GLUE CREW

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Mund-Art-Punk

Seit 2016 gibt es GLUE CREW aus dem salzburgerischen Pongau bereits. Ursprünglich ein Duo, musizieren GLUE CREW mittlerweile zu viert – Thomas Mulitzer, Wolfgang Posch, Benedikt Emig und Andreas Posch. Die Band steht für so facettenreichen wie melodischen Punkrock und präsentiert diese Spielart auch auf ihrem dritten Album „Mundartpunk Forever“. Und damit sind wir auch schon dort, wo sich diese Band von vielen anderen unterscheidet: Sie singen in Pongauer Mundart. Aber warum eigentlich? Und darf man das als Punkband überhaupt? Oder sind Dialekttexte heimattreuen Volksmusiknazis vorbehalten?

Ich habe es bereits die Kollegen HECKSPOILER gefragt, nun frage ich euch: Ich sehe da aktuell einen Trend, was Mundart betrifft, in der österreichischen Punk- und Hardcore-Szene, seht ihr den auch?

Tom: Na ja, in der Punk- und Hardcore-Szene sehe ich einen solchen Trend eigentlich nicht. Es gibt einfach eine Handvoll Bands, die im Dialekt, in Mundart singen. Vielleicht sieht das auch nach mehr aus, weil die Szene generell immer kleiner wird. Ich finde es aber absolut positiv, wenn Bands sich an Mundart- oder generell deutsche Texte heranwagen. Das erhöht im besten Fall die inhaltliche Qualität, weil es sehr schnell auffällt, wenn man nichts zu sagen hat oder versucht, sich mit leeren Phrasen durchzuschwindeln. Mit englischen Texten ist das um einiges leichter.

Mundartpunk scheint eher eine österreichische Angelegenheit zu sein. In Deutschland ist Mundart mehr im Proll-Rock oder bei den Karnevalsbands zu finden. Denke ich. Was denkt ihr?
Tom: Austropop beispielsweise hat immer schon in Mundart stattgefunden und da gibt’s einige Künstler:innen, die cool sind. Es ist natürlich auch viel Scheiße dabei, klar, aber die gibt es bei Musik in jeder Sprache. Das sind in unseren Augen Deppen, die zufällig so reden wie wir. Mit unseren Texten grenzen wir uns hoffentlich genug von Schlager und Co. ab. Ich finde es auch bei englischsprachigen Bands schön, wenn man den Dialekt raushört, so wie den East-Midlands-Slang von SLEAFORD MODS, der in England ja auch keinen guten Ruf hat.
Woifi: Die Bayern haben das auch sehr ausgeprägt. Wenn ich mir beispielsweise den Rapper BBou anhöre, denke ich mir immer, Alter, wie übersetzt du das ins Hochdeutsche, das ist fast unmöglich. Vielleicht haben wir und die Bayern einfach mehr das Bedürfnis, im Dialekt zu singen, da uns dieser früh ausgetrieben werden soll. So ähnlich ist es ja auch in Katalonien, da gibt es tendenziell auch mehr Bands, die auf Katalanisch singen, als jene, die sich mit spanischen Varietäten herumschlagen.

Ihr kommt aus dem Salzburgerland, die erwähnten HECKSPOILER sind aus Ober-, FRANZ FUEXE aus Niederösterreich. Mundart-Bands aus der Steiermark, Tirol oder Kärnten wären mir dagegen nicht bekannt. Ist das auch in Österreich ein regional angesiedeltes Phänomen?
Woifi: Mir fallen beispielsweise GNACKWATSCHN aus der Steiermark ein, MINDBLIND aus dem Burgenland oder auch Rapper wieVZI aus Tirol. Ich denke, dass es da schon eine breite Liebe zum Dialekt innerhalb Österreichs gibt. Uns eint schlicht das Interesse an einer Sprache, die Welten erschafft. Obwohl etwa „schirch“ mit hässlich übersetzt wird, meint es doch etwas ganz anderes. Im Pongau gibt es das wunderschöne Wort „loppnzritt“, ein Adjektiv, das beschreibt, wenn jemand außer sich vor Wut ist und in Raserei gerät. Das ist das Wundervolle an Sprachwelten, sie schaffen Realitäten und beschreiben Kultur und wenn wir ein kleines Stück zur Konservierung dieser Sprachphänomene beitragen, sind wir schon zufrieden.

Apropos Oberösterreich. ATTWENGER aus Linz oder KURORT aus Bad Ischl haben ja schon in den Achtzigern und Neunzigern mit Mundarttexten gearbeitet. Seht ihr solche Bands als Vorbilder?
Tom: Für mich kam der Einfluss von regionalen Bands wie BLUESBRAUSER oder QUERSCHLÄGER, die machen keinen Punk, aber die Texte waren im Vergleich zu allem, was ich als Jugendlicher sonst kannte, so authentisch, ehrlich und kritisch, dass das für mich auch eine Art von Punk war. In der eigenen Sprache zu singen, ist eigentlich naheliegend, aber es tatsächlich zu tun, ist manchmal gar nicht so leicht.

Kommen wir zu euch. Warum Mundart?
Tom: Wir sprechen im Dialekt, wir denken im Dialekt, da ist es nur logisch, dass wir auch im Dialekt singen. So können wir unsere Gedanken und Gefühle am besten ausdrücken. In der Schule und an der Uni ist uns der Dialekt etwas ausgetrieben worden, jetzt erobern wir uns unsere Erstsprache wieder zurück.
Woifi: Ich finde ja alleine den Begriff schon herrlich: „Mund-Art“, das schließt doch eigentlich alles mit ein, was man mit sprachlicher Akrobatik verbindet. Es ist ja auch toll, dass man in dieser Kunstform auch mal mit dem Ost-Österreichischen flirten kann, wenn man im Pongauer Dialekt gerade kein Reimwort findet. Die schier unendlichen Möglichkeiten unserer Dialekte haben wir bei weitem noch nicht ausgeschöpft und ich bin mir sicher, dass da noch einiges kommen wird in Zukunft, unter anderem hoffentlich von uns.

Musikalisch seid ihr ja durchaus von der amerikanischen Melodic-Punk-Szene beeinflusst, ihr arbeitet mit Ska- und Reggae-Elementen. Englische Texte waren nie ein Thema?
Tom: Wir haben früher alle in Bands gespielt, bei denen auf Englisch gesungen wurde, und in den Anfangszeiten unserer Band haben wir auch Songs mit englischen Texten gespielt. Irgendwann hat sich Mundart einfach besser angefühlt.
Woifi: Ich finde, teilweise haben unsere Songs in Stilistik und Form schon ein Alleinstellungsmerkmal, bei unseren alten englischen Songs hatte ich oft das Gefühl, dass da ein Stil imitiert wird. Das mag an der Sprachmelodie liegen oder nicht, mittlerweile hat sich im Dialekt aber durchaus ein Komfort breitgemacht.

Sprecht ihr hauptsächlich euer regionales Umfeld an oder – ihr seid ja labelmäßig mit Sbäm gut aufgestellt – versucht ihr auch in Deutschland oder gar im fremdsprachigen Ausland Fuß zu fassen?
Tom: Mit unseren Texten schränken wir unsere Zielgruppe natürlich enorm ein. Wir bekommen schon auch Feedback aus dem fremdsprachigen Ausland, aber das betrifft in erster Linie die Musik, weil die Texte für den Großteil der Welt einfach unverständlich sind. In Bayern funktioniert es noch ganz gut, weiter in den Norden sind wir aber bisher nicht vorgedrungen. Und wenn wir in Ländern wie Ungarn spielen, lassen wir unseren derbsten Dialekt raushängen, weil uns eh niemand versteht. Das ist nur problematisch, wenn sich dann doch ein Österreicher ins Publikum verirrt hat und uns für komplett durchgeknallt hält.
Woifi: Ich bin ja doch ein musikalischer Sonderling, weil ich viel fremdsprachige Musik höre. Bei spanischem Ska, russischem Punk oder bosnischen Tunes à la DUBIOZA KOLEKTIV ist mir der Text oft egal, weil ich die Musik spüre. Ich finde, die englischsprachige Dominanz in unserer unmittelbaren Umwelt hat uns etwas vergessen lassen, dass Punk eigentlich ein globales Phänomen ist. Und Hand aufs Herz, wie viele Menschen hören immer bewusst auf den englischen Text oder lesen gar mit? Deshalb auch unser Appell an unsere bundesdeutschen, chinesischen und brasilianischen Freunde des Punkrock: Hört ruhig einmal die GLUE CREW.

Bei mir ist es ja ehrlich gesagt so, dass ich bei Bands mit Mundarttexten sehr genau auf die Inhalte achte. Denn da vermute ich gerne heimattreues, Gabaliersches Gedankengut. Kennt ihr die Problematik? Wie steht ihr zu solchen Vorwürfen?
Tom: Ich finde, die Sprache ist nebensächlich, es geht um die Inhalte. Selbst wenn wir live unseren Song „San Andreas“ über Andreas Gabalier spielen und davor ironisch anmerken, dass er unserem Idol gewidmet ist, checken einige die Ironie dahinter nicht, weil sie einfach zu wenig hinhören. Wenn wir Gabalier-Fans wären, würden wir definitiv eine andere Art von Musik machen.
Woifi: Es mag eine Zeit gegeben haben, in der dieser Vorwurf seine Berechtigung hatte. Mittlerweile gibt es aber einfach schon zu viele Vorkämpfer und Leute, die sich trotz Dialekt klar von Deutschtümelei etc. distanzieren. Ich denke an Hans Söllner, Hubert von Goisern bis hin zu Paul Pizzera. Als ich noch Deutschkurse für Geflüchtete und Migranten gab, war der Dialekt immer ein großes Thema. Niemand hat so recht verstanden, wieso sie da eine Sprache lernen, die draußen gar nicht recht gesprochen wird. Ich musste dann immer extra Dialekteinheiten geben und bin irgendwie draufgekommen, dass auch Dialekte Systeme haben. In der Schule lernt man ja gerne, er sei unschön, pöbelhaft, aber das Gegenteil ist der Fall.

Ihr seid ja auch nicht alle Großstadtpunks, sondern kommt beispielsweise vom Bergbauernhof. Die ländliche Herkunft wird in Songs wie „Wir möchn die Kia no mit de Händ“ angesprochen. Wie wichtig ist euch Heimatbezug?
Tom: Wir möchten mit unserer Musik zeigen, dass ländliche Regionen mehr zu bieten haben als Heimatvereine und Trachtenmusikkapellen. Aus der Sicht von Wien wird der Rest des Landes oft marginalisiert und als kulturell irrelevant abgetan. Aber es gibt auch in den abgelegensten Tälern geile Bands oder Kunst, die eben nur dort entstehen kann. Wir kommen aus dem Salzburger Pongau und haben auch unsere Probleme mit der Region, in dem Sinn sind manche Songs vielleicht eher als Utopie zu verstehen. In „Wir möchn de Kia no mit de Händ“ geht’s vor allem darum, dass uns Leidenschaft wichtiger ist als Talent und dass wir Mundartpunk machen, obwohl DJs und Rapper viel angesagter sind.
Woifi: Heimat ist ja immer da, wo leichtes Handeln ermöglicht wird, und kann somit auch im Ausland, im Denken und vor allem in der Musik erfahren werden. Wenn ein sprachliches Bild einem österreichischen Heimat-Sujet entspringt, soll es mir auch recht sein.
Die steirische Austropop-Band STS hat in Bezug auf die Reaktionen auf ihren großen Hit „Fürstenfeld“ einmal gesagt: „Und plötzlich hat die Blut-und-Boden-Fraktion applaudiert“. Kennt ihr das auch, dass sich auf einmal Leute angesprochen fühlen, die ihr gar nicht ansprechen wollt?
Woifi: Für Applaus aus dieser Richtung haben wir uns in unseren Songs wahrscheinlich zu eindeutig positioniert, weshalb er ausbleibt. Im Allgemeinen denke ich, dass die Sichtweise, Dialekt sei engstirnig und kleingeistig, veraltet ist. Musikalisch hat Hubert von Goisern viel Vorarbeit geleistet, um die Lederhose aus dem rechten Lager zu holen. Ich erinnere mich immer gerne an ein baskisches Festival in Guernica zurück, bei dem auf der Hauptbühne nach der traditionellen baskischen Volksmusikgruppe eine Hardcore-Punk-Band kam. Der gemeinsame Nenner war die sprachliche Identität.