ELECTRIC FRANKENSTEIN

Ja, ich gebe es zu: sie haben mich in letzter Zeit etwas genervt mit ihrer Release-Politik: kein Ox-Heft erschien, in dem nicht mindestens zwei neue oder alte oder sonstige ELECTRIC FRANKENSTEIN-Platten besprochen wurden, wobei wirklich neues Material oft rar war. Mit "How To Make A Monster", dem neuen Album, sind die aus New Jersey stammenden ELECTRIC FRANKENSTEIN jetzt bei Victory Records untergekommen, man hat nach ständigem "Labelhoppen" jetzt also wohl endlich eine feste Basis gefunden, die Releasepolitik ändert sich hoffentlich und in Europa war man Ende Mai dann auch endlich mal, wobei Deutschland nur mit drei Auftritten bedacht wurde. Ich traf die Band im März in Austin: Steve Miller (voc), Sal Canzonieri (git) und Jim Foster (git) sassen mit mir im Biergarten von "Emo´s", tranken "Shiner Bock" und das Band lief mit. Nicht mit uns am Tisch sassen Dan Canzonieri (bass) und Rob Sefcik (drums).

Mir persönlich ist in letzter Zeit negativ aufgefallen, dass sich eure Releases teilweise stark überschneiden: auf jeden US-Release erfolgt ein Europa-Release mit Bonustracks auf einem anderen Label und andersrum. Was soll das?

Sal: Erstmal ist es so, dass ich sehr viel Post bekomme von Fans, die mir berichten, dass unsere Platten oft nur per Import zu relativ hohen Preisen zu bekommen sind. Also verfahren wir nach Möglichkeit so, dass wir eine Platte für verschiedene Länder lizensieren. Nun bekommen viele Reviewer, im Gegensatz zu den normalen Fans, die gleiche Platte von verschiedenen Labels geschickt und fragen sich dann natürlich, warum das so ist. Und die Antwort lautet: damit die Platten nicht so teuer sind. Mir stinkt es doch auch, wenn ich für eine HELLACOPTERS-7" in New York im Plattenladen $8 zahlen soll. Abgesehen davon zeugt die Zahl von 75.000 verkauften Platten innerhalb von drei Jahren meiner Meinung nach durchaus davon, dass unsere Strategie richtig ist.

Wieso seid ihr jetzt, nachdem ihr bislang jede Platte auf einem anderen Label veröffentlicht habt, zu Victory gegangen?

Sal: Weil wir denken, dass es Sinn macht, alles bei einem Label zu konzentrieren. Es läuft dann nicht mehr so vieles parallel.

Wird das neue Album denn komplett neue Songs enthalten? In der Vergangenheit gab´s von euch zwar viele Platten, aber relativ wenig neue Songs.

Sal: Ja, da gibt´s neue Songs - was du ansprichst hat eben auch damit zu tun, was ich eben schon erklärt habe: wir haben für Europa und die USA fast immer Lizenzen vergeben, und die Verträge mit den Labels besagten eigentlich auch, dass die Platten nicht nach Europa bzw. in die USA verkauft werden dürfen, aber da hält sich wohl kaum jemand dran.

Mit dem Victory-Deal wird also etwas Normalität einkehren für euch: ein Label, ein Album von Zeit zu Zeit und hier und da mal ´ne Single, anstatt ständig bei den verschiedensten, wenn auch durchweg coolen Labels wie Man´s Ruin, Demolition Derby oder Estrus zu veröffentlichen.

Steve: Darauf wird´s rauslaufen, ja. Wir werden im Laufe der nächsten Monate die eine oder andere Single machen, ansonsten konzentriert sich alles auf´s Album, für das sich Victory auch richtig ins Zeug legen.

Sal: Ich bin auch überzeugt, dass sich das Musikbusiness in den nächsten drei, vier Jahren massiv verändern wird. Ich denke, es wird im Verhältnis der Bands zu den Läden und zum Radio eine Revolution geben: mit Hilfe des Internets werden die Bands in Zukunft viel mehr in direktem Kontakt mit den Fans stehen. Schon jetzt haben wir mehrere Songs im MP3-Format im Internet abrufbar, es gibt auch ein exklusives Best of-Album nur im MP3-Format und wir werden in Zukunft auch Songs exklusiv im MP3-Format anbieten.

Jim: Das Internet und die damit verbundenen Möglichkeiten geben auch vielen Independent-Labels die Chance, mit dem Majors in bestimmten Aspekten mitzuhalten. Alles ist in Bewegung.

Sal: Diese Veränderungen können dazu führen, dass sich die Labels in so gut wie gar nichts mehr unterscheiden und der einzige Grund für deine Entscheidung der ist, dass du dem A&R-Mann dort vertraust, dass du weisst, dass dieses Label nur gute Bands nimmt. Es gibt einfach zu viele Bands - derzeit sind im Internet über 6.000 Bands im MP3-Format abrufbar, und täglich werden es mehr, so dass es immer wichtiger wird, sich auf die Vorauswahl von irgendwem zu verlassen.

So war es doch Anfangs auch mit dem Internet: da gab es zehn, zwanzig Homepages von Punklabels und die hat jeder besucht, einfach, weil es die einzigen waren. Heute hat jedes Label eine Homepage, das ist Standard und nichts besonderes mehr, also muss man sich schon was einfallen lassen, damit die Leute auf die Seite schauen.

Sal: Genau. Derzeit gibt es die Entwicklung, dass es immer mehr Internet-Labels gibt. Das sind Labels, die sich eben einen guten Namen gemacht haben und von denen jetzt bekannt ist, dass bei ihnen interessante Sachen zu bekommen sind - deshalb werden sie angewählt. Und wir als Band mögen zwar, nun, "altmodischen" Rock´n´roll spielen, aber ich finde, das ist kein Gegensatz zum "modernen" Internet, denn es ist ja nur die Art der Selbstdarstellung, die neu ist. Wichtig ist aber auch unsere Art zu touren: Andere Bands touren durch das ganze Land und gehen sich dabei so auf die Nerven, dass sie sich bald wieder auflösen - wir versuchen strategisch vorzugehen: wir spielen lieber ein paar weniger Konzerte und anstatt tagelang zu fahren, fliegen wir lieber zu den Shows. Wenn du das entsprechend planst, mit den Fluggesellschaften gute Konditionen aushandelst und die Clubs für die Shows gut Werbung machen, rechnet sich das. Mittlerweile sprechen uns auch ziemlich viele andere Bands und sogar Majorlabels an, wie wir es geschafft haben, so relativ bekannt zu werden, ohne ein grosses Label im Rücken, ohne Anzeigenkampagnen und mit relativ wenig Geld, und ich erkläre es ihnen gerne: dass wir im Internet präsent sind, dass wir nur an Wochenenden in grossen Städten spielen, dass wir fliegen, dann funktioniert das eben besser als wenn du monatelang rumfährst, in grossen Städten unter der Woche spielst und die kleinen Käffer am Wochenende, dann macht das keinen Sinn.

Steve: Die Frage ist doch einfach, wie befriedigend es für eine Band ist, vor einer handvoll Leute in einem Provinznest zu spielen. Für uns haben wir entschieden, dass es das nicht sein kann.

Aber in gewisser Weise lasst ihr so aber auch das Grassroots-Level aus, lass: hunderte, tausende Bands vor euch haben so angefangen, haben sich über Jahre den Arsch abgetourt, bevor sie bekannt waren.

Sal: Nein, ich denke, wir sind durchaus Grassroots: wenn wir spielen, fahren die Leute oft lange Strecken, nur um uns zu sehen, und die Shows sind fast immer ausverkauft. Und als wir jung waren, haben wir das genauso macht: wir sind fast jedes Wochenende aus New Jersey nach Washington D.C., Baltimore, Philadelphia oder Boston gefahren, um dort auf ein Konzert zu gehen: BLACK MARKET BABY, TEEN IDOLS, BAD BRAINS und weiss der Geier wer noch alles.

Steve: Ja, früher war das echt üblich: wir kannten Leute, die sind regelmässig acht Stunden von Cleveland nach New York gefahren, um dort auf Konzerte zu gehen, wir machten das auch. Wenn du auf die Musik stehst und eine Band unbedingt sehen willst, dann machst du das - und genau das ist der Fall, wenn wir in Chicago, Minneapolis oder sonstwo spielen.

Sal: Und überhaupt, wie wichtig ist dir denn eine Band, wenn dir eine Autofahrt von ein oder zwei Stunden zuviel ist?

In Deutschland werdet ihr, wenn das Interview erscheint, auch nur drei Shows gespielt haben - und das bei eurer ersten Tour.

Sal: Aus den gleichen Gründen, wie ich sie oben genannt habe: wenn uns jemand wirklich sehen will, werden ihn auch zwei Stunden Autofahrt nicht abschrecken.

Um nochmal auf die Internet-Sache zurückzukommen: wie wird eine Band oder ein Label in Zukunft Geld verdienen, wenn sie ihre Songs im MP3-Format umsonst abgibt?

Sal: Ganz einfach: wir haben von jeder Platte einen Song auf der Homepage, die Leute können sich die runterladen und wenn ihnen die Musik gefällt, können sie über einen Mausklick die Platten direkt bei uns bestellen. Ausserdem hat die Firma MP3 mittlerweile ein eigenes Label namens DAM gegründet, und wenn jemand bei ihnen per Internet digitale Songs von dir bestellt, bekommst du nach den ersten $50 die Hälfte von jedem weiteren Dollar. Das ist ein verdammt guter Deal, davon kannst du bei einem Majorlabel nur träumen. Und wenn du für sie ein Album zusammenstellst, kannst du dessen Songs und ihre Reihenfolge jeden Tag wieder ändern. Je nachdem, wieviele Songs auf dem Album sind, kannst du ein Album für einen Preis zwischen $7.99 und $13.99 runterladen.

Angesichts dieser Entwicklungen wundert es nicht, dass die alteingesessenen Labels und die damit verbundenen Medienkonzerne derzeit massive Anstrengungen unternehmen, um Alternativkonzepte zu MP3 zu etablieren - nämlich solche, an denen sie mitverdienen.

Sal: Das ist doch ganz klar. In gewisser Weise ist MP3 ein Kampf all der kleinen Bands gegen die Majorlabels, bei denen diese kleinen Bands keine Chance bekommen haben. Jetzt sehen die ihre Chance und nutzen sie - ohne die Majorlabels. Die sehen ihrerseits, was da abgeht und versuchen natürlich, die kleinen Bands, die mit MP3 erfolgreich sind aufzusaugen.

Jim: Letzten Monat war im Playboy ein Artikel über die "Verschwörung" der Radiokonzerne, Plattenladenketten und Majorlabels gegen die Rockmusik: die haben über all die Jahre ihre Bemühungen immer weiter verstärkt, jeden Bereich des Musikbusiness´ zu kontrollieren, und jetzt wendet sich mit dem Internet dieses Bestreben gegen sie. Die haben dann Keith Richards zitiert, der sagte, er hasse Majorlabels, und Dank des Internets bräuchten junge Bands heutzutage die Majors auch gar nicht mehr und könnten sich direkt ans Publikum wenden. Meine Meinung ist, dass man zwar in Zukunft auch nicht ohne Labels auskommen wird, aber dass viel der Dummheit, die bislang in diesem Geschäft üblich war, ausgerottet wird. Alles, was du machen musst, ist eine Sache gut bewerben, gutes Marketing, darauf kommt´s an. Dazu gehört, dass die Leute einen Song von dir hören können, also gibst du ihnen den, und wenn sie Gefallen daran finden, wollen sie mehr und kaufen was. Mit dem Internet und MP3 wird niemand ausgeschlossen, da hat jede Band eine Chance: damit bist du wieder auf dem Grassroots-Level, damit hast du die gefaketen Charts und das gekaufte Radio-Airplay ausgeschaltet.

Sal: Und das ist verdammt grossartig! Die normalen Kids hier in den USA kaufen eine Platte doch meist nur, weil sie ihnen von den Radiosendern bis zum Erbrechen vorgedudelt wird. Die haben keine andere Wahl, die kennen sonst nichts und denken wirklich, das sei das angesagte, coole Ding.

Trotz des ganzen Internet-Booms denke ich aber, dass das klassische Album auf Vinyl niemals aussterben wird, schon gar nicht in unserer Szene - und was ist schon eine selbstgebrannte CD mit einem Cover aus dem Farb-Tintenstrahldrucker gegen eine richtige LP?

Sal: Das sehe ich genauso - MP3 und das Internet, das sind eben neue Formate, die parallel zu den bisherigen existieren und ganz neue Möglichkeiten bringen. Andererseits schreitet die Technik ständig fort, und ich habe einen Drucker, wenn ich da gutes Glanzpapier verwende, dann sieht ein selbstgedrucktes CD-Booklet auch nicht anders aus als ein gekauftes.

Jim: David Bowie zum Beispiel hat eine sehr fortschrittliche Webpage, und da kannst du dir das Artwork und die Titel deiner eigenen Bowie-CD selbst zusammenstellen. Das ist echt phantastisch - Bowie war seiner Zeit schon immer voraus.

Wie wird´s in fünf Jahren aussehen? Wird es da noch Platten geben, die zu Sammlerstücken werden können? Schwer vorstellbar, wenn sich jeder Songs und Artwork auf den Computer laden und beliebig oft reproduzieren kann.

Sal: Ich bin sicher, es wird immer Bands geben, die Vinylplatten pressen werden, und es wird immer Leute geben, die Vinyl kaufen.

Jim: Ich denke schon, dass es auch mit den Platten aus dem Internet noch Sammlerstücke geben wird. Zum Beispiel ist es heute schon üblich, dass Bands ein Livealbum etwa nur für eine bestimmte Zeit zum Download anbieten, und damit ist es limitiert und kann zum Sammlerstück werden. Wenn die Datei dann auch noch verschlüsselt ist, also einen Kopierschutz hat, dann ist das genauso ein Einzelstück wie eine CD oder LP.

Steve ist der alte neue Sänger. Erklärt doch mal, was es mit den ständigen Wechseln bei ELECTRIC FRANKENSTEIN auf sich hat.

Sal: Ganz am Anfang war die Band nur ein Spassprojekt und wer immer bei der Probe auftauchte, war in der Band. Wir hatten sechs Drummer, und unser erste Show - wir gründeten die Band ´92 - war im Oktober ´93 spielten wir mit einem Typen namens Frank am Mikro. Er wollte aber musikalisch was zwischen Lou Reed und den RAMONES machen, während wir eher die DEAD BOYS, STOOGES und SEX PISTOLS im Kopf hatten. Also trennten sich unsere Wege, und über eine Kleinanzeige kamen wir an Steve.

Jim: Ja, allerdings für seine Band: ich rief ihn an und fragte, ob er für uns singen wollte, worauf er antwortet, er sei eigentlich Gitarrist. Ich meinte, wir hätten ein Demo fix und fertig und bräuchten nur noch jemanden, der singt. Also kam Steve vorbei und sang.

Steve: Von da an entwickelte sich das von ganz alleine: wir spielten ein paar Shows und wurden immer bekannter. Ich war immer noch in dieser anderen Band namens CRASH STREET KIDS, und als die sahen, wie es sich mit EF entwickelte, lösten wir die Band auf.

Jim: Dabei war das eigentlich ein ziemliches Risiko für Steve, denn diese Band hatte einen wohlhabenden Mentor, der ihnen das Studio bezahlte, und ein paar Majors waren auch schon interessiert...

Steve: Was nichts bedeutete, denn ich fand ja eine Möglichkeit, das alles zu verderben - wie alles, was ich bisher in meinem Leben angefasst habe, hehe.

Irgendwann war das Kapitel Steve dann aber abgehakt und Scott kam ins Spiel.

Sal: Ja. Scott, der früher bei der Hardcore-Band VERBAL ABUSE gesungen hatte, fragte uns immer wieder, ob er nicht für uns singen könne, und da wir auf Tour gehen wollten und einen Sänger brauchten, nahmen wir ihn.

Steve: Nach einer Weile kamen sie mit Scott dann aber nicht mehr klar, und da wir im gleichen Gebäude unseren Proberaum hatten, kamen sie an und fragten, ob ich nicht wieder für sie singen könne. John Steele, der Drummer war es, der mich fragte. Ich versuchte es, es lief und ich war wieder drin.

Jim: Das war nach dem kurzen Gastspiel von Rik L Rik, als der wieder nach Kalifornien zurückging. John hatte Steve gefragt, Steve kam in den Proberaum, meinte "Wie geht´s?", sang zwei Songs und ging wieder. Ich und Sal schauten uns nur an und ich sagte "Well, this motherfucker can still fucking sing!" Und so war Steve wieder in der Band.

Sal: Dazu kam, dass jedes Label zu uns sagte, sie würden uns unter Vertrag nehmen, wenn Steve wieder in der Band wäre, und unsere Fans schrieben uns das gleiche und es stand in den Reviews unserer Platten: "I wished the big guy would be back!" Also versuchten wir, Steve zurückzugewinnen, denn wir hatten uns seinerzeit vor allem deshalb getrennt, weil er zuviel gleichzeitig um die Ohren hatte.

Steve: Daran hat sich bis heute nichts geändert - ich hasse es, Leerlauf zu haben, und so greife ich zu, wenn mir jemand eine Gitarre in die Hand drückt und fragt, ob ich nicht ein bisschen mit ihnen spielen möchte.

Sal: Und wir lieben es, die Sammler damit zu beschäftigen nachzuvollziehen, bei welcher Aufnahme welches Songs welcher Sänger beteiligt war, hehe. Um auf Rik L Rik zu sprechen zu kommen: Scott zog nach Kalifornien und wir waren uns sicher, dass wir nicht mit ihm umziehen würden - und mit einem Sänger an der anderen Küste, das war nichts für uns. Zu der Zeit ergab sich dann die Sache mit Rik L Rik. Er feierte gerade sein 20jähriges Punkjubiläum, es war also 20 Jahre her, dass er F-WORD gegründet und sein erste Konzert gespielt hatte, und so spielten wir genau an diesem Tag ein Konzert sowie noch eines danach, nahmen das Konzert auf und verewigten es für die Sammler auf Platte.

Jim: Die Sache hat auch noch den Hintergrund, dass Sal und ich ´93 immer scherzten, dass Rik L Rik unser Wunschsänger gewesen wäre. Als sich dann die Gelegenheit bot, mit ihm was zu machen, war das eine klasse Sache für uns, aber auch nichts von Dauer, denn auch Rik lebte in Kalifornien und wir hatten keine Lust, an der Ostküste alles aufzugeben. Letztendlich bin ich froh, dass wir "Rock´n´roll Monster" gemacht haben.

Sal: Wir wollten zu dieser Zeit die Band auch nicht daran scheitern lassen, keinen festen Sänger zu haben. Also überlegten wir uns, auf jeder Platte mit einem neuen Sänger zu arbeiten, und wir hatten auch schon mit Joey Ramone gesprochen, mit Tony Adolescent und dem Typen von den DICTATORS.

Ihr legt immer Wert auf cooles Cover-Artwork, meistens im 1960's Monsters/Rat Fink-mässigen Stil, von Leuten wie Coop, Frank Kozik, Cliff Mott, Derek Hess, Gary Gilmore oder Rob Orzechowski.

Sal: Wir denken dabei immer an unsere Fans, die einfach was Schönes in die Finger bekommen sollen. Wir haben keine Lust auf Platten, die aussehen wie Scheisse.

Jim: Das Packaging unserer Scheiben war uns von Anfang an wichtig, und selbst als wir nicht viel Geld dafür ausgeben konnten, sollte es zumindest irgendwie cool sein - kein Geld zu haben ist keine Entschuldigung dafür, dass etwas wie Scheisse aussieht.

Sal: Genau. Ich finde, das Artwork lässt auch immer einen Rückschluss auf die Qualität der Musik zu, gerade wenn du eine Band noch nicht kennst. Du siehst, für uns zählen sowohl Qualität und Quantität, hahaha.

Zentrales Thema eures Artworks ist immer - und das wundert kaum - die Frankenstein-Thematik.

Sal: Ja, das Thema fasziniert uns und es zieht sich wie ein roter Faden durch alle Platten. Beim neuen Album, für das Coop das Artwork gemacht hat, taucht jetzt auch "The bride of Frankenstein" auf, weil er das sehr mag. Er hat sowohl das Album-Cover wie auch ein Poster entworfen, und wir machen auch ein Video mit ihm zu "Speed Girls".

Jim: Ein paar Leute fragen uns, warum wir nicht mal Fotos von uns abdrucken, aber ich finde das nicht besonders reizvoll, das macht doch jeder.

Sal: Und wenn dadurch der Eindruck entsteht, wir würden ähnlich unattraktiv aussehen wie Frankenstein, dann ist uns das auch egal. Es geht doch um die Musik.

Coop als Cover-Artist, der Deal mit Victory, ein Video - mir scheint, für euch geht es jetzt nach - durchaus erfolgreichen! - Jahren als Insider-Tip "richtig" los.

Steve: Das haben wir in letzter Zeit schon mehrfach gehört, und auch die Frage, warum wir mit einem Hardcore-Label wie Victory arbeiten. Nun, wir hatten ein paar Angebote, aber wir hatten letztendlich den Eindruck, sie würden am meisten für uns tun.

Sal: Ich habe einen guten Eindruck von Victory, und dazu zählt auch, dass von 15 Leuten, die dort arbeiten, 7 bereits alle unsere Platten besitzen, weil sie Fans sind - ich denke, das ist ein gutes Argument. Ausserdem haben sie ein gutes Team für Promotion und so weiter, sowohl in den USA wie auch in Europa. Wichtig war für mich auch die Meinung anderer Bands auf Victory, und während da zu den anderen Labels, die zur Diskussion standen, auch negative Stimmen kamen, blieben die zu Victory aus. Musikalisch gesehen haben die natürlich viel Hardcore, klar, aber mit HIFI & THE ROADBURNERS, BAD BRAINS, GREY AREA und THE STRIKE gibt es da mittlerweile durchaus ein Gegengewicht.

Ihr kommt also damit klar, jetzt Labelmates von EARTH CRISIS zu sein.

Sal: Naja... Das sind die Leute mit den Fans, die dich dafür umbringen wollen, dass du Käse isst. In New York haben die einen schweren Stand: da fingen die Leute irgendwann an, sie mit Joghurt und Käse zu bewerfen oder in der ersten Reihe vor der Bühne ein Sandwich zu essen. Dadurch wurde ihr Predigen ein Witz und es funktionierte nicht mehr.

Scott: Und das finde ich gut, denn meiner Meinung nach hat Politik in der Musik nichts zu suchen. Durch dieses ständige Abgrenzen spaltest du die Leute doch nur.

Jim: Wenn du von der Bühne herab deine Wahrheit verbreitest, bist du wie ein Diktator, und wer braucht das?

Sal: Diese Leute reden zwar immer viel von Unity, aber mit ihren Sprüchen erreichen sie das Gegenteil. Denn wenn Unity stattfindet, dann auf unseren Konzerten: da haben Punks, Hardcore-Kids, Heavy Metals, Garage-Fans, Skins und Rock´n´roller zusammen Spass und sind friedlich. Die sind wegen der Musik da, und nicht wegen irgendwelcher Szeneregeln. Letztendlich sind die Gemeinsamkeiten dieser Leute doch auch viel, viel grösser als die Unterschiede, und die Alltagsprobleme sind eh die gleichen: deshalb auch unsere Texte. Die drehen sich um das Leben, aus der Frankenstein-Sichtweise: du wirst geboren - und was nun? Keiner kann sich aussuchen, ob er geboren werden will, und Frankenstein konnte sich nicht dagegen wehren, "gemacht" zu werden, er war einfach da. Also lautet das Thema "How did I get here, what the hell is everything all about...

Steve: ...Deal with it! Das kommunistische Manifest, Mussolini, die Nazi-Programmatik, die 10 Gebote - jeder soll sich privat damit auseinandersetzen, aber verdammt nochmal sowas aus der Musik rauslassen. Das resultiert doch nur darin, dass du eine Band zwar gerne live sehen würdest, aber weisst, dass dich das Publikum dort nicht dulden wird und so bleibst du zuhause.

Sal: Wenn du als Band was über Politik sagen willst, dann so, wie die ROLLING STONES mit "Street Fighting Man".

Wie sehen eure weiteren Pläne aus? Habt ihr vor, mit der Band so weit zu kommen, dass ihr eure normalen Jobs aufgeben könnt?

Scott: Von der Band leben zu können wäre super!

Jim: Ich hätte nichts dagegen!

Sal: Man darf sowas nicht erzwingen, vielleicht ergibt es sich. Aber wir wollen keine Musikhuren sein, mit dem Label als Zuhälter. Genau so ist es aber bei den meisten Bands auf Majorlabels, die nicht sehr gross sind.

Jim: Wir haben schon so viele Bands mitbekommen, alles noch Kids, die nichts können und nichts wissen und die glauben, mit dem Majordeal, mit dem man vor ihrer Nase rumwedelt, hätten sie es dann geschafft. Bullshit! Die haben vielleicht einen Hit und das war´s dann, aber niemand gibt ihnen die Chance, sich über drei, vier Alben etwas zu erarbeiten. Schön wäre es, einen Status zu erreichen wie die CRAMPS. Die gehen einmal im Jahr auf Tour, haben ein nettes Haus in Hollywood und sind nicht stinkreich, kommen aber ganz gut über die Runden und können alles machen, was sie wollen.

Sal: Erfolg sollte immer als Belohnung kommen und nicht am Anfang einer Karriere stehen. Abgesehen davon ist es sicher einfacher, in einem normalen Job Geld zu verdienen als als Musiker.

Was macht ihr denn so?

Sal: Ich habe einen Computerjob in der Forschungsabteilung der Bell Laboratories.

Jim: Ich bin technischer Redakteur, schreibe also Handbücher für Computer-Hardware und andere elektronische Geräte.

Du bist also einer von diesen Verbrechern, die dafür verantwortlich sind, dass man diese Handbücher nicht versteht.

Jim: Nein, ich versuche das auszubügeln: ich versuche für Geräte, die man kaum verstehen kann und die sich Ingenieure ausgedacht haben, brauchbare Handbücher zu schreiben.

Steve: Und ich bin Steinmetz und Maurer, ich arbeite meistens in Manhattan. Das ist bei uns eine alte Familientradition, die sich bis nach Schottland zurückverfolgen lässt.

Und die anderen?

Jim: Rob ist Masseur, der hat gerade seine Ausbildung beendet.

Sal: Und mein Bruder Dan ist Audio-Videotechniker, der kümmert sich darum, dass bei Videokonferenzen und so die Technik funktioniert. Ich denke, unser Vorteil ist, dass wir Erfahrung haben und so als Band wie als Person genau wissen, was wir wollen.

Sal, ich erinnere mich, dass du ausserdem auch noch eine Kung-Fu-Koriphäe bist.

Sal: Ja, ich bin sowas wie ein Kung-Fu-Historiker. Ich beschäftige mich damit schon seit zwanzig Jahren und schreibe für verschiedene Kung-Fu-Magazine.

Und dafür findest auch noch Zeit?

Sal: Ja, das geht schon. Ausserdem proben wir nur ein- oder zweimal die Woche. Wir machen alle schon seit so vielen Jahren Musik, da muss man nicht mehr so viel üben - und unser Songwriting läuft auch ganz locker: wir haben eine Idee und über ein, zwei Wochen wird die dann ausgefeilt, bis der Song steht.

O.k. Jungs, danke für das Interview und das Bier!