Die britische Punkband GLOO meldet sich mit ihrem zweiten Album „How Not To Be Happy“ über Hassle Records zurück. Eine energiegeladene Platte, die direkt nach vorne geht und die Hörer:innen nicht unnötig überfordert oder stresst, aber trotzdem unterschwellig positiv beeinflusst und motiviert. Die Brüder Marc und Tom standen per Zoom Rede und Antwort und bildeten mit ihrer fröhlichen und offenen Art den kompletten Kontrapunkt zum negativ anmutenden Albumtitel. Und natürlich ist der britische Humor auch eine wesentliche Fußnote bei allem, was die Band GLOO betrifft.
Euer neues Album heißt „How Not Be Happy“. Wann habt ihr das Album geschrieben und in welcher Stimmung seid ihr gewesen?
Tom: Das ist echt schon lange her, die ersten Songs dafür sind bereits vor vier Jahren entstanden. Aber erst während der Pandemie ist es uns gelungen, sie tatsächlich zu Ende zu bringen. Meine persönliche Stimmung damals? Haha, ich kam gerade aus einer gescheiterten Beziehung und drei oder vier Songs beziehen sich auch direkt darauf. Es geht darum, aus solchen Tiefs herauszukommen ...
Marc: ... und zu versuchen, glücklich zu sein, haha.
Es geht also auch konkret darum, gescheiterte Beziehungen zu verarbeiten?
Tom: Ja, schon auch, aber nicht das ganze Album über. Es ist eine breite Sammlung aus Momenten, in denen man das Gefühl hat festzustecken, und ein Angebot von uns, wie man da herauskommen könnte.
Den Druck, glücklich sein zu müssen, spürt man ja als Kind noch nicht so stark, man ist einfach so, wie man ist. Könnt ihr euch daran erinnern, wann es damit angefangen hat?
Marc: Irgendwie haben doch alle die gleiche Erwartung, dass man immer glücklich sein muss. Ich habe gelernt, dass man besser akzeptieren sollte, dass es echt verrückt und auch nervig wäre, wenn man dauerhaft glücklich wäre. Die Umstände ändern sich ja auch und damit die eigene Sichtweise darauf, was einen am Ende des Tages glücklich macht. Wenn man noch in der Schule ist, dann sagen die Eltern immer, man soll sich anstrengen und die Zeit genießen, und natürlich rebelliert man und findet die Schule auf jeden Fall komplett scheiße. Aber sobald man dann in seinem Job steckt, denkt man doch nur noch daran, wie gerne man wieder in der Schule wäre, haha.
Genau und dann wartet man eigentlich nur noch auf die Rente. Eure Strategie ist also, die vermeintliche Schwäche des Traurigseins zur Stärke zu machen?
Tom: Ja, zu 100%. Immer wenn man von etwas angepisst oder genervt ist, dann sollte man versuchen, noch irgendetwas Positives daraus zu ziehen.
Marc: Genau, wir sind eine ganz typische „Turn the lemons into lemonade“-Band!
Tom: Der Albumtitel ist vor allem als Diss auf die unzähligen Ratgeberbücher zu verstehen, die ich in den letzten Jahren verschlungen habe. Es waren sicher Hunderte, die ich gelesen habe, und nach dem ersten dachte ich noch, dass mir vielleicht das nächste oder übernächste helfen würde. Aber irgendwann habe ich aufgegeben, das ist ja eine niemals enden wollende Geschichte, haha. Einfacher wäre es wohl, den Code zu knacken, wie man eben nicht glücklich wird, und das funktioniert dann als Orientierung.
Ist es wichtig, manchmal traurig zu sein, um überhaupt richtiges Glück erleben zu können?
Marc: Auf jeden Fall, man muss sich ja an irgendwas orientieren können. Und der Ausgleich muss auch stimmen, wenn man immer gut drauf ist, nie düstere Momente hatte und dann mal ein Dämpfer kommt, schlägt das wahrscheinlich sonst sofort in eine Depression um, weil man eben gar nicht damit umgehen kann.
An welchem Punkt zieht ihr die Linie, um den Unterscheid zwischen nur traurig und einer psychischen Erkrankung zu markieren?
Marc: Das ist schwer zu sagen. Einige meiner Freunde mussten schon richtig schlimme Dinge durchmachen, deshalb habe ich sehr viel Verständnis für solche Situationen und bin aber auch sehr dankbar dafür, dass ich bisher selbst keine Erfahrungen damit machen musste.
Tom: Du bist eher ein Macher und ich bin wohl eher ein Denker.
Marc: Ja, das stimmt. Ich denke nicht so viel, gehe oft einfach mit dem Kopf durch die Wand und verfolge Ideen, ganz gleich wie unausgereift oder schlau sie sind. Das ist wohl meine Superpower, ich bin Think-less-Man.
Tom: Kann man das so sagen, dass Unglücklichsein auch oft von zu vielem Nachdenken kommt? Schon irgendwie, oder? Na ja, wenn man anfängt nachzudenken, dann kommt man in der Regel schon schlecht drauf.
Marc: Also jede Situation zu analysieren und bis ins Kleinste auseinanderzunehmen, das ist auf jeden Fall nicht gut. Dinge sind manchmal eben einfach so, wie sie sind. Wenn man Bock auf richtig intensives Nachdenken hat, kann man ja auch Schach spielen.
Die Songs auf dem Album wirken auf mich effektiver komponiert. Ist das wichtig für euch, dass ihr schnell auf den Punkt kommt?
Tom: Für mich schon, denn ich mag selbst auch vermeintlich einfache Popsongs und denke, dass es schwieriger ist, gute Songs zu schreiben, die einfach sind. Auf jeden Fall ist es schwieriger als komplizierte Songs zu schreiben, die nicht so gut sind, haha.
Marc: Wir benutzen die Band GLOO nicht dazu, um zu zeigen, wie toll wir spielen können. Da wir seit zehn Jahren Musik machen, beherrschen wir natürlich unsere Instrumente. Aber wir möchten uns auf die schnelle, präzise Botschaft konzentrieren und das so energetisch und kraftvoll wie möglich auf den Punkt bringen.
Die meisten der Songs auf „How Not To Be Happy“ sind so was wie AC/DC-Punkrock-Songs, mal abgesehen von der Blues-Nummer „Rizla“ und „Swimming in your sea“, der ist eher Grunge. Mittlerweile gibt es kuriose Genres wie Progressive-Technical-Dark-Metal. Ist Musik vielleicht über die Jahre zu kompliziert geworden?
Marc: Auf jeden Fall. Als wir als Band angefangen haben, haben wir uns auch erst total verkünstelt und verrücktes Zeug gemacht, das hat ja auch Spaß gebracht. Wenn man aber am Ende des Tages seine eigenen Aufnahmen nicht anhören will, weil es zu stressig ist, und wir das auch selbst gar nicht hören, dann ist es kein gutes Zeichen. Was die Leute besonders mögen und auch über einen langen Zeitraum weiterreichen, sind meistens die einfachen Sachen. Hör mal Billie Eilish an, das sind mit Sicherheit die einfachsten Sachen, die man in seinem Leben gehört hat. Aber dabei eben auch noch sehr verrückt und künstlerisch anspruchsvoll. Oder Nile Rodgers, denk mal an den. Der spielt einfach zwei Akkorde, aber niemand kann das so funky, wie er das macht. Oder auch „Back in black“, das sind nur die Akkorde A, D, A, aber niemand kann sie so spielen wie Angus Young. Es geht um die Komplexität in der Simplizität.
Sagt mir mal eine Sache, die euch traurig macht.
Marc: So oft bin ich eigentlich gar nicht traurig, geht auch wütend? Ist das nicht ähnlich, haha? Wobei ... ein Freund von mir ist letztes Jahr an Krebs gestorben, das hat mich natürlich sehr traurig gemacht, er war in meinem Alter. Es sind schon einige in meiner Familie gestorben, aber er hat es aktuell an die traurige Spitze dieser Liste geschafft.
Tom: Na ja, bei mir ist es schon dann, wenn Beziehungen auseinandergehen.
Und was macht euch sofort fröhlich?
Marc: Oh, das ist einfacher zu beantworten. Skateboarding, Musik, meine Freundin, mein Zuhause, wo wir wohnen, die Sonne ... Ach, jetzt fällt mir doch noch was zur vorherigen Frage ein, wenn mein Porridge nicht die richtige Konsistenz hat, das macht mir keine gute Laune. Wenn das so ein fester Klumpen ist, bäh.
Tom: Haha, genauso ist es bei mir auch.
Im Song „Rizla“ geht es um ein Paper, mit dem man sich zum Beispiel Sportzigaretten drehen kann. Es gibt Leute, die Drogen nutzen, um sich kurz gut zu fühlen oder eine Illusion zu erschaffen. Was ist eure Einstellung dazu?
Marc: Ich trinke noch nicht mal viel Alkohol mittlerweile. Jahrelang dachte ich, dass es wohl gestern ein richtig geiler Abend gewesen sein muss, bis mir auffiel, dass es gar nicht so toll war und wohl eher am Alkohol lag. Verurteilen würde ich Menschen, die Drogen nehmen, aber nicht. Manche kommen damit klar, aber ich würde jetzt niemandem raten, weil er traurig ist, mal ein paar Drogen zu schmeißen. Da würde ich lieber sagen, dass man etwas tun soll, das einem mit Sicherheit guttut.
Tom: Ich bin da schon etwas teuflischer unterwegs und denke, dass manchmal ein ganz kleines bisschen schon helfen kann. Also ein ganz kleines, sehr, sehr kleines bisschen ... haha.
Marc: Ja, genau, haha. Heroin, ein kleines bisschen Heroin, haha. Nein, natürlich nicht, das ist nur Spaß.
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