Tatsächlich ist „Blumengrüße aus München“, das erste Ox-Interview mit PamP, dem Mastermind von GARDEN GANG, schon länger her. Ganze 16 Jahre später sollte also ein Update drin sein. Seither hat sich nicht nur die Punk-Welt kräftig weitergedreht, die Band ist aber immer noch da und sprüht nur so vor Elan und Esprit – dem Weltgeschehen und persönlichen Schicksalen zum Trotz. Mit ihrem kreativen und hochmelodiösen Crossover aus 77er-Punk, New Wave und Angry Pop verstehen sie es, den klassischen Punksound in die Neuzeit zu katapultieren.
Bei euch hat sich in letzter Zeit einiges getan, bringt uns doch mal bitte auf den neuesten Stand.
PamP: Nach den letzten Aufnahmen für die neue Single und zwei weiteren Songs für Sampler, die demnächst erscheinen werden, gab es erneute Besetzungswechsel. Andi Social und Peter Rriot [sic!] sind nicht mehr dabei. Peter spielt nun Gitarre für Andis neue Combo ANDI SOCIAL. In der Gang übernimmt nun Pät Durango den Gitarrenpart, er spielte zuletzt für die DORKS, JELLY BRAINS und davor mit den DURANGOS. Am Bass ganz neu dabei ist Mel Roxy, ehemals MIKA BOMB und DAILY SOAP. Sie vervollständigt das neue Line-up, mit dem wir jetzt auch schon wieder fünf Gigs absolviert haben, es geht also straff weiter.
Und wie hält man die Mädels und Jungs am besten zusammen? Auch Proben und Auftritte müssen ja organisiert werden ...
PamP: Ja, das ist eigentlich immer der aufwändigste Part, jedenfalls für mich, die Organisation, und in jeder Besetzung gibt es die unterschiedlichsten Hürden zu meistern. Deswegen gibt es keine Regeln für eine pauschale Vorgehensweise und es ist auch von den gesamten Rahmenbedingungen abhängig, wie und was machbar ist. Bis vor ein paar Jahren gab es eigentlich nie so was wie einen festen Proberaum, es wurde immer nur fürs Studio oder anstehende Touren an unterschiedlichen Orten sporadisch geprobt. Das ist jetzt seit ein paar Jahren anders. Es gibt einen Raum in München und die Gang trifft sich einmal pro Woche zum Proben. Bislang funktioniert das neue Vorgehenssystem ganz gut und auf aktuelle Entwicklungen und Umstände muss man immer wieder neu eingehen und versuchen, alles so zu regeln, dass alles am Laufen bleibt. Das Booking mache ich nun auch schon seit Jahrzehnten, wenigstens muss man mittlerweile nicht mehr so oft zur Post radeln und Promo-Material verschicken, haha.
Die neuen Songs sind grandios und versprühen ordentlich Esprit und Energie. Da kommt doch sicher bald noch mehr, oder?
PamP: Freut mich, dass sie dir gefallen. Die zwei Songs auf der Single sind eine Ergänzung zu „For Fück’s Sake“, dem Buch von Nelly Hunter, unserem Drummer, das während der Corona-Zeit entstand, auch die Texte sind von ihm. Zwei weitere frisch eingespielte Titel werden bald auf zwei verschiedenen Compilations erscheinen, und im kommenden Jahr starten wir mit den Aufnahmen zum neuen Album. Vorher gibt es übrigens noch unsere ganz neue Single „Mrs Walker“ ...
Das sind doch gute Neuigkeiten! Wie fühlt sich das neuerliche Live-Spielen an? Könnt ihr befreit aufspielen oder steht Corona gefühlt immer mit auf der Bühne? Das Gefühl, dass der Spaß schon bald wieder vorbei sein könnte, ist ja leider omnipräsent.
PamP: Die ersten Gigs in neuer Besetzung sind absolviert und es fühlte sich echt gut an. Natürlich ist der Gedanke an das Virus eine ständige Begleiterscheinung und man verhält sich vielleicht etwas vorsichtiger, aber es muss einfach weitergehen. Bisher mussten wir noch keinen Gig absagen – toi, toi toi –, mal sehen, was noch kommt.
Punkrock hält jung – zumindest im Herzen. Trotzdem geht der Blick, je älter man wird, häufiger zurück. Paradebeispiel ist die aktuelle 7“ „When We Were Young“. Paradox, aber wohl Teil unseres Daseins.
Nelly: Das ist wahr, das hat uns alle zu dem gemacht, was wir sind. Ich glaube, wenn man sich in seiner Jugend so tief in etwas verbeißt, bleibt es für immer bei einem. Ich bin sicher, dass selbst Leute, die es vor Jahrzehnten hinter sich gelassen haben, immer noch ein Kribbeln spüren, wenn sie „White riot“ oder „New rose“ hören. Die Texte auf „When We Were Young“ wurden inspiriert, als ich mein Buch schrieb und an diese Zeit zurückdachte und an die Aufregung, mit den begrenzten Mitteln, die wir damals hatten, neue Bands zu entdecken. Ich glaube nicht, dass sich der Punkrock mit der heutigen Technologie auf dieselbe Weise hätte entwickeln können. Ich hänge aber nicht in der Vergangenheit fest, ich bin immer auf der Suche nach neuen Bands. Neu in diesem Jahr sind für mich, unter anderem und in keiner bestimmten Reihenfolge, WYLDLIFE, THE PISSED ONES, THE DROWNS, MONKEY MIND, MILLIE MANDERS AND THE SHUT UP oder Marc Valentine.
Beim letzten Interview hattest du sehr zwiespältige Gefühle hinsichtlich deiner Geburtsstadt München. „Provinz first, München second“ gilt noch immer? Lieber Kleingarten als Englischer Garten? Wie steht’s um die Punk- und Indie-Szene im Millionendorf?
PamP: Als privaten Rückzugsort auf jeden Fall immer noch lieber Kleingarten als Englischer Garten. In der Szene hat sich schon einiges getan und ich muss auch sagen, dass ich mittlerweile wieder öfter in München anzutreffen bin. In der neuen Besetzung haben wir nun einen Proberaum direkt in der City, auf diesem Weg bin ich meinem Geburtsort in gewisser Weise wieder etwas nähergekommen. Die Szene ist, mal abgesehen von der Corona-Unterbrechung, auch wieder lebendiger und vielfältiger geworden. Viel dazu beigetragen hat in den letzten zehn Jahren wohl Stefan Lampertius von M.U.F.T. Concerts, er veranstaltet all die Bands, die sonst oftmals nicht live in München zu sehen gewesen wären. Er bietet dadurch auch den lokalen Gruppen, gerade den Neulingen, die Möglichkeit, in verschiedenen Clubs international angesagte Acts zu supporten.
Also, back to the roots im besten Sinne. Wie Nelly schon sagte, einmal infiziert, kann man vom Punk nicht lassen, und irgendwann schließt sich der Kreis. Warum, meinst du, ist Punk auch heutzutage noch relevant, oder sind wir alle einer verklärenden Illusion verfallen?
PamP: Ich glaube, Punk als Bewegung hat damals eine unheimliche Energie freigesetzt, einfach alles tun zu können und alles erreichen zu können, wenn man es einfach nur macht, und dieser Spirit, denke ich, ist am Leben geblieben. Ob Illusion oder nicht, ich glaube, das muss jeder für sich selbst entscheiden. Es existiert eine Szene mit kreativen Menschen, Veranstaltern, dem Publikum und den Bands und Musikern, die sie beleben. Vieles, was damals kreative Geister im Kleinen angestoßen haben, hat sich in verschiedenster Form weiterentwickelt und auch einer großen Masse den Zugang geebnet, damit natürlich auch bis in den Mainstream hinein. Für mich jedenfalls war es damals eine Befreiung aus kleinbürgerlichen Zwängen und es hat mir das Selbstbewusstsein gegeben, meinen eigenen Weg zu gehen. Ohne Punk hätte ich wohl niemals selbst Musik gemacht und mein Leben wäre gänzlich anders verlaufen.
Kleine Clubkonzerte sind die Essenz unserer Szene. Hier trifft man sich, smalltalkt und so weiter. Spürst du hier Veränderungen in den letzten Jahren, kommen nur noch die üblichen Verdächtigen oder ist die nächste Generation genügend on fire?
PamP: Was ich in den letzten zehn Jahren wahrnehme, ist auf jeden Fall, dass vermehrt älteres Publikum wieder anfängt zu Konzerten zu pilgern. Meistens sind das Leute aus der Szene, die plötzlich wieder auftauchen. Ihre Kinder sind mittlerweile erwachsen und gehen ihrer eigenen Wege. Einige sind gar schon in Rente und so kehren sie zurück in die Clubs. Ob die nächste Generation genügend on fire ist, kann ich noch nicht so genau sagen, das wird sich zeigen, jedenfalls kommen sie schon auch in die kleinen Clubs. Viele haben jetzt enormen Nachholbedarf nach fast drei Jahren Corona-Enthaltsamkeit. Wie das jetzt alles wieder in Fahrt kommt, werden erst die nächsten Jahre zeigen. Ich hoffe und glaube auch, dass die kleine Clubszene bestehen bleibt, vielleicht sogar in Zukunft mehr Zulauf haben wird. Die Mega-Events stoßen an ihre Grenzen.
PamP, was liegt dir noch am Herzen, welche Träume oder Ziele hast du mit deiner Gang?
PamP: Wir werden dieses Jahr ein neues Album aufnehmen, und dann will ich mit der Gang unbedingt wieder losziehen und neue Orte und natürlich auch weiterhin altbekannte Stationen ansteuern. Leute, unterstützt die Bands, kauft ihre Platten, CDs, T-Shirts und kommt vor allem zu den kleineren Konzerten!
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