Das neue BULLET FOR MY VALENTINE-Album trägt schlicht den Bandnamen als Titel. Dass die Briten darauf einige neue Wege einschlagen, überrascht positiv. Ich durfte mich mit Gitarrist Michael Paget zusammensetzen und über den Entstehungsprozess des Werks reden.
Mit Kippe im Mund sitzt er mir virtuell gegenüber: Michael Paget von BULLET FOR MY VALENTINE. Am 22. Oktober erscheint nämlich deren selbstbetiteltes Album und das hat zu meiner Freude ganz schön an Härte im Sound der Band zugelegt. „Bullet For My Valentine“ entstand dabei ziemlich zerstückelt, wie mir Michael erklärt: „Wir hatten immer große Pausen zwischen den Aufnahmen und sind eigentlich schon seit 2018 mitten in dem Prozess. Dann kamen ein paar Takes 2019 zwischen den Touren hinzu. Wir haben dieses Mal wirklich hart an den Demos gefeilt und jetzt sind wir super glücklich mit dem Resultat. Es ist alles ziemlich smooth geworden und das ist ein gutes Gefühl.“ Und hat sich die aktuelle Lage sehr auf das Album ausgewirkt? „Ironischerweise sehr positiv, weil wir dadurch vollen Fokus auf das Album hatten. Alles lief dieses Mal etwas anders ab und wir haben in mehreren Studios aufgenommen, unter anderem in Chesterfield und in meinem eigenen. Es war also ein Frankenstein-Monster von Album, haha. Und es ist im Endeffekt alles super aufeinander abgestimmt und wir sind wie gesagt sehr glücklich mit dem Resultat. Es sind einige ziemlich wütende Riffs enthalten.“
Mit „Knives“ und „Parasite“ ließ die Band zwei sehr heftige Vorboten auf „Bullet For My Valentine“ auf die Fans los. Wie waren die Reaktionen auf diese zwei Abrissbirnen? „Ich bin gar nicht so viel auf Social Media gewesen, aber ich bin sehr froh, dass wir ‚Knives‘ schon auf die Bühne bringen konnten und es hat sich verdammt gut angefühlt, es live zu spielen, vor allem weil es so simpel, aber umso heftiger ist. Es gab auch unglaublich gutes Feedback zu den beiden neuen Songs und ich denke wir haben damit die richtige Message gesendet: Wir sind zurück!“ Kam der Fokus auf die harten Parts und die heavy Riffs zufällig oder war es etwas, das lange geplant und dann umgesetzt wurde? „Es passierte komplett natürlich! Es ergab sich einfach beim Schreiben und ich werde mich keinesfalls darüber beklagen, dass die Songs so heavy geworden sind, haha.“
Gibt es bestimmte Einflüsse, die Michael benennen kann, die mit für den Umschwung verantwortlich sein könnten? „Nicht wirklich. Ich meine, wir werden niemals wie PANTERA klingen können und auch nie wie SLAYER. Wir machen das alles schon so lange, dass unsere Einflüsse so tief in uns verwurzelt sind, dass ich gar nicht mehr sagen kann, welche das genau sind. Wir haben auch so klar unseren eigenen Stil gefunden, dass das vielleicht gar nicht mehr so wichtig ist.“
Dabei ist der Schreibprozess recht ähnlich wie zu den Anfangstagen der Band. „Wir wissen noch immer nicht genau, was wir da tun. Wir wissen auch nicht, was wir zu erwarten haben, und alles, was wir wollen, ist Rockstar werden und fünf Autos haben und ein großes Haus, haha.“ Die komplette NICKELBACK-Nummer also? „Haha, genau. Aber im Ernst: ich bin wirklich froh, dass alles so gekommen ist, wie es gekommen ist, und ich bin unendlich dankbar dafür, dass ich das machen kann, was ich mache, und dass wir die Möglichkeit haben, das auf diesem Level zu machen. Die ersten fünf Jahre vergingen so unglaublich schnell damals. Ich denke auch nicht, dass ich je etwas ändern wollen würde daran, wie alles gelaufen ist. Wir haben so viele wichtige Erfahrungen sammeln dürfen und die Lektionen, die wir gelernt haben, waren allesamt nützlich und gut. Da bin ich wirklich gesegnet, dass ich dieses Bandleben jeden Tag leben darf. Wir schreiben noch wie zu Beginn der Band und wir wollen gleichzeitig alles voranbringen und so gut wie möglich abliefern. Ich meine, halbärschig schreiben will ich nicht und das Ganze leicht nehmen schon gar nicht! Das zum Beispiel ist noch wichtiger geworden, als es früher war.“
Gibt es denn etwas, was Michael noch erreichen will mit seiner Band? „Ich will unser ‚Black Album‘ schreiben, haha. Das ist wirklich ein Monster von einem Album! Natürlich wäre es schön, so groß zu werden wie METALLICA und ein so bedeutendes Werk zu veröffentlichen.“
Auch beim Artwork ließen sich BULLET FOR MY VALENTINE auf neue Wege ein: „Wir wollten die Sache etwas auffrischen und haben richtig professionelle Leute mit ins Boot geholt und die Visuals waren direkt genau so, wie wir sie haben wollten. Wir sind Musiker und haben da vielleicht nicht das Auge, wie es professionelle Künstlerinnen und Künstler haben. Es waren auch allesamt richtig nette und umgängliche Menschen, mit denen es wirklich sehr viel Spaß gemacht hat zusammenzuarbeiten. Das hätte auch ganz anders laufen können, weil es ja aktuell sogar so ist, dass Fotoshoots ein großes Problem darstellen können. Aber wir hatten großes Glück und alles lief sehr professionell und sicher und nach unseren Vorstellungen.“
Auch bei ihren Tourpartnern zeigt sich Michael dankbar: „Wir haben mit allen getourt, mit denen wir touren wollten. Vielleicht gibt es da noch ein paar jüngere Bands, mit denen es cool wäre, unterwegs zu sein, aber so richtig will mir da nichts einfallen. Wir touren einfach mit allen, haha.“
Gegenüber Streaming-Konzerten äußert sich der BULLET FOR MY VALENTINE Gitarrist eher verhalten. „Es fühlte sich lange Zeit an, als ob alles stagniert, und ohne Fans ist es einfach nicht das Gleiche. Ich möchte für Leute spielen und nicht nur, um bezahlt zu werden. Klar ist Geld wichtig, aber das ist eben nicht das, worum es bei Shows geht. Auch wenn ich mir das gar nicht vorstellen kann, ist die Idee noch nicht ganz vom Tisch, aber ich hoffe gerade einfach nur, dass es jetzt langsam wieder sicher und möglich sein wird zu touren und dass dieser Zustand dann auch bestehen bleibt. Es wäre schön, wenn das alles mal ein Ende finden würde langsam und dann das Tourleben wieder richtig anfangen könnte.“
Leicht waren die Zeiten, in denen es nicht möglich war, Konzerte zu geben, sicherlich nicht für ihn. „Ich fühlte mich ziemlich verloren in dieser Zeit. Nach 15 Jahren konstanten Tourens war es sehr, sehr schwer für mich, für ungefähr 16 Monate gar nicht unterwegs zu sein. Es war für mich wirklich eine Prüfung, in diesem Zustand aushalten zu müssen, und ich fand mich dadurch in ziemlich düsteren Gedanken wieder. Alles, was ich machen will, ist Gitarre zu spielen in einer Band, und das war halt zu dieser Zeit nicht in vollem Umfang möglich.“
Umso schöner, dass die ersten Konzerte schon hinter der Band liegen und so langsam auch weitere folgen. Für Anfang 2022 ist auch eine Europatour mit Deutschlandterminen geplant. „Ich freue mich sehr darauf, wieder ganze Sets zu spielen, und besonders freue ich mich darauf, die neuen Songs zu spielen. Es ist immer eine Herausforderung, neue Songs live zu spielen, und auf genau diese Herausforderung bin ich gespannt und voller Vorfreude. Ich liebe die Challenge. Aber natürlich freue ich mich auch darauf, mal wieder die alten Klassiker vor Publikum zu spielen. ‚Tears don’t fall‘ zum Beispiel. Der Moment, wenn die Menge dann anfängt zu jubeln, wenn sie den Song erkennt – das hat gefehlt über diese ganze Zeit. Ich vermisse einfach die Euphorie der Live-Shows.“
Dabei ist die Zukunft von BULLET FOR MY VALENTINE erst mal klar: „Wir haben eine Tour im UK gebucht und das ist immer ein guter Anfang, haha. Wir starten gerne hier. Natürlich auch wegen der Nähe zu unserer Heimat, aber ich liebe es auch, hier zu spielen. Dann erscheint natürlich am 22. Oktober unser Album und ich bin schon gespannt auf die Reaktionen. Wir wollen auch wieder in den USA touren und dann ist da natürlich die Europatour, die ansteht. Es scheint wieder voranzugehen und das ist ein gutes Gefühl. Und die Zeit fliegt aktuell. Also wenn alles gut geht, dann sehen wir uns bald wieder auf einer Show.“
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