Die Sicht der Dinge

Im August kommt via Nois-o-lution das neue GENEPOOL-Werk "Sendung/Signale" in die Läden. Vor ein paar Monaten hatte ich in Köln vor einem Auftritt der Band die Möglichkeit, mit Hilfe von Musik und der einen oder anderen dummen Frage, den Stand der Dinge zu klären. Allerdings war der Einzige, der sich äußerte, Sänger Letten, bekanntlich auch noch Mitglied von SMOKE BLOW, und so war es im Endeffekt schwer abzugrenzen, wo die eine Band anfängt und die andere aufhört. Wie auch immer, Letten ist kein Mensch, der mit seiner Meinung hinter dem Berg hält ?

"Lovesong for a Mexican", McLUSKY

Die Band gibt es inzwischen nicht mehr, die kamen aus Wales.

Aus Wales? Ach so, ich weiß. Mir fällt jetzt der Name nicht ein, McLUSKY? Ich hab von denen ein paar Mal was gehört, und fand das eigentlich immer ganz gut. Schockt auf jeden Fall! Würde ich mir aber nicht kaufen, ich meine, ich kaufe mir sowieso keine Musik - kein Geld. Ich mache halt selber auch soviel Musik, es gibt ja noch andere Dinge im Leben. Wenn, dann hole ich mir ältere Sachen wieder neu, beispielsweise BLONDIE oder so. Als letztes hab ich mir glaub ich MY BLOODY VALENTINE zugelegt. Schwachsinn, jetzt fällt es mir wieder ein, das letzte, was ich mir besorgt habe, war "Penthouse & Pavement" von HEAVEN 17, so eine politische Popband aus den Achtzigern, find ich total super.



McLUSKY haben mit Albini aufgenommen, bei GENEPOOL habt ihr Guido Lucas in der Band. Wie wichtig ist dir die Produktion einer Band?

Für mich ist das überhaupt nicht wichtig, geht mir völlig am Arsch vorbei. Wirklich total scheißegal. Ob irgendetwas fett klingt oder nicht, ist mir so was von Banane. Nimm irgendwelche alten STOOGES-Tracks, die sind so ultra beschissen aufgenommen und überzeugen trotzdem mehr als jede Metal-Produktion. Ich finde, eine Aufnahme muss irgendwo Seele haben, kann aber zeitgleich total ranzig klingen. Die meisten Bands geben viel zu viel auf die Produktion, die wollen alle einen möglichst breiten Sound haben und auf dicke Hose machen. Das geht in den meisten Fällen schief. Man muss als Band erst mal an den Punkt kommen, wo man eine arschglatte Popproduktion schafft, die sich gut anhört. So wie Jan Delay beispielsweise, dafür brauchst du wirklich Leute, die gut sind in dem, was sie machen. Außerdem müssen es verdammt gute Songs sein.



"Live with me", TWILIGHT SINGERS

Sind das INTERPOL oder was?



Der Typ, der da singt, hat bei den SCREAMING TREES gesungen.

Jetzt muss ich erst mal auf den Namen kommen, die Soloplatte von dem hieß auf jeden Fall "Bubblegum".



Hier macht Mark Lanegan zusammen mit Greg Dulli Musik.

So oder so ein großer Sänger, kannst du wegen mir in eine Reihe mit Jim Morrison stellen, zumindest vom Vibe und Timbre her. Greg Dulli ist auch ein ganz toller Musiker. Das hier ist auch wieder ein super Song. Aber ich kenne diesen ganzen neuen Scheiß halt nicht. Wenn überhaupt, von den Samplern im Visions oder im Ox, haha. Und vom Metal Hammer, Alter.



Du liest den Metal Hammer?

Nein. Na ja, gelegentlich, auf Tour fliegt der öfters im Bus rum. Ich bin eher so ein alter Fanzine-Typ.



Glaubst du, dass sich kleine Hefte gegen die Möglichkeiten des Internets durchsetzen können?

Ich fände es schon schade, wenn die Fanzine-Kultur ausstirbt. Wir leben halt in einer total beschissenen Zeit, in der alles total lieblos geworden ist. Ich hasse Computer, der ganze Dreck ist mir total egal. Ich hab letztens im Rolling Stone ein Interview mit Paul Weller und einem von den OASIS-Typen gelesen, wo sie sagen, das, was sie verbindet, ist, dass sie beide keinen Computer haben. Gallagher meint, er hätte Angst, wenn er den Computer anschaltet, würde er Neutronenbomben auf Bangladesch schießen Das trifft die Sache auch bei mir ganz gut. Der ganze Internetdreck ekelt mich an, all diese Kinderpornoscheiße oder irgendwelche Selbstmord-Foren. Das hört sich so opamäßig an, nach dem Motto "die Jugend von heute", aber ich werde nun mal auch älter, da kann ich nichts dafür.



Zurück zum Stück, ist Blues ein Thema für euch?

Auf jeden Fall, Blues ist die Wurzel. Ganz klar, bevor es SMOKE BLOW so gab wie jetzt, haben wir total viel Blues gespielt. Eigentlich waren wir sogar eine richtige Blues-Band und hatten auch einen Gitarristen dabei der sehr in diese Richtung ging. Aber irgendwann hatten wir keine Lust mehr, und wollten wieder rumschmettern, weil uns das Ganze zu bierbäuchig wurde. Aber wie gesagt, das hier ist ein toller Song.



"French immersion", CANCER BATS

Das ist aber ganz modern. Sind das MASTODON?



Eher Southern als Prog.

Southern Rock mit Hardcore, so Phil Anselmo-mäßig. EYEHATEGOD, oder was? Nein EYEHATEGOD sind ja viel älter und besser. Erinnert mich an Bands, die früher auf Man's Ruin veröffentlicht haben. Das sind aber auch nicht ALABAMA THUNDERPUSSY.



Das sind CANCER BATS.

Kenne ich nicht. Spricht mich aber auch nicht an. DOWN oder ACID BATH find ich geiler, halt die ganzen alten New Orleans-Bands, die nach Pisse und Drogen klangen. Aus diesem Bereich wird es nie wieder eine bessere Band als EYEHATEGOD geben, die waren der Tod in Musik verpackt. Das Grauen! Das hier ist viel zu glatt und viel zu langweilig, mach weiter.



"Gardens", HEAVENS

Super! Erinnert mich teilweise an die neuen GENEPOOL-Sachen. Das hier kenn ich auch, HEAVENS - tolle Platte. Hätte noch besser werden können, wenn sie mich bei den Melodien gefragt hätten. Blödsinn, ist ein schönes Album. Dieses JOY DIVISION/NEW ORDER-Ding ist sowieso Musik, die ich sehr gerne höre. Aber dieses Düstere ist auch wieder ein bisschen in Mode gekommen, ein wenig schade ist das schon. Passiert mit häufiger, dass Musik, die ich mag, kurze Zeit später erfolgreich wird. Schon komisch, aber es kommt ja auch gute Musik wie INTERPOL dabei raus. Oder die EDITORS, eine ganz, ganz großartige Band, die mich wirklich berührt.



"Quick", BUBONIX

Labelmates von euch.

CAMERAN oder BUBONIX? Die haben schon Feuer im Arsch. Sehr stark und wirklich lustig. Halt so Kraut und Rüben, wie diese ganzen Crossover-Bands Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger. Normalerweise ist so was ja total schrecklich. Das hier ist aber gut. Im Endeffekt ist im Hardcore alles wiedergekommen, beziehungsweise es war die ganze Zeit über da. Straight Edge gibt es noch in kleinen elitären Kreisen, die Anarchobewegung gibt es immer noch, und für die ganz Coolen ist jetzt wieder so eine Rock'n'Roll-Szene dazugekommen. Das hat natürlich alles seine Daseinsberechtigung, ist aber teilweise schon sehr an Fashion orientiert. War früher nicht so, meiner Meinung nach ging es da noch ein bisschen mehr um persönliche Dinge. Natürlich ging es auch schon um Mode, aber damals war dieser Aspekt geiler, weil man sich seine T-Shirts selber gemacht hat. Man musste drei Monate Zeitungen austragen gehen, um sich ein Paar Vans leisten zu können. Heute sieht alles gleich aus und die Leute lassen sich nichts mehr einfallen. Nur weil Emo gerade dran ist, färben sich die Kids die Haare schwarz und machen sich einen Seitenscheitel. Ist alles ein bisschen oberflächlich geworden, das finde ich schade.



Musikalisch ist es eher selten, dass Hardcore-Bands es schaffen, der Sache etwas Neues abzugewinnen ?

Stimmt, häufig klingt das dann aufgesetzt und langweilig. Aber BUBONIX find ich gut.



Die gibt es ja schon dreizehn Jahre ...

Nach und nach nehmen die Leute Notiz von einem, uns gibt es ja auch schon zehntausend Jahre. Irgendwann kommen dann vierhundert Leute zum Konzert, egal, wenn ab und zu wieder nur achtzig kommen. Ich habe ja nie den Anspruch gehabt, damit meinen Lebensunterhalt zu verdienen oder Rockstar zu werden. Auf der Bühne tue ich allerdings ganz gerne so ...



"Wolf like me", TV ON THE RADIO

Das klingt verdammt gut. JESUS & MARY CHAIN? PUSSY GALORE?



Jetzt, der Gesang ...

Super, mach lauter. BLACK REBEL MOTORCYCLE CLUB?



TV ON THE RADIO.

Kenne ich nicht, trotzdem sehr gut.



"Rosemarie's baby", FANTOMAS

Kenne ich, irgendwas mit Mike Patton. Ich sage ja jetzt nichts Neues, wenn ich behaupte, dass das der beste Rocksänger, wenn nicht sogar der beste Sänger überhaupt ist. Ja, "Rosemarie's baby", ich lasse mich auch gerne von Filmen beeinflussen. "Blow Up" finde ich gut, der hat eine sehr schöne Atmosphäre. Ansonsten "Papillon" mit Steve McQueen, oder natürlich "Apocalypse Now". Wie heißt noch mal der Film von Jim Jarmusch mit Johnny Depp ... "Dead Man". Sehr gruselig ist auch der erste "Nosferatu". Außerdem mag ich alle "Jurassic Park"-Teile, im Ernst.



"Combat", DEFTONES

DEFTONES find ich total gut, ein ganz toller Sänger. Eine Band, die es wirklich geschafft hat, etwas Anderes und Neues zumachen. Klar, ist das inzwischen nicht mehr neu, aber das ist auch okay so, die müssen sich nicht mehr riesig weiterentwickeln. Die Gesangslinien sind schon klasse. Ist das die Neue? Find ich gut, mach mal lauter.

Was hältst du von Bands dieser Größenordnung, die in Interviews nur noch über ihre Egoprobleme zu berichten wissen?

Ich finde es interessant, weil ich so was gerne lese.



"Moving in stereo", FU MANCHU

Eine Coverversion von den CARS.

Ein CARS-Best-Of habe ich mir vor kurzem auch geholt. Sind aber nicht die MELVINS oder?



FU MANCHU.

Ja, ganz lustig. Die waren aber nie wirklich mein Ding.



"Straight outta Compton", NWA

Das ist verdammt gut, Oldschool! NWA, der beste Track. Das ist Punkrock pur, da steckt der Hass drin. Darauf sind wir zu meiner Zeit steil gegangen.



Stichwort Bushido, Sido und so weiter ...

Ich finde, Sido hat genauso wie Bushido ein paar ganz gute Stücke. Das Zeug kickt schon und ist auch schön asozial. Aber ein Fünfzehnjähriger, der auf seine Eltern scheißt und nie Erziehung genossen hat, nur vorm Computer rumballert, sich eine Baseballmütze auf den Kopf setzt und dann solche Musik hört, versteht das halt nicht. Ich habe halt teilweise mit Kids zu tun, die so drauf sind. Die halten sich für die Größten mit den größten Schwänzen, tragen Klamotten für 400 Euro am Leib und laufen mit teuren Handys rum. Die können nicht mal anständige Spaghetti Bolo kochen und halten sich für die dicken Maxe. Dann kommen Bushido, Fler und wie sie alle heißen an, kassieren ab und bestätigen sie in ihrem wertelosen Getue. Das find ich nicht cool, auch wenn die Musik in Ordnung ist.



Lars Koch