2010 veröffentlichten CRIME IN STEREO das Album „I Was Trying To Describe You To Someone“, 2011 löste sich die Band aus Long Island auf, nur um im Folgejahr ihre Wiedervereinigung zu feiern. Danach folgten aber weder ausgedehnte Tourneen noch neue Musik. Letztendlich erscheint das fünfte Album, „House & Trance“, ganze 13 Jahre nach seinem Vorgänger. Sänger Kristian Hallbert berichtet von einer Band, die heute unter gänzlich anderen Voraussetzungen agiert, sich aber trotzdem konsequent weiterentwickelt hat.
Bist du im Vergleich zu früheren Veröffentlichungen mehr oder weniger nervös?
Es ist heute eine komplett andere Situation. Alles ist digital und die ganze Kommunikation belastet die Nerven grundlegend anders, aber ich habe recht gute Schutzmechanismen aufgebaut. Ich mache das alles schon relativ lange, der Wiedereinstieg war trotzdem ein Kulturschock, denn ich habe mittlerweile einen Job, ein normales Leben, eine Familie und bin verheiratet. Früher war die Band alles oder nichts. Deshalb haben wir aufgehört, weil wir nicht mehr in der Lage waren, es so durchzuziehen. Als wir dann doch weitergemacht haben, gab es so etwas wie eine Vereinbarung, dass wir nur tun würden, was wir möchten, und es mehr genießen. Die Band auf diese Weise anzugehen, fühlt sich an, als hätte ich plötzlich alles und würde irgendwie schummeln.
Gibt es trotzdem Stressfaktoren, die unmittelbar mit der Band verbunden sind?
Klar, sicherzustellen, dass die Songs bereit sind, um morgen Abend live präsentiert zu werden. Ich fliege nach Florida und wir spielen beim The Fest. Es ist schon Aufregung im Spiel, denn wir treten nicht mehr so oft auf wie früher. Dadurch können wir aber auch dem Stress unseres täglichen Lebens entkommen, denn das ist der Grund, warum wir es tun. Die Shows sind sozusagen eine kathartische Entladung und das sind sie jetzt schon seit einigen Jahren. Wir haben es so aufgebaut, dass wir wieder eine Spaßband sind, auch wenn wir eher selten über lustige Dinge sprechen und unsere Texte düster sind. „House & Trance“ hat einen dunklen Ton, aber es gibt zwischen den Zeilen des Albums viel Hoffnung.
Du sagst, dass die Band wieder Spaß macht. Wart ihr glücklich auf euren Touren zum letzten Album?
Damals war unser Ethos, einfach ins Auto zu steigen und überall hinzufahren, und damit haben wir lange nicht aufgehört. Nur sorgen Jahre des Tourlebens dafür, dass zu Hause eine seltsame Situation entsteht. Irgendwann rächt es sich, wenn man nie da ist, und man muss sich gewissen Themen stellen. Während wir in der späteren Phase unserer damaligen Karriere erstaunliche Dinge erfahren durften, ging es zu Hause sehr turbulent zu. So konnte ich die Momente, in denen die Band Erfolge feierte, nicht wirklich genießen. Aber die Zeit erlaubt es einem, auf diese Momente zurückzublicken und sie schätzen zu lernen. Die Möglichkeit zu haben, mein Leben zu Hause in Ordnung zu bringen und trotzdem weiter Musik machen zu können, hat alles verändert.
Was damals beeindruckt hat, war eure Ernsthaftigkeit, sowohl auf der Bühne, aber auch abseits. Als ihr euch aufgelöst habt, lag der Gedanke nahe, dass ihr vielleicht zu ehrgeizig gewesen seid.
Ich kann nicht sagen, ob unser Weg an einen Punkt gekommen war, an dem wir nicht mehr wir selbst waren, aber ich denke, dass wir für einen Augenblick vergessen hatten, wer wir am Anfang gewesen waren. Das muss man sich aber erhalten, um ehrlich an seiner Kunst weiterarbeiten zu können. Die Zeit erlaubt es, entweder positiv oder bedauernd zurückzublicken. Als wir uns aufgelöst hatten, habe ich zunächst bedauernd zurückgeschaut, wegen der Zeit und der Anstrengung, die wir investiert hatten. Aber im Laufe der Zeit habe ich es mehr und mehr als ein Geschenk betrachtet.
War es 2011 notwendig, es eine Trennung zu nennen, oder habt ihr im Nachhinein gedacht, dass es nach einer weiteren Nacht drüber schlafen vielleicht doch nur eine Pause geworden wäre?
Ich würde sagen, Menschen in Bands sind emotional, haha. Darum will man doch in Bands sein: um etwas mehr Emotionen zum Ausdruck zu bringen, als es der Durchschnittsmensch tut. Ich denke, es war notwendig, es eine Trennung zu nennen. Der Grund dafür war, dass wir ein Kapitel abschließen mussten.
Du hast eben gesagt, dass es auf „House & Trance“ Hoffnung gibt. Im letzten Song heißt es aber zum Beispiel: „Your Westboro Baptist generation of fascists /Scumbags, you can have it / I hope, you crash the goddamn planet into the sun“. Noch mehr aufgeben kann man doch eigentlich nicht?
Ja, man muss tiefer graben, um die Hoffnung zu finden, denn im Vordergrund ist da viel Resignation. Wir leben in einer Zeit, in der die Dinge immer mehr einem gewissen Egoismus zum Opfer fallen. Das Album als Ganzes ist ein Blick in die Zukunft. Was passiert, wenn niemand auf sich selbst und zu seinen Nachbarn schaut? Die Nachrichten sind überall gerade schrecklich. Trotzdem gibt es aber winzige Hoffnungsschimmer in jedem Menschen, die uns vom Aufgeben abhalten. Menschen, die Eltern werden und Kinder aufziehen, da gibt es Hoffnung, dass es Veränderung geben wird und eine positive Zukunft. Vielleicht ist das der Weg, um ein wenig mehr Glück im Leben zu finden, in deinem näheren Umfeld.
Wenn man den Song „Hypernormalization“ hört, erscheint einem der Text wie eine Aneinanderreihung von Momentaufnahmen aus einer dystopischen Welt. Aber wenn man sich das genauer anschaut, stellt man fest, dass alles bereits Realität ist.
Die Art und Weise, wie Menschen Informationen und Fehlinformationen aufnehmen, ist beängstigend. Man sieht es geschehen und hat es auch in der Geschichte beobachten können. In den USA hat sich die Wahrnehmung vieler Menschen auf eine sehr beängstigende Weise verändert und das passierte in einer kurzen Zeit. Das Internet sollte der große Retter der Menschheit sein. Ich dachte wirklich, dass die Möglichkeit für jeden, überall auf der Welt zu lernen, eine großartige Sache sei – der Weg zu einer utopischen Gesellschaft. Die Realität ist, dass es auf sehr negative Weise alles um uns herum zersetzt hat.
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