die Leute in eine bestimmte Schublade gesteckt hatten, wollte Jeffrey immer etwas komplett anderes machen. Das war eigentlich der Hauptgrund, weswegen wir überhaupt etwas Neues ausprobierten.
Teil 2 folgt in Ox #131
© by - Ausgabe # und 31. März 2021
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #130 Februar/März 2017 und Allan MacInnis
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #131 April/Mai 2017 und Allan MacInnis
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #67 August/September 2006 und Markus Kolodziej