Die kalifornische Band hat in ihrer Karriere einige Ups und Downs erlebt, die die Perspektive auf ihr Leben sowie ihr musikalisches Schaffen stark beeinflusst haben – das zeigt sich auch beim neuen Album „Searching For Solace“. Wir sprechen mit THE GHOST INSIDE über den Schreibprozess, Tiefpunkte und einem neuen Blick in die Zukunft.
Wenn ihr über das Thema des Albums „Searching For Solace“ nachdenkt, die Suche nachTrost, wie hat sich das für euch prinzipiell über die Jahre verändert, insbesondere angesichts der Erfahrungen, die ihr auf dem Album verarbeitet habt, zum Beispiel der Unfall damals?
Jim: In den Jahren vor dem Unfall, als wir zwischen 2013 und 2015 intensiv auf Tour waren mit über 200 gespielten Konzerten pro Jahr, haben wir uns nie die Zeit genommen, das Reisen wirklich zu genießen. Wir haben ständig nur nach vorne geblickt. Der Unfall 2015 und 2020 dann Corona sorgten für einen absoluten Neuanfang für uns. Viele Themen auf dem Album beziehen sich auf den Verlust der Band erst aufgrund des Unfalls und dann wegen der Pandemie. Diese Erfahrungen haben uns die Dinge mehr zu schätzen gelehrt. Die letzten zwei Jahre, in denen wir wieder aufgetreten sind, waren eine ganz besondere Zeit. Auch das gemeinsame Schreiben der Songs war anders – wir haben enger kooperiert und uns gegenseitig stärker unterstützt. Das alles hat uns gelehrt, mehr im Moment zu leben und für die Erlebnisse dankbar zu sein, während sie passieren, statt erst im Rückblick.
Jonathan: Grundsätzlich hat sich meine Auffassung von Trost und Glück gewandelt. Meine Prioritäten haben sich durch diese Ereignisse verschoben. Es war eine große Triebkraft für das Album herauszufinden, worüber man sich aufregen und was man einfach loslassen sollte.
Andrew: Ich sehe das persönlich etwas anders, da meine Hoffnung, Trost zu finden, irgendwie kleiner geworden ist. Ich mache mir jetzt mehr Sorgen über Dinge wie die Gesundheit meiner Eltern und andere Aspekte des Lebens. Das zeigt auch die Dualität des Albumkonzepts – das Gute mit dem Schlechten. Das Leben verändert sich ständig und ich habe viele Hochs und Tiefs durchgemacht.
Könnt ihr einen Song nennen, der den tiefsten Punkt dieser Reise für euch symbolisiert und warum?
Jonathan: Für mich ist das definitiv der Song „Cityscapes“, der vom Tod meines Vaters handelt. Das war ein wirklicher Tiefpunkt in meinem Leben. „Breathless“ am Schluss des Albums repräsentiert dann den Gegenpol, er ist fröhlich und positiv.
In „Death grip“ geht es um die Erfahrungen auf dem Operationstisch 2015. Gibt es auf dem Album auch einen Song, der das positive Gegenstück dazu darstellt – etwa den Moment, als ihr wieder vollständig zurück im Leben wart?
Jim: Ja, „Earn it“ ist in gewisser Weise das Gegenteil dazu. „Death grip“ stammt aus diesem Moment, als wir dem Tod nahe waren. „Earn it“ hingegen handelt von unserem Comeback, dem Zurückkehren zu Auftritten und zum Songschreiben. Es geht um die harte Arbeit, die nötig war, um wieder dorthin zu kommen, wo unsere Kollegen bereits waren. Diese Songs entstammen zwei völlig gegensätzlichen Erfahrungen.
Andrew: „Wash it away“ könnte man auch zu dieser Liste hinzufügen. Es ist ein Song, der uns erlaubt, einen sauberen Schnitt zu machen und noch mal neu zu beginnen. Das ist eine sehr positive Sache, besonders nach all dem Chaos der letzten Jahre.
Auf dem neuen Album finden sich vermehrt melodische, catchy Komponenten. Wie findet ihr die Balance zwischen dem Einführen neuer musikalischer Ideen und dem Bewahren eures charakteristischen Sounds?
Jonathan: Der Vorteil bei der Entstehung dieses Albums war, dass wir mit verschiedenen Leuten zusammengearbeitet haben, ohne Vorbehalte oder bestimmte Vorgaben. Wir wussten, dass wir, egal was passiert, immer unverkennbare THE GHOST INSIDE-Songs schreiben würden. Ein Stück wie „Wash it away“ klingt zwar anders als früheres Material, hat aber immer noch viele Elemente, die einfach typisch für uns sind.
Bemerkenswert ist der verstärkte Einsatz von Klargesang. Könnt ihr etwas über die technischen oder emotionalen Herausforderungen erzählen, denen ihr während der Aufnahmen begegnet seid?
Jonathan: Ich war nie ein ausgebildeter Sänger, ich habe einfach angefangen, in einer Band zu schreien, weil sie jemanden brauchten. Bei früheren Alben haben wir mit Produzenten wie Jeremy McKinnon zusammengearbeitet, der Melodie und Gesang in unsere Songs integrierte. Auf diesem Album wollten wir uns beim Singen nicht mehr zurückhalten. Wir haben verschiedene Versionen aufgenommen und uns letztlich für die entschieden, die am besten klang. Es ist eine Herausforderung, aber den Gesang dann auch live umsetzen zu können, ist etwas, woran ich gerade hart arbeite.
Jim: Genau, die Live-Situation habe ich ebenfalls verstärkt geübt. Früher habe ich nur im Studio gesungen, aber jetzt lerne ich, wie ich meine Parts auch live performen kann. Das ist wichtig, denn auf der Bühne hat man nur einen Versuch, alles muss direkt passen.
Die Meinungen über das Album sind geteilt, wenn man sich die bereits veröffentlichten Singles auf Social Media anschaut. Ihr betont aber die große Bedeutung der Authentizität. Wie entscheidet ihr, welche Rückmeldungen ihr künftig in euren kreativen Prozess einfließen lasst?
Andrew: Wir sehen die negativen Kommentare, aber man muss darüber stehen. Nicht jeder muss es mögen, das ist normal. Für diejenigen, die den neuen Stil nicht feiern, gibt es ja immer noch unsere alten Sachen. Wichtiger ist, dass wir selbst das neue Album lieben. Wir lassen uns nicht von Kritik beeinflussen, die auf sozialen Medien geäußert wird. Ich habe beobachtet, dass selbst Bands, die ausgezeichnete Arbeit leisten, die genau ihren Stil treffen, dafür trotzdem Kritik ernten. Man kann es nicht jedem recht machen. Also konzentrieren wir uns darauf, dass wir mit unserer Musik zufrieden sind.
Chris: Unsere Band hat schon immer verschiedene Stile ausprobiert. Das ist ein Teil dessen, was wir tun. Die Leute haben unterschiedliche Favoriten, und das ist auch gut so. Aber am wichtigsten ist für uns, authentisch zu bleiben. Da wir beinahe hätten aufhören müssen, Musik zu machen, betrachten wir das jetzt als zweite Chance. Wir geben unser Bestes, schließlich kann es ja immer sein, dass wir alles wieder verlieren.
Zu den Themen Überwindung und Widerstandsfähigkeit, die in Songs wie „Death grip“ deutlich werden: Auf welche Weise können eure Zuhörer diese Botschaften auf ihre eigenen Herausforderungen übertragen?
Jonathan: Seit unserem Comeback haben wir unglaublich viele Menschen getroffen, die Verletzungen oder körperliche Einschränkungen haben und unsere Musik als inspirierend empfinden. Es ist beeindruckend, solche direkten Rückmeldungen zu erhalten. Kürzlich in Südamerika traf ich einen Schlagzeuger mit einer Beinamputation, genau wie unser Schlagzeuger Andrew, der in der ersten Reihe stand und jedes Wort mitsang. Es zeigt, dass unsere Musik Menschen helfen kann, ihre eigenen Schwierigkeiten zu überwinden.
Letzte Frage zu eurer Europatour im Herbst: Könnt ihr schon etwas darüber sagen, wer euch unterstützen wird?
Jim: Noch nicht. Wir denken jedoch, dass unseren Fans das Line-up gefallen wird. Aber diesmal ist es wirklich unsere Tour, unser Moment, um unser neues Album zu präsentieren. Wir vertrauen darauf, dass unsere Fans in Europa, die uns immer so unglaublich unterstützt haben, genauso viel Spaß daran haben werden wie wir.
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