GRANT HART

Foto

Von innen nach außen – Folge 3

Fake Name Graphics, Fake Name Graphx, Fake Name Communications, wahrscheinlich gibt es noch weitere Varianten, all dies sind Pseudonyme, unter denen Grant Hart seine HÜSKER DÜ-Artworks veröffentlicht hat. Eindeutig wollte er sich anscheinend nicht zu seinem Werk bekennen. Warum eigentlich? Schließlich war dieses doch stilprägend: Wer erkennt die knallbunt kolorierten HÜSKER DÜ-Klassiker „Zen Arcade“, „Candy Apple Grey“ und „Warehouse: Songs And Stories“ nicht schon von weitem? Darum Finger auf die Wunde und nachhaken. Erwartungsgemäß erweist sich das als ziemlich gefährliches Spiel ...

Manchmal soll es eben nicht sein. Eine Einladung von Grant Hart nach Minnesota zu bekommen, das ist natürlich eine feine Sache, aber wenn man noch ein Leben als normalsterblicher Berufstätiger führt und nicht über endlos viel Zeit verfügt, muss dieses Angebot notgedrungen ausgeschlagen werden. Warum ein Telefoninterview für Grant Hart nicht in Frage kommt, ist mir noch immer nicht so recht klar geworden, aber gut, ist eben so, abgehakt. Machen wir das Beste draus und führen das Interview wunschgemäß per Mail. Dumm nur, wenn sich das über Wochen hinzieht und letztlich ganz zum Erliegen kommt. Und, zu welchem Zeitpunkt? Klar, auf die Frage danach, warum er seine HÜSKER DÜ-Artworks unter Pseudonymen veröffentlicht hat, bekomme ich keine Antwort. Auch auf die auf mehrere Wochen verteilten Nachfragen reagiert mein Interviewpartner nicht mehr. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass Hart genau in diesem Punkt den zentralen Auslöser für den HÜSKER DÜ-Split sieht. Tja, Operation beendet, Patient tot. Den Versuch war’s dennoch wert. Einige interessante Dinge hat Mr. Hart ja immerhin verlauten lassen. Tauchen wir also ein in eine verworrene Welt aus Graphic Arts, Musik und angestaubten Erinnerungsfetzen.

Grant, es ist ja nicht selbstverständlich, gleichzeitig als Musiker und Grafiker zu arbeiten. Wie kam es bei dir dazu?

Mein Vater war Lehrer für Technisches Zeichnen und ich bin deshalb einfach mit dem Entwerfen von Layouts aufgewachsen. Von klein auf habe ich Bilder in Vierecke gesetzt. Ein gutes Auge hilft da natürlich. Was die Komposition angeht, hatte ich aber auch wirklich einige verdammt gute Lehrer.

Also hat es für dich schon mit grafischen Betätigungen angefangen oder waren da bereits früher andere Medien im Spiel?

Ich habe so früh damit angefangen, alle möglichen Arten von Medien zu erkunden, ich kann mich echt nicht daran erinnern, was tatsächlich zuerst da war. Ungefähr kann ich sagen, dass ich so mit sechs oder sieben begonnen habe, die Poesie für mich zu entdecken. Dass von Jungs erwartet wird, mit anderen Sachen zu spielen als Mädchen, musste ich dagegen schon mit vier erfahren ...

Hm, das ist ein weites Feld, beschränken wir den Medienbegriff doch der Einfachheit halber auf Musik und Grafik. Wo siehst du da die Schnittmenge?

Da kann man jetzt natürlich von unterschiedlichen Seiten herangehen. Meine persönliche Erfahrung hat gezeigt, dass kreative Menschen sich meist generell eine bestimmte Fähigkeit herauspicken, mit der sie sich intensiv beschäftigen, theoretisch aber auch auf anderer Ebene gut sein beziehungsweise werden könnten. So könnte ein Bassspieler beispielsweise genauso gut eine leitende Position einnehmen, so geschehen in meinem Freundeskreis. Oder Strawinsky hätte auch Cartoons zeichnen können, wenn der Wille dazu da gewesen wäre, und so weiter. Außerdem schauen sich Musiker wahrscheinlich im Endeffekt viel mehr Plattencover an als der Durchschnittsmensch und sehen zwangsläufig auch viele Poster. Das hängt dann auch direkt mit typischen Verhaltensmustern in bestimmten Kreisen und so was zusammen. Ich für meinen Teil habe es immer auch für meine Musik als sehr belebend empfunden, gleichzeitig auf visueller Ebene zu arbeiten. Immerhin gibt es auch Bilder, die das Gefühl hervorrufen, sofort lostanzen zu wollen. Für mich jedenfalls.

Inspirationen kann man ja auf unterschiedlichster Ebene finden ...

Richtig. Manchmal spiegeln sich in dem künstlerischen Schaffen auch die eigenen Wünsche oder bestimmte persönliche Erfahrungen wider. Ich interessiere mich für Raumfahrt und bin mit den Mercury-, Gemini- und Apollo-Programmen der NASA aufgewachsen. Das zeigt sich ab und an. Irgendwann will ich auch mal die „Sternenstadt“ Baikonur besuchen, von der aus die Russen ins All gestartet sind. Auch Orte können dich beeinflussen. 1987 haben HÜSKER DÜ auf diesem berühmten finnischen Festival hoch oben im Norden gespielt. Ich bin entweder die ganze Nacht aufgeblieben oder hatte irgendwie einen falschen Schlafrhythmus, jedenfalls bin ich im Endeffekt in einen Wald gelaufen, der mir wie ein Regenwald erschien. Kiefern sind da wie Gras gewachsen. Die Bäume waren nicht alt, maßen höchstens gut einen Meter im Durchmesser und waren ungefähr 15 Meter hoch. Der Geruch der Bäume war sehr stark, es wirkte fast wie eine Art Medizin. Wahrscheinlich reiften die Zapfen gerade, der Saft hatte sich überall abgelagert und härtete zu einer Harzkruste aus, die zwar optisch sehr schmackhaft erschien – es aber nicht war. Ich sah etwas auf dem Boden liegen, was aussah, als wäre es von Menschenhand gemacht, und hielt an, um es aufzuheben. Es war dreckig, aber aus geschmeidigem Messing hergestellt und ließ sich leicht reinigen. Zum Vorschein kam ein Flügelpaar mit einem Fallschirm in der Mitte. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich nicht weit entfernt ein weiteres Kriegsfossil gefunden habe, weiß aber nicht mehr, was genau es war. Solche Orte und Erlebnisse schwingen noch lange auf eine sehr kraftvolle Art und Weise nach.

Springen wir in die Gegenwart: Ein neues Album sollst in den Startlöchern stehen.

Seit 2008 habe ich an einem Album namens „The Argument“ gearbeitet, das inhaltlich lose an John Miltons „Das verlorene Paradies“ angelehnt ist. Das Abmischen wird bald abgeschlossen sein, ich bemühe mich derzeit darum, ein Label in England zu finden. Darauf finden sich 21 Lieder, von denen viele auch als einzelne Songs stehen können. Aber eigentlich geben zwei dramatische Klangteile die Stimmung vor. Auf diesem Album finden sich die besten Stücke, die ich je geschrieben habe. Ich habe meine Aufmerksamkeit schon so lange auf dieses Album konzentriert, dass ich es jetzt entweder fertig bekomme, eine Pause mache oder verrückt werde. Ich denke, die erste Option ist die beste.

Und dann verließen sie ihn, beziehungsweise er mich. Weil ich zum eigentlichen Thema Coverdesign eigentlich gar nicht so recht vordringen konnte, greife ich im nachfolgenden Abschnitt auf ein Hart-Interview des Online-Zines louderthanwar.com zurück, in dem Grant Hart einige Erklärungen zur visuellen Gestaltung seiner Soloveröffentlichungen abgibt.

„Hot Wax“

Ich leihe mir ständig Titel. „Last Days Of Pompeii“ zum Beispiel. „Good News For Modern Man“ stammt eigentlich von so einer Art Hippie-Bibel und „Hot Wax“ hieß ein Magazin für Plattensammler. Allerdings hatte ich da dieses Layout, bei dem ein Mensch mit einem Lilienthal-Gleiter ganz nah an die Sonne heranfliegt, eigentlich schon fertig ... Ich dachte: Ja, Ikarus, was hat Ikarus zu Fall gebracht? Klar, das Wachs auf seinen Flügeln. Schön ironisch, feine Sache. Das sind dann die Dinge, die jeder für sich selbst herausfinden darf.

„Good News For Modern Man“

Hier sind Vorder- und Rückseite nicht ganz stimmig. Ich habe einfach eine Apollo-Kapsel in ihrer Rettungsinsel ausgeschnitten und sie zu dem Wasserballett gesetzt, weil ich die Idee, von einem Weltraumflug zurückzukehren und von diesem Wasserballett begrüßt zu werden, irgendwie nett fand. [...] Der Innenteil ist eine Anspielung auf den Autounfall, den ich mit NOVA MOB in der Nähe von Schloss Neuschwanstein hatte. Es ist mehr oder weniger aus einer Zufallscollage heraus entstanden, die ich zusammengestellt hatte, als ich ein paar visuelle Impulse für die Aufnahme brauchte.

„Oeuvrevue“

Wenn du dir dieses Cover durch ein Stereoptikon, ein sehr einfaches 3D-Gerät, anschaust, etwa so, als würdest du schielen, fließen die zwei Bilder ineinander zu einem dreidimensionalen Bild. Eigentlich habe ich das als Geheimnis eingebaut, das jeder für sich selbst herausfinden soll, aber das hat sich ja hiermit wohl erledigt.