Gleich mit ihrem Debütalbum gelang den Briten der große Durchbruch. Jetzt wird das Album zwanzig Jahre alt. Sänger und Gitarrist Matt Tuck schwelgt mit uns in Erinnerungen, erzählt uns, welche Bedeutung das Album heute für ihn hat und was seine Band mit TRIVIUM verbindet.
Ich kann mich ziemlich gut an den Aufnahmeprozess erinnern“, beginnt Matt. „Natürlich ist es schon eine Weile her, aber es war so, dass es in meinem Leben und im Leben der Band, einfach die aufregendste Zeit überhaupt war. Es war das, wofür wir so hart gearbeitet und wovon wir geträumt hatten. Und ja, ich erinnere mich vor allem daran, wie aufregend und erfüllend es war. Wir hatten eigentlich nicht genug Songs zusammen, als wir ins Studio gehen sollten. Also haben wir es quasi während der Aufnahmen geschrieben. Aber das hat nur zur Aufregung und Intensität und zu einer gewissen Spontaneität beigetragen, weißt du? Es war einfach eine unglaubliche Zeit, Mann. Rückblickend, besonders jetzt, nachdem wir sieben Alben gemacht haben und über zwanzig Jahre im Geschäft sind, war das einfach wie ein wildes Märchen für uns alle. Es war fantastisch, einfach unglaubliche Erinnerungen.“
Und was für Songs sind spontan während der Aufnahmen entstanden? „‚Tears don’t fall‘ etwa, das entstand spät in der Nacht im Studio bei einer Art Trinksession. Oder ‚The end‘, der Schlusstrack. Aber da gab es einige, weißt du? Ich würde sagen, wahrscheinlich mindestens dreißig bis vierzig Prozent des Albums wurden so geschrieben, nachdem wir anfangs vielleicht fünf, sechs, sieben Songs hatten, ich kann mich nicht genau erinnern. Aber wir hatten einen guten Teil und wussten, wohin es gehen soll, und mit welchem Sound. Aber wir hatten einfach nicht genug Titel, alles ging so schnell, dass wir irgendwie nur noch versuchten, mehr Sachen zu schreiben, weißt du? Aber ich denke, das hat dazu beigetragen, dass das Album so roh und aufregend ist, weil wir es einfach gelebt haben, während wir es geschrieben und aufgenommen haben. Es war einfach eine spaßige Zeit.“
Ist das immer noch der Prozess, den BULLET FOR MY VALENTINE beim Schreiben neuer Musik bevorzugen, oder hat sich das über die Jahre verändert? „Wir sind mittlerweile viel besser vorbereitet. Im Laufe der Zeit wurde es immer weniger aufregend und immer stressiger, es so zu machen. Wir haben das so gemacht, bis ‚Fever‘ rauskam. Wir haben immer eine Menge Songs geschrieben. Sobald wir das Gefühl hatten, ein paar brauchbare Songs für ein Album zu haben, sind wir einfach ins Studio gegangen und haben gleichzeitig weiter geschrieben. Und an manchen Tagen war das großartig. An anderen Tagen war es frustrierend und nichts passte. Also haben wir bei ‚Fever‘ entschieden, dass wir die Arbeitsweise ändern. Und das AXEWOUND-Album, mein Seitenprojekt, das ich 2012 gemacht habe, da hatten wir nichts. Also habe ich mich wieder in diese Situation zurückversetzt und wir sind einfach ins Studio gegangen und haben einen Song geschrieben. Unsere Herausforderung war, jeden Tag einen Song zu schreiben, bis wir ein Album haben, und das haben wir durchgezogen. Das war ziemlich cool und etwas beängstigend, aber aufregend, weil es nichts mit Bullet zu tun hatte, verstehst du? So konnten wir diese Freiheit haben, einfach Spaß zu haben. Aber ja, seitdem sorgen wir dafür, dass wir den Großteil des Albums fertig haben, bevor wir ins Studio gehen, um die Nerven ruhig zu halten.“
Gibt es eine Lektion, die Matt von der Aufnahme des ersten Albums am meisten im Gedächtnis geblieben ist? „Eigentlich nur, was wir gerade besprochen haben, wie ungewöhnlich unser Ansatz war, aber gleichzeitig gibt es etwas Cooles daran, mutig zu sein und sich nicht zu viele Sorgen zu machen und im Moment zu leben und kreativ und spontan zu sein. Du kannst den ganzen Tag im Studio sitzen und sagen: Okay, wir schreiben jetzt einen Song. Und dann sitzt du fünf Tage später immer noch da und kratzt dich am Kopf. Es geht mehr darum, diese Balance zu finden – vorbereitet zu sein, aber auch die kreative Energie des Moments zu nutzen.“
Welche Erinnerungen hat Matt an das Feedback, das die Songs anfangs bekamen? „Wir waren einfach überwältigt. Die ganze Welt schien sofort darauf anzuspringen. Wir hatten bereits die EP rauß, also gab es schon einen Hype um die Band, und wir glaubten fest daran, dass ‚The Poison‘ ein großartiges Album ist. Aber wir wussten nicht, wie andere darauf reagieren würden, weil wir das nicht kontrollieren können. Aber tief im Inneren wussten wir, dass es ein geniales Album ist. Diese Überzeugung braucht man auch, wenn man so etwas Intensives tut wie Musikmachen. Unser Leben ist immer etwa 18 bis 24 Monate im Voraus verplant. Das ist einfach die Art, wie man arbeiten muss. Man muss die Touren planen und die Veranstaltungsorte sichern, und von dort aus rechnet man rückwärts. Wie lange braucht man? Wie viel Zeit? Es ist verrückt. In einer Band zu sein bedeutet, immer einen Zeitplan zu haben. Das hat, denke ich, nicht gerade dazu beigetragen, dass die Zeit langsamer vergeht – wenn überhaupt, hat es alles eher beschleunigt. Aber ja, es war einfach eine unglaubliche Reise. Ich wünschte nur, die Zeit würde nicht so an einem vorüberfliegen.“
Zeitgleich mit „The Poison“ feiert ein weiterer Meilenstein des Metalcore seinen zwanzigsten Geburtstag: „Ascendancy“ von TRIVIUM. Wie kam es, dass sie und BULLET FOR MY VALENTINE gemeinsam mit ihren beiden Jubiläumsalben auf Tour gehen? „Ich denke, der Clou unserer Tour mit TRIVIUM ist, dass wir jetzt mit all unserer Erfahrung ‚The Poison‘ und ‚Ascendancy‘ endlich richtig genießen können. Früher konnten wir es nicht wirklich wertschätzen, wir haben einfach immer nur Vollgas gegeben. Es gab keine Möglichkeit, innezuhalten und das Ganze mal zu genießen. Beide Bands waren einfach auf einer wilden Fahrt, und plötzlich war das nächste Album da, und man vergaß das vorige einfach. Jetzt, zum zwanzigjährigen Jubiläum, kann man endlich innehalten und darüber sprechen. Ich habe seit der Veröffentlichung von ‚The Poison‘ kaum darüber gesprochen. Es ist schön, sich daran zu erinnern, wie wichtig das Album damals für mich, aber auch für die Metal-Community 2004/05 war. Es war eine aufregende, lebendige Zeit für die Szene, in der Bands wie AVENGED SEVENFOLD, KILLSWITCH ENGAGE oder TRIVIUM groß rauskamen. Es ist toll, das zu feiern und diese Momente wieder aufleben zu lassen, aber mit zwanzig Jahren Erfahrung im Rücken. Ich freue mich total auf die Tour, darauf, in ‚The Poison‘ einzutauchen und diesen Moment noch einmal zu erleben. Es wird ein Spaß, und hoffentlich können die Fans, die damals dabei waren, diesen Augenblick ebenfalls noch einmal hochholen. Und für die, die nicht dabei sein konnten, ist es eine Chance, etwas nachzuholen, was sie damals verpasst haben.“
Auf einer gemeinsamen Tour haben TRIVIUM und HEAVEN SHALL BURN sich gegenseitig gecovert. Wenn BULLET FOR MY VALENTINE etwas Ähnliches machen könnten bei der anstehenden Tour, welches Lied von „Ascendancy“ würde Matt gerne mal spielen? „Mann, das Album ist einfach der Wahnsinn, ein echtes Meisterwerk, vor allem von so einer jungen Band. Ich erinnere mich noch, dass ich es erstmals hörte, als wir gerade ‚The Poison‘ aufnahmen, und dachte, ‚Fuck!‘, weil es mich irgendwie an uns erinnerte, nur gab es von allem bei ihnen immer noch ein bisschen mehr. ‚Rain‘ und ‚Pull harder on the string of your martyr‘ sind meine beiden Favoriten. Sie sind einfach verdammt heftig und eingängig, echte Metal-Klassiker.“
Gibt es andersherum einen Song von „The Poison“, den Matt gerne als Coverversion von TRIVIUM hören würde? „Sie können sich an allem versuchen, was sie wollen. Aber ‚Tears don’t fall‘ wäre definitiv interessant, da TRIVIUM so etwas noch nie gemacht haben. Als wir letztes Jahr in den USA tourten, ist ihr Frontmann Matt zu uns auf die Bühne gekommen und hat „Tears don’t fall“ mit uns gesungen – das war großartig.“
Was können Fans sonst von der Jubiläumstour erwarten? „Ich hoffe, gute Vibes. Wir wollen die beste Produktion auf die Beine stellen, die wir uns leisten können. Es wird eine große Sache werden, eines der besten Metal-Konzerte 2025.“
Und Matt verrät uns, was noch für das Jubiläum geplant ist: „Es gibt eine große Vinylbox und Merchandise-Artikel, auch in Zusammenarbeit mit TRIVIUM. Außerdem haben wir viele spezielle limitierte Angebote geplant.“ Besitzt Matt selbst Erinnerungsstücke aus der „Poison“-Ära? „Ja, meine Eltern haben viel gesammelt, sie waren so stolz. Ihr Haus ist voller Sachen, Erstpressungen und so. Ich habe auch noch die Gitarre, die ich bei ‚The Poison‘ verwendet habe. Ich habe daran gedacht, diese für die Fans zu verlosen.“ Und was kann man von den nächsten zwanzig Jahren erwarten? „Ich hoffe, es läuft alles etwas langsamer ab, denn es ist irgendwie beängstigend, in zwanzig Jahren schon sechzig zu sein. Ich will, dass die Band glücklich ist und ich meinen Job genießen kann. Solange ich diese Leidenschaft spüre, wird alles gut.“
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