Zum 20. Geburtstag haben „JAKA“ eine ganze Reihe alter Songs, die bislang nur in „zeittypischer“ Soundqualität vorlagen, neu aufgenommen. Ich bat Christof Kather, einige der kryptisch betitelten Songs aus diesem Anlass zu entschlüsseln und Sinn und Zweck der Aktion zu erläutern.
Christof, was steckt dahinter diesem Neuaufnahme-Projekt? Nostalgie, „Schreibblockade“, Faulheit oder die simple Tatsache, dass die alten Songs einfach grandiose Zeugnisse eurer Songwritingkunst sind?
Schreibblockaden kennen JAPANISCHE KAMPFHÖRSPIELE nicht, weil sie nie wirklich Songs geschrieben haben. Ganz selten sind einzelne Parts im Proberaum erjammt worden, niemals jedoch ganze Stücke. Der Grund dafür ist die pure Faulheit. Während andere Bands sich über Monate oder sogar Jahre mühsam etwas ausdenken auf ihren regelmäßig stattfindenden Proben, wobei sie wahrscheinlich noch demokratisch darüber abstimmen, welcher Part auf welchen folgt, und was sie dann, bevor es ins Studio geht, vorsichtshalber erst mal vorproduzieren, um ihre Freunde oder Eltern oder irgendein Management darüber entscheiden zu lassen, welche der ausgedachten 25 Stücke es am Ende überhaupt aufs Album schaffen, produzieren JAKA seit jeher einfach ins Blaue. 90% der JAKA-Stücke entstehen bis heute, indem ich einfach das Schlagzeug aufnehme, wozu die Gitarristen dann Riffs improvisieren, wie sie ihnen gerade in den Sinn kommen. Es wird also schon aufgenommen, bevor irgendetwas fertig ist. Wir arbeiten sozusagen am lebenden Objekt, und am Schluss ist es für alle eine Überraschung, was letztendlich dabei herauskommt. Seit 2006 benutzen wir Harddisc-Recording, was dieser Arbeitsweise noch mehr Möglichkeiten verschafft, da man im Gegensatz zu den Zeiten, in denen noch ehrlich auf Bänder aufgenommen wurde, Drumtracks zerschneiden und umarrangieren und Riffs auch mal um eine halbe Note verschieben kann, wodurch es zu noch unvorhergeseheneren Zufällen kommt.
Wie kommen dann die Worte dazu?
Was die Texte angeht, so waren diese anfangs bloß Mittel zum Zweck. Irgendwann, nachdem ich am Texten Gefallen gefunden hatte, habe ich angefangen, viele Lyrics vorab zu schreiben und das Schlagzeug auf schon ausgedachte Gesangslinien auszurichten. So was ist möglich, wenn der Gesang selbst eher perkussiv funktioniert und man keinerlei Rücksicht nehmen muss auf erst später dazukommende Melodien. Trotzdem werden aber auch schon vorgedachte Gesangslinien oftmals noch einmal über den Haufen geworfen und an das angepasst, was sich im weiteren Aufnahmeverlauf musikalisch ergeben hat. Diese Arbeitsweise des einfach Passierenlassens spart viel Zeit und Nerven. Andererseits sind so natürlich auch viele Songs entstanden, die man vielleicht doch hätte besser machen oder sogar ganz weglassen können, auch wenn gerade die Stücke, die ich im Nachhinein gerne ungeschehen machen würde, von manchen als besonders toll oder sogar genial empfunden werden. Wie auch immer. Jetzt, zwanzig Jahre nach der Gründung, fangen wir also endlich an, aus allem Passierten das wirklich Gelungene herauszudestillieren. Natürlich bin ich mir dabei bewusst, dass viele Fans der ersten Jahre gerade den Charme der alten Aufnahmen mehr lieben als eine glattpolierte Neueinspielung. Diese Nostalgiker können aber ja weiterhin die Ersteinspielungen hören. Die Neuaufnahmen sind dann für die vielen Jüngeren, die gerade erst oder sogar noch gar nicht geboren waren, als uns die Nummern rausrutschten, die wir nun noch einmal in schön aufgenommen haben.
Ihr liebt Songtitel, bei denen man sich unweigerlich fragt, was da wohl dahintersteckt. Deshalb enthülle doch jetzt bitte weltexklusiv im Ox die wahre Geschichte hinter diesen Titeln, zuerst bitte „Kieferorthopädie“.
Der Text zu „Kieferorthopädie“ ist mir im morgendlichen Halbschlaf gekommen. So was passiert ja. Dann heißt es: schnell aufwachen, aufschreiben, und dann erst Zähneputzen. Ich wohnte damals in Krefeld am Südwall 82 unterm Dach, war mitten im Studium, auf das ich keinen Bock hatte, und kämpfte mit allerlei Verwirrungen, die eine dritte oder vierte Pubertät so mit sich bringt. Die Gitarren hat Klaus, mit dem ich JAKA zwei Jahre zuvor gegründet hatte, in derselben Wohnung eingespielt, nachdem im Bunker am Deutschen Ring, wo ich mich in den Proberaum einer furchtbaren Hippieband eingezeckt hatte, das Schlagzeug aufgenommen worden war. Alles, Schlagzeug, Gitarren, Bass und Vocals wurden damals mittels eines Tascam488 8-Track-Recorders eingespielt. Auf handelsübliche Leerkassetten, die man damals noch im Fünferpack bei Aldi kaufen konnte, und die heutige Jugendliche nur noch mit Benjamin Blümchen oder Bibi Bloxberg bespielt kennen. Wenig später wurde das Internet auch für Spinner wie uns freigeschaltet und „Kieferorthopädie“ fand viele Hörer auf der Seite mp3.com, wo es zusammen mit „1 Tonne Mensch“ über Wochen die ersten beiden Plätze in der Kategorie Grindcore belegte.
Und wer oder was ist „Der Fleischdämon“?
Hier hatte ich im Kopf über einige Wochen sämtliche Schlagzeugpatterns herumgeschoben, auf die Klaus dann, als ich sie endlich aufgenommen hatte, seine Riffs geschüttelt hat. Wenn Klaus, der seit 2014 nicht mehr dabei ist, etwas konnte, dann war es das Riffs-aus-dem-Ärmel-Schütteln. Der Text kam hier erst ganz zum Schluss. Und das hört man auch. „Der Fleischdämon“ ist ein typisches Beispiel von einem Text als Mittel zum Zweck. Er ist ziemlich peinlich in seiner übertriebenen und dazu sinnlosen Gewaltdarstellung. Auch mit Humor hat das nichts zu tun, schon gar nicht mit gutem. Keine Ahnung, was mich damals geritten hat. Vielleicht wollte ich mal CANNIBAL CORPSE oder CRADLE OF FILTH ins Deutsche übersetzen, ohne genau zu wissen, wovon diese Bands eigentlich singen. Was krampfhaft brutale Texte angeht, ist mir Jahre später mit „Abflussbestattung“ sicher ein besseres Stück gelungen.
„Sich für Technik interessierende große Jungs“, seid ihr das?
Das ist mal wirklich ein gelungener Text. Er ist wie zig andere später verfasste und besonders gelungene Texte innerhalb von wenigen Minuten entstanden. Ich sah damals einigen technikaffinen älteren Herren dabei zu, wie sie den Arbeiten auf einer Großbaustelle zusahen, wobei sie sich fachmännisch über das dort zum Einsatz kommende schwere Gerät, Bagger, Bagger und Bagger austauschten. Das war in Krefeld an der Stelle, wo heute das Behnischhaus steht, für den Fall, dass das jemanden interessiert. „Sich für Technik interessierende große Jungs“ schoss es mir also durch den Kopf, als ich die für Technik sich interessierenden großen Jungs so betrachtete. Der Text, den ich dann auf dem Nachhauseweg schrieb, macht sich aber nicht über ältere Herren lustig, sondern über den uneingeschränkten Technik- und Fortschrittsglauben unserer pflichtversessenen, freudlosen und dem Untergang geweihten Kultur, mit der ich schon auf dem Kriegsfuß stand, als ich dies noch gar nicht formulieren konnte.
„Geräte hassen mich“, ja, wer kennt das nicht?
Genau. Und zwar hassen sie mich, weil ich zwar sie benutze, mich aber nicht von ihnen benutzen lasse. Deswegen sabotieren sie meine Arbeit, indem sie einfach ständig kaputtgehen. Sicher liegt auch hierin begründet, warum JAKA immer schnell fertigproduzieren müssen, bevor wieder alles abkackt. Ich gebe zu, ich wäre gern das, was die hemmungslosen Technikverehrer heute einen Bionazi nennen oder einen Gutmenschen. Alles Begriffe, die bloß davon ablenken sollen, dass man doch eigentlich genau weiß, dass es so nicht weitergehen kann mit dem technischen Overkill, der den Planeten auffrisst, die Menschen krank macht, Kriege verursacht und alles vergiftet. Leider kann ich aber weder Gemüse anbauen noch weiß ich, wie man fachgerecht ein Tier schlachtet. Und ein Gutmensch bin ich leider auch nicht. Das kann man unter den gegebenen Umständen ja auch gar nicht sein, wenn man den Anschluss nicht ganz und gar verlieren will. JAKA sind also nicht viel besser als die meisten, wenn auch reflektierter. Dies kann aber keine Entschuldigung dafür sein, einfach so weiterzumachen! Ich wünsche daher jedem ein schlechtes Gerätekarma, welches ihn dazu zwingt, dem Gerätewahn abzuschwören und wenigstens ein bisschen back to ze roots zu gehen.
Und als Letztes „Lass den, der ist nett“.
Hier haben wir die Neueinspielung instrumental belassen. Der Text ist nämlich scheiße. Wer ihn unbedingt lesen will, findet ihn sicher irgendwo im niemals irgendwas vergessenden Internet. Alle anderen besorgen sich lieber das Songbook „Japanische Kampflektüre“, welches nur die 230 allerbesten Texte enthält und ausschließlich über das Verkaufsportal unundeux.de vertrieben wird.
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