Hardcore muss hart sein, Hardcore darf nicht stumpf sein. Eine Regel, die leider nicht immer beherzigt wird. AYS aus – der Tradition halber – Wegberg, in echt aber „Metropolregion Rhein-Ruhr“, beherzigen dieses Credo schon seit der Gründung 2002. 2008 kam das „Wreck My Soul“-Album und damit der Durchbruch, 2010 „Eroded by The Breeze“, drumherum einige Kleinformate, und dann 2014 die Split-EP mit EMPOWERMENT, nach der es verdächtig lange ruhig blieb. Sänger Florian Schommer, der auch für die visuelle Gestaltung verantwortlich ist, beantwortete meine Fragen zum jüngst via End Hits Records erschienenen neuen Album „Worlds Unknown“.
Florian, im Interview von 2013 fragte ich dich: „In fünf Jahren ... macht ihr was?“ Deine Antwort lautete: „Da schreiben wir unser übernächstes Album.“ Tja, seitdem erschien nur die Split-EP mit EMPOWERMENT. Was kam euch dazwischen?
Ja, da habe ich dir wohl Mist erzählt, haha. Na ja, wie das eben so ist, es kommt immer irgendwas dazwischen. Wir haben tatsächlich schon sehr früh angefangen, an dieser LP zu arbeiten. „3 A.M.“, den ersten Album-Song, haben wir noch vor „Suburban Haze“ geschrieben zum Beispiel. Damals haben wir uns dann aber dazu entschieden, einige Riffs besser für die folgende LP in der Hinterhand zu behalten. Geplant war eigentlich, dass die LP relativ zügig nach „Suburban Haze“ rauskommen sollte, aber dann kamen EMPOWERMENT dazwischen. Wir konnten ihre Split-Anfrage einfach nicht ablehnen. Nach der EMPOWERMENT-Tour haben wir alle irgendwie gemerkt, dass wir ein klein wenig Abstand von der Band brauchen ... jeder musste mal ein wenig auf sein eigenes Leben schauen. Die Ausnahme war damals unsere Asientour. Während der Zeit haben wir auch unser Album geschrieben.
Ich nahm immer an, AYS sei die Abkürzung von AGAINST YOUR SOCIETY. Nun finde ich bei Wikipedia dies: „Ays ist in der armenischen Mythologie ein böser Geist aus der Gruppe der Devs und die Personifikation des Windes. Ays besaß die Gabe, in den Körper der Menschen einzudringen. Die Opfer werden dadurch geisteskrank oder sogar selbst zu Dämonen.“ Klingt auch cool, oder?
Das haben wir auch vor ein paar Jahren gefunden, klingt ziemlich verrückt. Ich würde mir wünschen, behaupten zu können, dass unser Name daher kommt, aber nein, es war AGAINST YOUR SOCIETY. Und weil der Name so scheiße ist, lieber die Abkürzung AYS.
Das Artwork des Albums ist mal wieder sensationell – und stammt von dir. „Finished in Florida (USA), November 2016“, steht im Booklet. Wieso Florida?
Freut mich, dass es dir gefällt. Ein Teil meiner Familie wohnt in den USA. Ich war im Winter für einige Wochen dort und im Rahmen der Art Basel habe ich mir dort einige Ausstellungen angesehen. Nebenher habe ich unser Artwork fertiggestellt. Als ich das Sheet gestaltet habe, fand ich die Auflistung ganz schön. Die Platte haben wir in Amsterdam aufgenommen bei Igor Wouters, gemastert wurde es in New York von West West Side, und unser Label, End Hits Records, sitzt in Berlin. Die Platte lebt von den Einflüssen unserer Asienreisen und das Artwork habe ich eben in Florida beendet. Ich fand, das Ganze passt gut zum Titel „Worlds Unknown“. Der Tiger auf dem Cover überschreitet einen Fluss, was für eine Grenze stehen soll. AYS waren immer eine Band, die einfach drauflosgefahren ist, ohne wirklich zu wissen, was uns erwartet. Daraus haben wir viel gelernt und sind menschlich gereift.
Stell dir vor, du wärst Museumsführer und in einer Ausstellung hinge dieses Bild, euer Cover. Was würdest du den interessierten Besuchern erzählen?
Das könnte sehr ausschweifend werden. Ich versuche mich kurz zu fassen. Die Songs auf der Platte beziehen sich nicht auf Asien direkt. Der asiatische Touch kommt eher daher, dass wir zu der Zeit die Platte geschrieben haben, als wir dort auf Tour waren. Ich habe einige Textzeilen in China geschrieben und später noch mal, als ich separat ohne Band in Japan war. Daher dachte ich mir, es wäre cool, diesen Stil da irgendwie einfließen zu lassen. Das eigentliche Motiv vom Tiger, der den Fluss überschreitet, entstand schon 2013. In dem Tier stecken elf Waffen und eine Schlange hängt an seinem Bein – das sind quasi zwölf „Bedrohungen“ oder „Wunden“, jede Einzelne davon steht für einen Song auf der Platte. Es gibt noch einiges mehr zu erzählen über die Symbolik, aber ich würde vorschlagen, wer fragen hat, kann mich gerne auf einer Show anhauen, sonst wird das hier zu lang.
Ihr seid mit „Worlds Unknown“ auf End Hits Records gelandet. Wieso End Hits, wieso Oise? Woher kennt ihr euch?
Wir waren vorher ja lange bei Cobra Records. Wir haben Cobra sehr viel zu verdanken, wir hatten nur nach der Pause das Gefühl, dass wir eine Art Neustart brauchen. Wir wollten neue Reize setzen, daher haben wir auch bei den Songs einiges ausprobiert, dementsprechend war es für uns logisch, dass wir mit neuen Leuten zusammenarbeiten wollten, die wir noch nicht so gut kennen, um sich einfach auch etwas wachzurütteln, und Oise war da einfach unsere erste Wahl. Ich fand sein Label vorher schon sehr sympathisch. Man merkt, dass er unglaublich viel Herzblut reinsteckt, genauso wie Cobra.
Auf Facebook gebt ihr als Referenzen BLACK FLAG und SLIME an. Und auch eure Buddies EMPOWERMENT – deren Sänger Jürgen ist Gastsänger bei „Fangs of Tula“ – covern live gerne mal SLIME. Warum SLIME? Liegt bei euch ja musikalisch wie textlich nicht so auf der Hand.
Das waren eben irgendwie unsere ersten Einflüsse. Ich weiß noch, wie ich mit 15 oder 16 auf eine Silvesterparty gegangen bin in Wegberg. Damals hatte ich noch nicht viel mit Hardcore-Punk am Hut. Als ich auf der Party abhing, lief irgendwann „Deutschland muss sterben“ – das war einfach ein einschneidendes Erlebnis für mich in dem Moment. Ich habe vorher eigentlich nur Rap gehört und irgendwie hatte ich dabei immer nur das Gefühl, dass es die Musik ist, die vielleicht am nächsten an meine Stimmungslage herankommt. Aber so 100% zutreffend war es eben nicht, wir waren eben keine coolen Kids und aus dem Ghetto kamen wir erst recht nicht. Wir waren eher die frustrierten Mittelklasse-Kids aus der Kleinstadt und dann kamen SLIME, BLACK FLAG etc. und auf einmal hatte ich den passenden Soundtrack für mein Leben.
Ihr wart 2011 auf ausgiebiger Asientour, danach noch mal? Und ist so eine Expedition mal wieder geplant?
Ja, wir waren 2011 vor unserer Australientour ein paar Tage in Südostasien und dann noch mal 2015 für eine komplette Asientour. Schwer zu sagen, ob es eine weitere gibt. Sagen wir mal so, es ist zumindest nicht für 2017 geplant ... Was nächstes Jahr kommt, wissen wir noch nicht, aber eigentlich hätten wir alle mal Bock auf Südamerika.
Woher kommt diese Faszination für Asien, die sich ja im Artwork widerspiegelt? Und ist da noch mehr – Tattoos, Yoga, kulinarische Vorlieben ...?
Ich würde es nicht als Asien-Faszination bezeichnen. Alle in der Band lieben es, viel zu reisen, und in den letzten Jahren war Asien einfach irgendwie für uns eine Anlaufstelle. Wir waren ja fast alle auch noch mal unabhängig von der Band dort. Unser Drummer war in Malaysia, unser Gitarrist in Thailand und ich war in Vietnam und Japan. Dadurch dass ich so oft da war, kamen natürlich neue Einflüsse bei mir hinzu. Mehr ist es nicht.
Eure Musik ist enorm düster und „heavy“. So sehr manche Bands den Begriff „Konzept“ hassen, so denke ich doch, dass ihr eine genaue Vorstellung davon habt, wie alles klingen soll. Worauf also könnt ihr euch einigen?
Na ja, rückblickend hat es mich bei unsere letzen Releases irgendwie gestört, dass es keinen roten Faden gab. Ich bin eigentlich kein Fan von Konzeptplatten, ich glaube, so was kann einen einfach zu sehr beschränken. Uns war wichtig, dass jeder Song für sich stehen kann, aber dass trotzdem alle gut unter einem Hut passen und man ein markantes Gesamtbild kreiert, das eine Geschichte über die Band erzählt, ohne dass es uns eben zu sehr einschränkt.
Und wie bekommt man so einen Sound hin? Spielt das Studio, der Produzent – im aktuellen Fall Igor Wouters – da eine Rolle?
Igor ist ein super angenehmer Typ, man bekommt fast gar nichts von ihm mit im Studio, er lässt uns einfach machen. Uns ist aber auch sehr wichtig, dass wir bei Leuten aufnehmen, die wissen, was Hardcore ist, und die wissen, was wir für eine Band sind. Irgendwelche Musiknerds bringen uns da auch nicht weiter. Eine Hardcore-Platte muss einfach nach vorne gehen und das hat Igor eben raus. Da verstehen wir uns blind.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #93 Dezember 2010/Januar 2011 und Joachim Hiller
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