EL MARIACHI

Niemand kann die legendäre SCORPIONS-Pyramide so detailgetreu nachempfinden wie sie, und Antonio Banderas würde neben ihnen zur Statistenfigur verblassen: EL MARIACHI aus Göttingen. Die fünf Mariachen sind Niko und Stevie an der Gitarre, Bassist Ralfi, Schlagzeuger Matto sowie Tobi als Sänger und Tanzdame. EL MARIACHI veröffentlichen Anfang Mai eine Split-LP zusammen mit MAD MINORITY (die beste HC-Combo, die der Harz jemals hervorgebracht hat). El Mariachi gibt es seit 1997, begonnen hat alles mit einem Fun-Auftritt im winzigen Proberaumkeller des Göttinger JuZI. Was seither passiert ist und wie es mit EL MARIACHI in Zukunft weitergehen wird, habe ich kürzlich in einem netten Gespräch erfahren können.

Ihr spielt seit zwei Jahren in derselben Besetzung zusammen. Was hat sich in diesem Zeitraum für euch verändert?

Anfänglich hat sich alles eher zufällig ergeben und es gab kein konkretes Konzept. In den letzten zwei Jahren hat sich untereinander auf jeden Fall etwas verändert, wir sind persönlich in andere Richtungen gegangen. Früher war mehr unsere "Sturm- und Drang-Zeit", zusammen Spaß haben war uns wichtig, was auch völlig ok ist. Das heißt jetzt natürlich nicht, daß wir anfänglich überhaupt keinen Anspruch an die Band hatten.

Ihr seid mittlerweile häufig am Wochenende unterwegs und spielt Konzerte, habt bisher eine Single veröffentlicht und Anfang Mai erscheint nun die neue Platte "Bis das Blut gefriert", das alles nimmt viel Zeit in Anspruch. Fühlt ihr euch manchmal unter Druck gesetzt?

Klar nimmt die Band viel Zeit in Anspruch, allerdings macht es uns allen immer noch viel Spaß und deswegen nehmen wir das gerne in Kauf. Sicherlich ist die Situation heute eine ganz andere als noch vor zwei Jahren, beispielsweise wollen wir für die im Herbst geplante CD für kriminalisierte AntifaschistInnen in Passau noch neues Songmaterial zusammenstellen und stehen diesbezüglich natürlich unter einem gewissen Kreativitätsdruck, aber insgesamt stehen wir immer noch hinter dem, was wir tun und tun es deshalb auch gerne.

Tobi, du schreibst einen Großteil der Texte

Musik muß mich emotional bewegen. Gerade weil wir deutsche Texte machen, ist es wichtig, daß auch eine Aussage dahintersteht, nur dann bewegt es mich auch. Damit meine ich jetzt natürlich nicht solche Platitüden wie "Ficken, Saufen, Anarchie", damit kann ich mich nicht identifizieren. Wir haben schon einen politischen Anspruch, verstehen uns aber nicht direkt als politische Band. Unsere Texte beziehen sich eher auf die persönliche Basis unseres politischen Denkens.

Mit steigendem Bekanntheitsgrad existiert zunehmend die Möglichkeit, eine Öffentlichkeit zu schaffen, weil man mehr Leute erreicht, was wiederum mehr Verantwortung bedeutet. Klar, gerade wenn man aus einer Gegend kommt, wo alternative Lebensformen und Begriffe wie PC oder Vegetarismus nie ein Begriff waren. MAD MINORITY ziehen das ähnlich durch, sie treten häufig vor mehreren hundert Leuten auf und es hat sich durchaus eine Szene entwickeln können, die sich auch einen Kopf macht, was vorher nicht so war. Das ist natürlich eine gewisse Verantwortung, gerade wenn man vom Dorf kommt, wo es einfach nichts in der Richtung gibt und man die Möglichkeit hat, eine neue Form von Öffentlichkeit zu schaffen.

Alternative Lebenskonzepte wie Veganismus sind gerade in der HC-Szene häufig dazu mißbraucht worden, neue Dogmen zu schaffen, die nichts mehr mit persönlicher Freiheit und Entfaltung zu tun haben. Welche Werte sind euch wichtig, welches Lebensgefühl wollt ihr vermitteln?

In Bezug auf konkrete Aspekte gehen die Meinungen innerhalb der Band auseinander. Es ist auch schwer, das eindeutig zu definieren. Man kann natürlich konsensmäßige Antworten geben wie: Man muß sich von der Gesellschaft abgrenzen, einen klaren Kopf haben und sich nicht alles gefallen lassen, dahinter stehen wir in der Band sicherlich alle, aber darüber hinaus fällt es sehr schwer, ein Lebensgefühl als Bandkonsens vermitteln zu wollen.

Das ist sicherlich auch ein allgemeines Problem der Punkrock- und HC-Szene. Was kann noch Neues kommen, werden nicht immer dieselben Feindbilder und plakativen Allgemeinplätze zum Thema gemacht - sei es nun "Gegen Nazis" oder auch PC-ness. Ich habe das Gefühl, es stagniert. Was genau beinhaltet für euch die spezielle Lebenseinstellung, die mit dieser Art Musik verbunden wird?

Matto: Ich glaube eigentlich nicht, daß generell noch etwas völlig Neues kommen wird, es wiederholt sich alles.

Tobi: Auch wenn sich alles wiederholt; es ist mir auf jeden Fall lieber, wenn die Kids zunächst diese sehr allgemeinen Sprüche wie "Gegen Nazis" übernehmen und sich dann vielleicht einen Kopf machen und selber weiterdenken als wenn von Anfang an systemkonform gelebt wird. Ich persönlich denke, daß man versuchen sollte, mit gutem Gewissen zu existieren und Dinge oder Zustände, die man negativ einschätzt, zu verändern. Trotzdem sollte der Spaß am Leben erhalten bleiben, sich permanent nur über Mißstände Gedanken zu machen, wäre auch falsch. Es muß sich alles die Waage halten. PC bedeutet für mich einfach, bestimmte Werte zu respektieren, die in dem Bereich, in dem ich lebe, eine Rolle spielen.

Niko: Ich habe eher ein Problem damit, wenn bestimmte Regeln innerhalb einer Szene als allgemeingültig definiert werden. Tja, das ist eben wie mit den Zehn Geboten.

Nun noch mal zur Musik. Ich finde die neuen Songs emotionaler und melodiöser als die ersten Stücke.

Unsere neue Platte erscheint in Zusammenarbeit mit mehreren Labels, weil die Musik, die wir jetzt machen, nicht mehr so in das Konzept von unserem alten Label Shrapnell Records paßte - diese gehen mittlerweile eher in Richtung Deutsch-Punk. Deswegen haben uns bei der neuen Platte Urte von World Upside Down, Sascha von Operation Mindfuck Rec. und Heiko von Ya Basta Rec geholfen. Unseren Musikstil könnte man als melodischen Hardcore bezeichnen, allerdings nicht in Richtung Fat Wreck/Epitaph, sondern wir orientieren uns eher an alten LIFETIME- oder LEATHERFACE Songs.

Was liegt noch an für 1999?

Außer den bereits erwähnten Veröffentlichungen ist für Anfang Oktober eine Deutschland Tour geplant und eventuell können wir auch einige Konzerte im Baskenland spielen.

Muchas gracias!

Also: Macht euch eine Notiz in die Terminkalender, denn live sind EL MARIACHI garantiert besser als mexikanische B-Suppe.

Tina Willenborg