EDITORS

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Eine Band für die Ewigkeit

"The Back Room" war für mich eine der besten Platten des Jahres 2005, und wirklich jedes Konzert der EDITORS, das ich seitdem besucht habe, hat mich mitgerissen und restlos begeistert. Und seltsamerweise stehe ich damit nicht alleine da, hat der Vierer aus Birmingham doch das Potenzial, generationenübergreifend zu begeistern, den jungen Indiepop-Fan genauso wie den in den Achtzigern geprägten Wave-Punk-Anhänger. Mit "An End Has A Start" haben die EDITORS jetzt ihr zweites Album aufgenommen, das anfangs etwas ungewohnt wirkt, aber dann mit jedem Hören mehr begeistert. Ich unterhielt mich mit Sänger und Gitarrist Tom Smith sowie Bassist Russell Leetch.

Tom, wie geht es dir?


Tom: Ich bin müde. Wir sind seit Tagen auf Promo-Tour.


Und dann muss man jeden Tag die gleichen Fragen beantworten, immer wieder ...

Tom: Nein, ich will mich nicht beschweren. Das ist für uns aber gerade wie die erste Woche Schule nach den Ferien. Und es ist ja schön, wieder unterwegs zu sein und sich mit Leuten zu unterhalten. Heute fühle ich mich einfach etwas abgekämpft, aber es ist ja auch keine Lösung, wie die großen Bands in jedem Land nur ein Interview zu geben.


Dann sprechen wir doch direkt über euer neues Album. Wer bitteschön ist Garret "Jacknife" Lee, der euch produziert hat? In letzter Zeit stößt man allenthalben auf seinen Namen, so hat er etwa auch mit U2, SNOW PATROL, KASABIAN, VEGA4 und zuletzt mit BLOC PARTY aufgenommen.

Tom: Er war früher mal bei COMPULSION. Danach wurde unter dem Namen Jacknife Lee ein gefragter Dance-Remixer und Produzent, arbeitete unter anderem für Madonna, macht aber auch Solo-Alben. Dann arbeitete er als Produzent für U2, und so entwickelte sich das weiter. Er ist noch recht jung, wie wir, und er ist hungrig. Wir kennen ihn, seit wir mit ihm den Song "Bullets" für unser erstes Album aufgenommen haben. Und jetzt dachten wir uns, wir probieren aus, wie es mit ihm klappt, wo uns diese Zusammenarbeit hinführt. Außerdem wollte er auch unbedingt mit uns arbeiten. Und ich denke, die Kombination aus hungriger, junger Band und hungrigem, jungem Produzenten passt gut, und es war wirklich sehr einfach, mit ihm zu arbeiten. Wir hatten die gleiche Dynamik, es wirkte so, als wäre er das fünfte Bandmitglied. Wir harmonierten bestens, und er pushte uns in genau die Richtung, in die wir gehen wollten. Es war eine wahre Freude, mit ihm zu arbeiten. Es standen natürlich auch andere Produzenten zur Auswahl, aber die waren alle schon älter und wir dachten uns, die haben ihre besten Platten wahrscheinlich schon gemacht. Und bei Garret hatten wir diesen Eindruck nicht, dessen beste Produktion kommt noch, der ist noch jung und lernt immer noch dazu. Außerdem hatten wir keine Lust auf eine klassische Band-Produzent-Beziehung.

Russell: Wir hatten im September letztes Jahr mal zur Probe zwei Songs mit Garret aufgenommen, einfach um zu sehen, ob das mit uns funktioniert, und danach war uns klar, dass wir das Album zusammen machen werden. Wir passen gut zusammen, wir pushen uns gegenseitig, das gefällt uns. Und ich bezweifle, dass wir mit jemandem wie Brian Eno oder so, der sehr gute Platten produziert hat, auf ähnliche Weise hätten zusammenarbeiten können.


Was ist das für eine Vision, die ihr mit Garret teilt?

Tom: Wir wollten nicht die gleiche Platte noch einmal machen. Wir wollten ehrgeizig sein, wir wollten eine strukturiertere Platte. Und wir wollten kein klaustrophobisches, sondern ein sehr offenes Album machen. Andererseits sind das natürlich wir auf der neuen Platte, da sind Lieder drauf, die auf "The Back Room" hätten sein können, bei anderen haben wir Neues ausprobiert, die wären so nicht auf "The Back Room" gewesen. Wir hatten keine Angst davor, mit anderen Instrumenten zu experimentieren, mit Streichern und Chören, einfach mit dem Ziel, ein ambitioniertes Album zu machen, mit dem wir für uns selbst die Latte ein Stück höher gelegt haben. Und auch klanglich und gesanglich sind wir gewachsen, finde ich. Chris etwa hat einen ganz typischen Gitarrensound entwickelt, den man schon auf dem ersten Album heraushört und den er weiterentwickelt hat. Man muss sich eben selbst immer weiter vorantreiben, sonst kommt man im Leben nicht weiter. Und es hätte für uns keinen Sinn gehabt, die gleiche Platte noch mal zu machen.


Eine Band will die gleiche Platte nicht noch mal machen, doch die Fans sehen das oft anders ...

Tom: Ich denke, drei oder vier Lieder vom neuen Album hätten auch auf "The Back Room" sein können: "An end has a start" und "Bones" etwa, oder auch "The racing rats". Ich hoffe einfach, dass unsere Fans auch die neue Platte lieben oder zu schätzen wissen. Wir haben versucht, uns selbst zu pushen, aber das ist ja doch die gleiche Band wie vorher.


Interessant, dass du diese Songs genannt hast - das sind auch jene, die ich als "alte" EDITORS-Lieder genannt hätte. Die neuen Songs dagegen brauchen bei mir sicher noch etwas Zeit.

Tom: Lass es mich so ausdrücken: Was wir mit dem Album erreicht haben, das haben wir auch erreicht.


Als ich Chris letztes Jahr interviewte, beschrieb er euer Debüt als von den Umständen seiner Entstehung geprägt: dunkle Abende in Birmingham, eine Band, die gerade dabei ist, sich zu finden ...

Tom: Klar, deine Umgebung prägt dich, und diesmal haben wir unsere Zeit damit verbracht, in Flugzeugen zu sitzen und die Welt zu sehen. Und wir haben 20 Monate am Stück Konzerte gespielt, was einem natürlich ein ganz anderes Selbstvertrauen vermittelt. Und so haben wir diesmal neue Sachen ausprobiert, zu denen wir beim ersten Album gar nicht in der Lage gewesen wären.


Wie ist das mit Bands untereinander, gibt es da ein Konkurrenzdenken? Ich denke da spontan an BLOC PARTY, deren Album nicht lange vor eurem erschien und das auch von Garret Lee produziert wurde ...

Tom: Hm, ich weiß nicht so recht. Die Charts etwa stellen natürlich immer einen gewissen Wettkampf dar. Letztlich ist es aber eine Frage, wie sehr man selbst so einem Wettbewerbsdenken verhaftet ist, wie sehr man erfolgreich sein will. Wir haben, ehrlich gesagt, nicht die Vorstellung, dass wir von diesem Album soundsoviele "Units" absetzen wollen. Wir wurden vom Erfolg unseres ersten Albums völlig überrascht. Ich denke nicht, dass wir unbedingt erfolgreich sein, große Konzerte spielen, zu "diesen" Bands gehören wollen. Unser Ziel ist vielmehr, eine ganze Reihe guter Alben zu machen, sich weiterzuentwickeln, sein eigenes Ding zu machen - wie RADIOHEAD oder R.E.M. Das sind Bands, die sich weiterentwickeln oder auch mal rückwärts gehen, auch mal Fehler machen und mal großartige und mal nicht so großartige Platten machen. Aber was wichtig ist: Sie machen Platten! Und so eine Band zu werden, das ist unser Ziel. Ich denke, dass Langlebigkeit und Kreativität ein wichtiges Ziel sind - nicht nur für zwei Alben, sondern auf lange Sicht.


Hat es euch geholfen, so lange auf Tour gewesen zu sein?

Russel: In Sachen Kreativität nicht, denn on the road schreiben wir keine Songs. Aber wir sind selbstbewusster geworden, weil wir unsere Instrumente heute besser beherrschen. Und das hat natürlich auch den Sound beeinflusst. Um neue Songs zu schreiben, brauchten wir aber eine Pause, und außerdem wäre es auch langweilig geworden, immer nur die gleichen Lieder zu spielen. Und um Weihnachten herum haben wir dann aufgehört zu touren, da war es definitiv an der Zeit, ein neues Album aufzunehmen. Und mit dem sind wir echt glücklich.

Tom: Es gibt ja Bands, die ihre neuen Songs aus dem einen oder anderen Gitarrenriff, aus Spielereien beim Soundcheck zusammenbauen können, aber wir sind nicht gut im Jammen. Wir sind zu sehr songbasiert, um neue Lieder so schreiben zu können. Aber wer weiß, vielleicht lernen wir ja auch irgendwann, auf Tour ein neues Album zu schreiben.

Russel: Da finde ich es viel spannender, das Studio als zusätzliches "Werkzeug" zu benutzen - das gefällt mir besser, als die Lieder allein im Proberaum zu schreiben. So hatten wir jemand um uns, der uns vorangetrieben hat, und allein das war schon eine ganz andere Arbeitsweise als beim ersten Album.


In England seid ihr riesig, in Europa läuft es okay, doch wie ist es in den USA?

Tom: Im Vergleich zu vielen anderen UK-Indiebands läuft es da recht gut für uns, wir haben da viel gespielt. Das Problem war allein, dass die Platte in den USA erst ein Jahr später erschien. Wir werden sehen, wie es weitergeht, denn man braucht einen langen Atem, um dort sichtbaren Erfolg zu haben. Auf jeden Fall macht es mir Spaß, da zu spielen, denn wir haben wohl was, worauf das US-Publikum anspricht. In Amerika stehen sie irgendwie auf Bands, die so einen gewissen düsteren Touch haben, etwa THE CURE oder DEPECHE MODE, aber gleichzeitig songbasierte Musik machen. Von daher werden wir so oft in den USA spielen, wie man uns fragt.


In meinem Umfeld beobachte ich, dass ihr Leute mit ganz verschiedenem musikalischem Hintergrund begeistern könnt, und das über ein normales Maß hinaus. Mir geht es da ja genauso ...

Tom: Das freut mich zu hören. Wir versuchen einfach, eine interessante Band zu sein, und selbst wenn jemand vom neuen Album nicht so begeistert ist wie vom ersten, so hoffe ich doch, dass man fasziniert ist von unserer Entwicklung.

Russel: Ich finde es gut, dass wir kein Publikum haben, das sich über das Alter definiert. Wir sind keine Band für 14- bis 19-Jährige, die nur MY CHEMICAL ROMANCE hören.

Tom: Wenn man älter ist, sieht man eher, was Bullshit ist und was gut, und vielleicht wirkt sich das ja positiv für uns aus. Aber es ist schön, dass wir auch junge Fans haben.


Seid ihr denn in England mittlerweile so was wie Popstars ...?

Tom: Wir haben zwar mittlerweile einige richtig große Konzerte und Festivals gespielt, aber wir sind keine Popstars und immer noch recht "gesichtslos". Die Leute sind immer wieder überrascht, wenn sie hören, wie viele Platten wir in UK verkauft haben.


... es sind Hunderttausende.

Russell: Unser Name wurde bekannter, aber nicht wir als Personen, und das ist gut so. Und wenn wir die Brixton Academy mit 5.000 Leuten in kürzester Zeit ausverkaufen, berichtet die Musikpresse darüber nicht mal.

Tom: Es gibt auf jeden Fall Bands, die weit weniger Platten verkaufen und trotzdem bekannter sind. Ich muss da nur an die LIBERTINES denken ...


Vielleicht solltest du dich aufführen wie Pete Doherty.

Tom: Na ja ... Aber es ist gut, dass wir einerseits als Musiker erfolgreich sind, andererseits der ganze Rockstar-Kram uns nicht wirklich berührt. Klar, man erkennt uns schon, wenn wir auf ein Konzert gehen, aber das ist es auch schon. Aber bei Thom Yorke ist das ja auch noch anders, der kann auch ungestört die Straße lang laufen, und die sind viel größer als wir. Bei Bono sähe das sicher anders aus.


Apropos: Mögt ihr U2 ...?

Tom: Also ich habe nichts gegen U2. Ich mag ihre alten Sachen, die neuen, bombastischen Lieder aber nicht. "The Unforgettable Fire" und so, das mag ich. Doch wenn ich mich entscheiden muss, dann sind eher ECHO & THE BUNNYMEN meine Band.


Habt ihr eigentlich den JOY DIVISION-Film schon gesehen?

Tom: Nein, der ist noch gar nicht raus. Und man hat uns auch nicht gefragt, ob wir einen Song zum Soundtrack beisteuern wollen.


Hättet ihr das denn gemacht?

Tom: Nein. Wenn sie eine Band wären, die uns viel bedeutet, dann hätten wir uns sicher anders entschieden. Es ist nicht so, dass ich die nicht mag, aber keiner von uns hätte da große Lust auf ein Lied auf dem Soundtrack gehabt.


Wie sehr könnt ihr denn die Vergleiche, die in Reviews gezogen werden, nachvollziehen?

Tom: Eigentlich kümmern mich solche Vergleiche nicht, obwohl ich ECHO & THE BUNNYMEN natürlich phantastisch finde. Die haben nur gute Platten gemacht. Wenn man seine Band, seine Musik beschreibt, muss man aber zu Vergleichen greifen, ähnliche Bands nennen, und von daher landen wir eben mit den immer wieder genannten Bands in einer Kategorie - und es gibt ja auch Ähnlichkeiten. Wenn man aber nur mal unsere beiden Alben nimmt, dazu die Singles und die B-Seiten, dann haben wir ein eigenes Werk, dann sind das die EDITORS. Als Band kann man auf Dauer sowieso nur bestehen, wenn man gut ist, und je mehr Zeit vergangen ist, desto weniger wird man uns mit anderen Bands vergleichen, und stattdessen kann es sein, dass neue, junge Bands mit uns verglichen werden. Ich glaube nicht, dass irgendwer zu hundert Prozent originell ist, aber wir machen das, was wir machen, mit großer Ehrlichkeit und Leidenschaft, und darauf kommt es an.


In der Tat habt ihr einen klar erkennbaren Sound. Was macht diesen aus?

Tom: Unsere Musik hat ein dunkles Herz, man hört ihr die Sorgen an, die in den Texten stecken. Die Gitarrenlinien sind sehr melodiös ...

Russell: Und rhythmisch sind wir sehr druckvoll.

Tom: In den Songs steckt viel Aufregung und Energie, und die wiederum kommt vom vielen Live-Spielen, von den Reaktionen des Publikums.


Eine Menge Bands experimentieren heute gerne mit elektronischen Elementen, mit Remixen. Ihr nicht.


Tom: Also es haben schon Leute unsere Songs remixt, aber damit hatten wir nichts zu tun.

Russell: Im Studio arbeiten wir natürlich mit Elektronik, auch mal mit einer Drum-Machine. Also da gibt es Songs, wo wir das einsetzen, und auch hier und da mal ein Sample. Wir halten uns diese Option offen, könnte sein, dass uns das mal interessiert. Und bei unseren B-Seiten experimentieren wir natürlich auch gerne, irgendwie ist da wohl der Druck nicht so groß. Da sind nur wir und der Toningenieur im Studio, mit dem wir schon seit Jahren arbeiten, wir denken nicht groß nach und machen einfach.


Dann besten Dank für das Interview.