GRUPPE 80

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Falsche Achtziger

Mag sein, dass dieser Frühachtziger-NDW-Sound sich derzeit einer gewissen Beliebtheit erfreut, ich erinnere an HERPES oder 1000 ROBOTA (TREND nicht zu vergessen, die das schon länger erkannt haben), aber so lange Neo-NDW kein Massentrend wird und wir nicht gezwungen sind, die Geschichte zu wiederholen, habe ich überhaupt nichts gegen bewusst naive Texte mit Augenzwinkern, gegen simple Synthie-Bleeps und hektisch-stakkatohafte Musik. Solche nämlich bringen GRUPPE 80 zu Gehör, die aus Bremen kommen, schon 2008 ihren Spaß an solchen Sounds entdeckt haben und kürzlich für ihr Debütalbum gleich 18 Stücke eingespielt haben, die von DEVO bis FEHLFARBEN, von WIRE bis ABWÄRTS, von KRAFTWERK bis NOVOTNY TV eine ganze Menge Einflüsse verwursten und auch textlich ein riesiger Spaß sind.

Wer, wann, wo, weshalb?

Findorff-Paule: Wer: wir. Wann: circa 2008.Wo: im Bunker. Weshalb: weil Bock auf Rock!

Rudi: Wir waren mit einer anderen Band recht erfolglos und haben die dann aufgelöst. Erfolglosigkeit passt halt nur zu Punk, deshalb. Unsere Besetzung: Findorff – Gesang, Gitarre, Bass, Schlagzeug. Rudi – Trommeln, Gitarre, Gesang, Casio. Kiffer – Bass, Trommeln, Gesang. Modepüppchen – Orgel. Jetzt neu: Jörgi – Orgel, Korck, Gesang. Steffi Steff – Trommeln, Gesang.

Unserer Promo-CD lag Geld bei. Aber mehr als einen 80-Euro-Schein sind wir euch nicht wert?

Rudi: Nun mal langsam, ihr seid schließlich nicht der Rolling Stone. Wir müssen mit unseren Schmiergeldern auch haushalten ... Rezession, Baby.

Findorff-Paule: Immerhin. Mehr Geld verdient man auch nicht mit Punk.

Ihr kommt aus Bremen. Von da kommen auch die COOL JERKS. Wie findet ihr die eigentlich, kennt ihr die, sind das nette Menschen?

Rudi: Na ja, bisschen Etepetete, ne. Mit ihren Klamotten und so. Aber gute Bühnen-Action, das muss man den alten Säcken lassen.

Findorff-Paule: Ja, ganz niedlich zum Teil, aber auch irgendwie konservativ.

Nun macht ihr ja ganz andere Musik als die COOL JERKS. Diesen Sixties-Typen wird ja immer ein ziemlicher Snobismus vorgeworfen, und Plastik-NDW und stinkigen Punk mögen die ja gar nicht – wieso kommt ihr dennoch klar?

Rudi: Ich durfte mal auf dem Drumset von denen spielen, ein uraltes Sonor Set aus den Sixties. Das hat so gut geklungen, dass ich mir auch so eines bei eBay zusammengekauft habe. Der Sound der Band ist halt sehr authentisch, so wie unserer. Wir haben ähnliche Instrumente, deshalb liegen wir klanglich gar nicht so weit auseinander, nur in der Zeit halt sind die Jungs total backdated. Sixties sind ja wohl so was von out oder was?

Klar, im Gegensatz zu NDW. Was an NDW findet ihr ganz besonders schrecklich, was ist erhaltenswert?

Rudi: Gut finde ich die Melange von Punk mit der langhaarigen Studentenrockmusik von damals und die ersten Aufbruchsversuche in die Elektronik und Wave. Die kamen eher hölzern daher, aber das machte die Musik so charmant und irgendwie unkompliziert. Wir sind auch auf der Suche nach: Alles ist möglich und erlaubt, aber es muss den richtigen Klang und die richtige Attitüde haben. Ganz besonders schrecklich waren die letzten Zuckungen von NDW wie „Wir woll’n uns nass spritzen!“ und so ein Dreck ...

Aber waren die Achtziger nun super oder doch scheiße?

Findorff-Paule: Beides. Darum lieben wir die Achtziger so.

Rudi: Die Frühachtziger waren gerade auch mit Live-Musik und mit Power/Wave-Pop und Post-Punk spannend. 1983 war ein musikalisch umwälzendes Jahr, so wie 1966. Der Pop war endgültig in der Elektronik angekommen, hatte aber dennoch einen sehr analogen Charme. 1984 ging es schon abwärts, die Euphorie flaute ab, die Elektronik nahm überhand und ab dann nur noch Epigonen- und Plastikmusik. Gleiches gilt für NDW, 1982 war der Zenit erreicht und schnell überschritten und das Thema überreizt, Deutschpunk war auf dem Höhepunkt und schwappte in die Provinzen, Nordenham, und erreichte auch mich. Ab Mitte der Achtziger gab’s nur noch Hardcore, das war nix mehr für mich, erst Ende der Achtziger kam mit NOMEANSNO, DINOSAUR JR und englischen Bands wie MY BLOODY VALENTINE, WEDDING PRESENT und RIDE wieder interessante Gitarrenmusik an die Oberfläche.

Mir kamen beim Hören eures Albums DEVO, FEHLFARBEN, WIRE, ABWÄRTS, und KRAFTWERK in den Sinn. Eure Kommentare dazu?

Rudi: DEVO: schräg, immer knapp an der Melodie vorbei, großartige Videos, hektisch. FEHLFARBEN: Tanz, Pop, Kopf, erste beiden Alben ganz groß. WIRE: große Emotionen und mysteriöse Bilder, stampfend und schnaufend. ABWÄRTS: Helden, Orientierung und Leitstrahl. KRAFTWERK: minimalistisch, „Der Reaktor“?

Findorff-Paule: DEVO: Vorfeger der Synthie-Guitar-Ära. FEHLFARBEN: die deutsche Musikhoffnung 1980. WIRE: Gitarren und Texte, alles auf den Punkt, ABWÄRTS: „Computastaat“, immer wieder aktuell, KRAFTWERK: die Legenden der minimalistischen „Chip“-Musik.

Smarte Texte sind eine Kunst. Eure sind kurz und prägnant, humorvoll und pointiert. Was ist das Geheimnis guter Lyrics?

Rudi: Ehrliche Wut, guter Humor, Spontaneität, Unaffektiertheit.

Findorff-Paule: Das Geheimnis guter Lyrics ist auch sich umschauen und nicht stressen lassen.