FU MANCHU

Foto© by Thom Cooper

Slowed Down Hardcore

Die Kalifornier, die 2020 ihr dreißigjähriges Bandjubiläum feierten, sind Urgesteine des sogenannten Stoner-Rock. Über diese Bezeichnung, die die Band nicht besonders mag und über das neue Doppelalbum „The Return Of Tomorrow“, das am 14. Juni erscheint, sprach ich mit Gründer, Songschreiber, Sänger und Gitarrist Scott Hill.

Das letzte Interview mit dir im Ox fand anlässlich des Albums „Signs Of Infinite Power“ statt, das ist 15 Jahre her. Wie würdest du die Evolution von FU MANCHU seither beschreiben?

Wir sind dazu zurückgekehrt, die Songs simpler zu machen. Wir haben irgendwann geprobt und Setlists für anstehende Touren erstellt. Dabei haben wir über das Album gesprochen. Wir hatten darauf diese seltsamen kleinen Parts, an die ich mich nie erinnern kann, weshalb ich diese Songs live immer versemmle. Darum habe ich gesagt: „Hey, lasst uns einfach nicht diese ganzen seltsamen Breaks und so Zeug einbauen, lasst es uns einfach halten.“ Deshalb haben wir für die neue Platte einfach simple Riffs zusammengeschraubt.

Würdest du sagen, dass das seit „Signs Of Infinite Power“ eine konstante Entwicklung war, oder habt ihr verschiedene Dinge ausprobiert?
Ich weiß nicht, was mit dem Album los war, dass wir diese ganzen seltsamen Sachen ausprobiert haben. Wir wollten es irgendwie interessanter für uns machen. Aber vielleicht bin ich ein Idiot, denn obwohl ich den Kram geschrieben habe, konnte ich mich nie daran erinnern. Es war also seither eine Art „De-Evolution“, wir sind dazu zurückgekehrt, alles wieder einfacher zu machen. Vielleicht werden wir im Alter einfach dümmer und dümmer.

Ich habe vorhin das Wort „Evolution“ benutzt und du hast schon gesagt, dass es eigentlich eher eine „De-Evolution“ war. Wenn man über Musik spricht, redet man oft darüber, wie sich eine Band weiterentwickelt hat, welchen Fortschritt sie gemacht hat. Ich habe den Eindruck, bei FU MANCHU ist das gar nicht der Maßstab, sondern ihr erzählt diesen speziellen Stil, den ihr gefunden habt, einfach weiter. Was denkst du darüber?
Uns gibt es jetzt seit 1990 und wir sind nie weit von unserem Kurs abgewichen: geradlinig, heavy Riffs, das ist einfach, was wir mögen. Die Typen in der Band sind alle wirklich gute Musiker, die können alles Mögliche spielen. Aber wenn wir zusammenkommen, wollen wir alle diese Art von Musik spielen. Als neues Album wollten wir aber keine komplette Platte mit schweren Songs machen. Wir wollten auch etwas Softeres aufnehmen. Ich bin da sehr beschränkt: Ich höre heavy oder softes Zeug. Ich mag nichts Gemischtes. Ich habe also gesagt: „Hey, lasst uns ein Doppelalbum machen. Wir packen fünf oder sechs Songs auf jede Platte. Eine heavy, die andere soft.“

War es von Anfang an der Plan, dass „Return Of Tomorrow“ diese beiden Seiten abbildet, oder habt ihr einfach Songs geschrieben und es hat sich in diese Richtung entwickelt?
Es war ein bisschen von beidem. Als wir zusammengekommen sind, um das Album zu schreiben, hatte ich ein, zwei von den softeren Stücken dabei. Anstatt dann das Fuzz-Pedal zu benutzen, habe ich das einfach mal weggelassen. Wir waren gespannt, wie es klingt, und fanden es gut. Dann habe ich vorgeschlagen, dass wir das aufteilen und ein Doppelalbum daraus machen, das hatten wir noch nie gemacht. Wir haben dann einfach die soften Songs von den schweren getrennt.

Was bedeutet der Titel, „Return Of Tomorrow“?
Ich habe ein riesiges 200-Liter-Salzwasseraquarium, vor dem ich eine Zeit lang täglich stundenlang in meinem Loungesessel gesessen und vollkommen die Zeit vergessen habe. Und das ganz ohne Drogen! Ich dachte dann, dass das verschwendete Zeit sei, aber ich mache es immer wieder. Das ist für mich „the return of tomorrow“, eine Wiederkehr meiner eigenen seltsamen Gewohnheit. Ich hatte dann an manchen Tagen so was wie eine außerkörperliche Erfahrung, wo ich mich selbst sehe, das ist auf dem Cover dargestellt: sich einfach treiben und die Gedanken schweifen lassen.

Das ist euer erstes Album seit 2018. In der Zwischenzeit habt ihr allerdings mehrere EPs rausgebracht, ihr scheint euch also nicht so sehr auf das Veröffentlichen von Alben zu konzentrieren.
Wir haben diese 3-Song-10“s rausgebracht, weil 2020 unser dreißigjähriges Jubiläum war. Wir haben jeweils zwei neue Stücke aufgenommen und einen Coversong dazugepackt. Der Plan war, alle vier Monate so eine Platten aufzunehmen und herauszubringen. Aber offensichtlich sind 2020 andere Dinge passiert und touren war auch nicht möglich. Wir haben dann stattdessen, ich glaube jedes Jahr, eine dieser 10“s rausgebracht. Uns fällt einfach ständig etwas ein und wir denken dann nicht: Oh, wir haben gerade ein Album veröffentlicht, wir können jetzt nicht noch eins machen. Wir produzieren dann einfach eine 7“ oder eine 10“ und verkaufen sie auf unseren Konzerten. Ich bin ein großer Freund von Vinyl. Immer, wenn wir die Möglichkeit haben, etwas aufzunehmen und zu veröffentlichen, tun wir es.

Wie schafft ihr es, dass ihr so spontan etwas auf Vinyl veröffentlichen könnt? Ich weiß, dass ihr inzwischen ein eigenes Label habt ...
Wir machen das meiste selbst und Cargo UK presst und vertreibt unsere Platten. Es dauert heutzutage zwar alles etwas länger, aber die haben uns wirklich sehr geholfen. Zu Hause haben wir ein Studio in der Nähe, wo wir, glaube ich, seit 2017 aufnehmen. Wir spielen also Konzerte und verkaufen Merchandise und nutzen das Geld fürs Aufnehmen. Wir machen das alles selbst, das kann positiv, aber auch negativ sein, haha. Wir denken manchmal, vielleicht hätte jemand uns ein bisschen helfen können. Wir glauben immer, dass wir wissen, was wir tun. Aber gelegentlich stellt sich heraus, dass wir es nicht wissen. Wir haben aber viel gelernt. Wir produzieren gewöhnlich auch selbst. Unser Freund Jim Monroe, dem auch das Studio gehört, hilft uns dabei. Er ist wie ein fünftes Bandmitglied. Wir spielen ihm die Demos vor und sprechen darüber, wie wir was arrangieren sollten. Unser Manager Brian berät uns auch, wenn wir Musik aufnehmen. Wir machen also viel selbst, aber haben Menschen um uns herum, deren Meinung wir schätzen.

Was ist der größte Unterschied zwischen den Songs auf den Demos und den fertigen auf dem Album?
Sie sind für gewöhnlich sehr ähnlich. Manchmal bietet uns unser Schlagzeuger, der wirklich sehr gut ist, verschiedene Alternativen an, bei denen wir uns für eine entscheiden müssen. Wir haben aber meistens schon alles ziemlich festgezurrt, bevor wir ins Studio gehen. Wir haben auch einfach nicht so viel Geld und Zeit für die Studioaufnahmen zur Verfügung.

Ich denke, dass das keine schlechte Taktik ist, weil ihr so vielleicht auch sehr nah am Live-Sound bleibt.
Das stimmt. Wir lieben es, live zu spielen, und wenn wir nah an diesem Sound sind, sind wir zufrieden. Wir klingen nie wirklich überproduziert. Wir haben in unserer Karriere Songs gemacht, bei denen ich dachte: „Oh Gott, wie wollen wir das bloß live spielen?“ Aber in den meisten Fällen können wir das, was wir im Studio machen, auch live spielen.

Bei welchem Song hast du gedacht: „Oh, wie wollen wir das live spielen?“?
Auf unserem letzten Album „Clone Of The Universe“ gibt es einen Track, der „Il mostro atomico“ heißt. Für das Album hatten wir elf Songs, die wir alle mochten, und ich habe vorgeschlagen, fünf davon zu nehmen und aus den restlichen die besten Parts auszuwählen und daraus einen richtig langen Song zu machen. Und wir dachten alle, dass es mega cool wäre, wenn die zweite Seite des Albums aus nur einem Song besteht. Der Song besteht aus etwa 15 verschiedenen Teilen und wir hatten Angst davor, ihn live zu spielen. Es hat aber nach den Proben ganz gut funktioniert. Ich denke einfach nicht gerne nach, wenn ich Musik spiele. Deshalb ist unsere Musik so simpel. Aber dieser Song erfordert ein wenig Denken.

Ich weiß, dass du das Label Stoner-Rock nicht so magst, aber für mich ist das eine gute Bezeichnung für Musik, die wenig Denken erfordert, simpel ist und so einen natürlichen Flow hat.
Ich hasse die Bezeichnung nicht. Aber du hast schon recht, es ist nicht viel Nachdenken involviert, zumindest bei uns. Unsere Songs sind ziemlich simpel und zugänglich.

Man nennt den Sound ja auch Desert-Rock, aber ich las, dass ihr den Begriff Beach-Rock bevorzugt, weil ihr nicht aus der Wüste kommt.
Wir sind am Strand aufgewachsen, aber die Wüste ist ziemlich nah. Wir sind mit den Typen von KYUSS befreundet und haben oft Konzerte mit ihnen gespielt, deshalb haben wir auch dieses Etikett Desert-Rock bekommen. Ich fand das immer seltsam, weil sich ja auch unser Artwork oft auf den Strand bezieht.

Ihr seid auch stark vom Hardcore der 1980er Jahre beeinflusst. FU MANCHU haben aber von Anfang an mehr nach Rock als nach Hardcore geklungen. Warum habt ihr diese Richtung eingeschlagen?
Ich sehe uns als langsame Hardcore-Band, wir haben ein paar Riffs, eine Bridge und ein Outro, so ist ja so ziemlich jeder Hardcore-Song aufgebaut. 1980 hatte ein Freund von mir eine BLACK FLAG-Liveaufnahme auf Kassette. Ich hatte so was noch nie gehört und war total begeistert. Wir haben dann T.S.O.L., CIRCLE JERKS, ADOLESCENTS, MINOR THREAT und NEGATIVE APPROACH entdeckt. Ich habe dann meine KISS- und BLACK SABBATH-Platten in den Schrank gestellt. Mein Freund und ich haben beschlossen: Wir werden dieses Zeug nie wieder hören! Wir werden nie wieder JUDAS PRIEST hören! Von 1980 bis etwa 1987 habe ich nur noch Hardcore und Punkrock gehört. Ich habe 1985 die Band unter dem Namen VIRULENCE gegründet. Wir wollten superschnellen Hardcore spielen, wie die frühen D.R.I., GANG GREEN, JERRY’S KIDS, NEGATIVE APPROACH oder MINOR THREAT. Aber ich hatte gerade erst angefangen und konnte nicht so schnell spielen. Also waren wir ein bisschen langsamer. Ich höre eigentlich immer noch mehr Hardcore als Rock, kaufe jede Platte, die ich kriegen kann, und habe immer noch all die alten Flyer, Sticker und Shirts. Ich habe den Eindruck, um 1985 haben sich viele Bands in Richtung Metal oder in eine poppigere Richtung entwickelt und mir gefiel beides nicht. Und dann gab es diese Bands wie BL’AST!, CORROSION OF CONFORMITY, die etwas langsamer wurden, SOUNDGARDEN, TAD, NIRVANA, MELVINS, MUDHONEY und MONSTER MAGNET, die uns eine ganz neue, langsamere Richtung aufgezeigt haben.

Was macht für dich einen guten Song aus? Wie weißt du, dass du auf dem richtigen Weg bist, wenn du einen Song schreibst?
Wenn wir bei der Probe alle mit unserem Kopf nicken. Wenn Brad, Bob und Reeder es gut finden. Dann nehmen wir es schnell auf, damit wir nichts vergessen.

Wenn du etwas von einem Musiker deiner Wahl lernen könntest, was wäre es?
Ich würde Jimi Hendrix fragen, wie er diesen verrückten Fuzz-Sound hingekriegt hat. Ich höre mir seine Sachen an und bin jedes Mal beeindruckt, wie er damals schon diesen Sound haben konnte. Das muss damals unglaublich gewesen sein. Es gibt nichts Vergleichbares.

Wenn jemand einen Film drehen würde, für den euer neues Album der Soundtrack wäre, wovon müsste er handeln?
In dem Film würde nicht viel passieren, haha. Es wäre vielleicht ein Roadmovie im Weltall. Die Figuren würden einfach herumcruisen, sich die Gegend anschauen, vielleicht ein oder zwei Aliens treffen.