COOL JERKS

Krawatten-Mods

Dass Rock’n’Roll-mäßig in Bremen der Hund keinesfalls begraben ist, weiß man entweder sowieso, oder aber man läßt es sich durch die Tatsache vor Augen führen, dass die drei weiter unten zu Wort kommenden Herren bei weitem nicht nur in der Kapelle spielen bzw. gespielt haben, deren Namen hier groß auf der Seite steht. Eigentlich könnte man sowas wie ‘n dicken Szenereport aus dem Interview machen, aber so was ist ja voll panne, wie ich mir auch erst beibringen lassen musste. Deswegen werden hier also die ganzen Bands mit Namen wie LOWLANDER (legendär!), MEATLES, TRASHMONKEYS, WATZLOVES, SHAKIN’ NASTIES und vielleicht noch ein paar andere, die ich im Moment vergessen habe, auch nur dieses einzige Mal erwähnt. Diesmal soll es nur um die COOL JERKS gehen, die folglich gewissermaßen eine lupenreine Supergroup sind. Wer ein Ohr über hat für Beat, Garage und 60s, der kommt an dieser Band nicht vorbei, und das gilt nicht nur für Deutschland, sondern für die ganze Welt!

Da E-Mail-Interviews mindestens so panne sind wie ein Szene-Report, habe ich, der ich ja nicht in Bremen wohne, den alten Dr. Winschetti autorisiert, das Interview an meiner Stelle zu führen. Ich denke, es ist ihm ganz gut gelungen.

Die COOL JERKS in Bremen, Ende April 2002. Die Absage eines Konzerts aus gesundheitlichen Gründen drückt ein wenig die Stimmung, dennoch sind die drei Hanseaten, Lutz Langemann (17), Bass, Guido Müller (21), Schlagzeug und Andreas Wolfinger (19) (übrigens einziger gebürtiger Bremer in der Band), Gitarre, guten Mutes und schauen positiv denkend in die Zukunft. Bei Dosenbier und so was wie einer Feigenschorle werden sie von Herrn Wolfingers alter ego Dr. Bertram Winschetti interviewt, dem 2. Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft zur Rettung der Beatmusik (der 1. Vorsitzende konnte nicht, hatte zuviel zu tun). Die drei sympatischen Jungs, die sich im Frühjahr 1999 als Vorband für die schwedischen ROADRUNNER mehr spaßeshalber zusammengefunden hatten, werden nach intimsten Dingen befragt.


Wie sieht es mit euren musikalischen Wurzeln aus?

Lutz: Ich hörte bereits Heavy Metal in der Grundschule, durch den Einfluss meines drei Jahre älteren Bruders. In meiner Jugend haben mich dann die SEX PISTOLS begleitet, bis die PRISONERS mein Ohr und meine Seele erreichten.
Guido: Es existiert ein peinliches Weihnachtsfoto von mir und meiner Dschinghis Khan-Platte, dann kamen in den 80ern flott AC/DC, Deutschpunk und später NOMEANSNO hinzu. Herr Wolfinger hat mich nach meinem Zuzug in die Punkrockmetropole 1992 mit dem ersten 60er-Tape meines Lebens konfrontiert. Zum Glück!

Und warum spielt ihr gerade diese Musik?


Lutz: Ich hör zu Hause nur so’n Sound, da will man das dann auch spielen. So ist das doch bei jedem, oder?
Andreas: Kann ich nicht sagen, ich hör auch moderne Musik und bin für alles offen. Offene Hemden, offene Typen.
Guido: Durch die LOWLANDER bin ich halt da reingerutscht. Und jetzt ist das wie ‘ne lange Beziehung, reine Gewohnheit.

Den Leser interessiert, welche Schuhe ihr tragt und wie eure Krawatten aussehen?

Lutz: Auf der Bühne natürlich Chelseas oder Beatle Boots, ansonsten Desert Boots oder ab und an Chucks.
Guido: Lederschuhe mit ornithologischer Einlage und Ledersohle. Perfect for drumming.
Andreas: Durch meinen Fußladen muß ich gefederte Schuhsohlen haben und empfehle daher Desert Boots.

(Bei der Krawattenfrage stellte sich dann heraus, dass die bevorzugten Blau-Weiß-Roten wohl einen Bezug zur britischen Luftwaffe haben, was den überzeugten Pazifisten Wolfinger spontan veranlasste, seine komplette Sammlung blau-weiß-roter Krawatten in den Altkleidercontainer der Geschichte zu schmeißen)

Warum gibt es keinen Tonträger von euch?

Guido: Wieso, gibt es doch! Eine Single vom ersten Demo ist in Frankreich bei ‘nem kleinen Vertrieb erschienen, eine 10“ in Amerika, leider schon ausverkauft, und eine in Japan. Alles obskurste Kleinstlabels alter Hippies, die uns für die Reinkarnation der KINKS oder SMALL FACES halten müssen. Die Briefwechsel sind göttlich! Eine Aufnahme von „Shimmy Baby“ auf japanisch wird ebenfalls noch dieses Jahr folgen. Für unsere deutschsprachigen Titel, sowie unsere besten R’n’B-Stücke, die natürlich auf eine LP müssen, suchen wir noch ein Label, nachdem Crauts Recordings aus Kostengründen abgesprungen ist. Unser Demo und eine halbe Stunde aktuelle Live-Aufnahmen als Casi gibt’s bei mir unter Tel. 0421-344908 zu bestellen! Da könnt ihr auch für Gigs anfragen.

Wo tretet ihr denn gerne auf?

Guido: Am liebsten in Bremen.
Andreas: Weil das Bier da am besten schmeckt und man es sehr günstig bekommt.
Lutz: Oberhausen ist ja auch ganz schön, aber dieser Ruhrpott, nee! Voll das Spackenloch, da trete ich nicht auf, hehe.
Andreas: In Oberhausen mussten wir das Bier vom Pfand bezahlen.
Lutz: Was, echt? Dann müssen wir gleich unsere Oberhausen-Tour absagen...!

Wo würdet ihr gerne einmal spielen?

Guido: In Neuss und in Solingen. Aber von da kommt ja nix. Nee, im Ernst, durch jeweils äußerst unglückliche Umstände mussten wir da Gigs absagen, sogar recht kurzfristig, obwohl wir sehr gerne dort gespielt hätten. Ich hasse so was. Wir hoffen auf das wohlmeinende Verständnis unserer Mit-Beater und auf eine zweite Chance!

Apropos Beat, was für ein Equipment benutzt ihr?

Lutz: Altes natürlich, aus authentischem Equipment kommt authentischer Sound. Ich hab natürlich Höfner-Bass, Selmer-Verstärker und auch mal den Vox.
Guido: Nach langen Jahren der Quälerei durch diverse Polka-Bands mit einem tonnenschweren, quietschgelben 80er-Nena-Schlagzeug bin ich seit gut einem Jahr auf dem Sonor-Trip. Mein Frühsechziger-Kit im Ringo-Style, bloß rot, ist superleicht und dabei stabil und kann auch laut. Kauft euch die alten, dreilagigen Sonor-Sets bis Mitte der 60er, Leute!
Andreas: Bei mir war das eher zufällig, weil ich keinen anderen Rat wusste. In den 80ern waren der AC-30 und meine Höfner halt noch nicht so teuer und finanzierbar. Und dann brachte mir noch mein Vater nach Jahren zum Geburtstag diese schöne, restaurierte Framus mit. Das klingt halt alles rund. Da brauche ich dann auch keine Ahnung von der Marke oder so zu haben.

Apropos Marke. Legt ihr Wert auf Etikette und Stil?

Guido: Auf die Becks-Bier Etikette.
Lutz: Ein gewisses Minimum an Stil muss schon sein.
Andreas: Hawaihemden, offen getragen...
Guido: Gerade bei ‘ner Beatband ist das fast schon Verpflichtung. Ich trage mittler-weile Schlips und Kragen beim Auftritt, da hat mich der Herr Agent Wolfinger schon nachhaltig beeinflusst.
Andreas: Das ist natürlich überzeugender, wenn man ‘ne Band vor sich hat, die das Beat-Gefühl offensichtlich lebt und sich dabei wohl fühlt. Da wirkt dann jeder Tropfen Schweiß, ehrlich. Das hat eine ganz eigene Intensität.

Und worum geht es in euren Liedern?

Lutz: Hauptsächlich natürlich um Frauen... Frauen sind ja die Politik des Individuums.

Bei der Gelegenheit: Ist die Band denn politisch?

Lutz: Politik in dem Sinne hat in der Musik nichts zu suchen.
Guido: Es sei denn, man will Propaganda machen.
Andreas: Moment mal, ich muss euch sagen, dass ich von meiner Seite aus demnächst einen Anti-Nazi-Song schreiben werde.
Guido: Es geht abwärts mit der Band. Die Themen verflachen...

Was für Berufe übt ihr im bürgerlichen Leben aus?

Lutz: Ich putz ‘ne Kneipe.
Guido: Halbtagsjob in ‘ner Eventagentur mit fragwürdiger Zahlungsmoral.
Andreas: Arbeitslos und total überlastet.
Lutz: Außerdem hat jeder von uns noch zwei andere Bands am Start, alle erfolgreicher als die COOL JERKS.
Guido: Nee, ich nicht, ich bin musikalisch zur Zeit gerade unterernährt.
Andreas: Dann mußt du mehr Bier trinken.
Guido: Nee, Bier ist eine Flucht.
Andreas: Schöner Titel für einen Song...

Meine Herren, ich danke für das Gespräch. Möge der Beat mit euch sein.