ATOM & HIS PACKAGE

Go metric!

Es gibt Musik, die kann man nicht beschreiben, und Adam "Atom" macht sie, mit seinem "Package", einem Sequencer, und seiner Gitarre. Er kommt aus Philadelphia, hat früher mal in einer Hardcoreband gespielt, und tingelt seit Jahren solo durch die Lande, mit einer wunderbar respektlosen, kruden Mischung aus pöblig-zynisch-humoristischen Texten, lauten Gitarrenriffs und komischen Elektrobeats und -bleeps. Auf "Redefining Music", seinem aktuellen Album auf Hopeless, übertrifft sich der Kerl mit der dicken Nerd-Brille einmal mehr selbst, und so traf sich das Ox vor seiner Show in Leverkusen mit dem Herrn auf ein Bier.

Du hast mal bei FRACTURE gespielt, einer ganz normalen Band mit Gitarre, Bass und Schlagzeug. Wie kam´s dann zu deiner "Solokarriere" nur mit Gitarre und Elektronik?


Das hat sich so ergeben, das war nicht geplant. FRACTURE lösten sich auf, weil unser Sänger auf die falsche Seite der Vereinigten Staaten zog, dieWestküste, und ein Freund spielte mir einen Song vor, den er mit dem Sequencer aufgenommen hatte. Das Ding gefiel mir sofort, denn damit kannst du einen Song auf nur einem Gerät komponieren, arrangieren und aufnehmen. Die andere Möglichkeit wäre gewesen, allein in meinem Zimmer zu sitzen, einen Song auf der Gitarre zu schreiben und niemand zu haben, mit dem ich ihn spielen kann. Und so habe ich mir einen Sequencer besorgt, nur so zum Spaß, und fing an Songs zu schreiben, sie auf ´nem Vier-Spur-Recorder aufzunehmen und Freunden vorzuspielen. Die Reaktionen ermutigten mich, ein paar Konzerte zu spielen, es machte viel Spaß und so habe ich einfach weitergemacht.

Wie ist es für dich, in Europa zu touren? Deine Texte sind ja eher subtil, geht da nicht was verloren, wenn man da Anspielungen und Witzchen nicht versteht?


Schwer zu sagen. Gerade in Deutschland sprechen die Leute sehr gutes Englisch, aber ich erwarte auch nicht, dass jeder alles versteht, was ich da singe und sage. Als ich das erste Mal nach Deutschland kam, wollte ich eigentlich Textblätter mit deutschen Textübersetzungen verteilen, aber mein Freund Armin von X-Mist meinte, das sei nicht nötig, die Leute würden genug verstehen. Und so war das dann auch, es muss ja nicht jeder alles verstehen. Ausserdem ist da ja auch noch die Musik, vielleicht stehen die Leute ja auch nur auf meine Musik? Die ist mir ja eigentlich viel wichtiger als nur "lustig" zu sein.

Im Info zu deiner aktuellen CD fand sich der schöne Satz "Atom may be funny, but he´s by no means a joke band". Eine passende Beschreibung, aber wie ist das denn, sehen denn nicht viele Leute in dir nur einen, haha, witzigen Typen mit, haha, witziger Musik?

Hm, also ganz klar, ATOM & HIS PACKAGE ist nicht jedermanns Sache. Es gibt ´ne Menge Leute, die finden mich überhaupt nicht witzig, sondern nur blöd. Und es gibt Leute, die finden´s witzig, wie ich mich da vorne auf der Bühne scheinbar zum Idioten mache, aber wenn es das ist, was sie zu meinen Konzerten treibt, kann ich mich darüber auch nicht so recht beklagen. Lieber sind mir natürlich Menschen, die meine Texte für klug und witzig halten und auch die Songs mögen. Ich weiss eben, dass der musikalische Teil meiner Songs kein Witz ist, kann aber verstehen, wenn manche sie für blöd halten. Auf jeden Fall sind´s viel, viel mehr Leute, die meine Songs mögen, als ich jemals für möglich gehalten hatte. So oder so kann ich aber niemandem vorschreiben, was er von meinen Songs zu halten hat und warum. Ich mache einfach nur, was mir selbst Spaß macht, wobei es aber dann doch immer wieder erstaunlich ist, wieviel Wut und Energie von Seiten jener Leute kommt, die meine Sachen nicht mögen. Die schreiben mir echt richtig lange eMails, in denen sie mir erklären, warum sie mich nicht mögen. Meine Antwort ist dann immer "Okay.".

Warum kann man dich denn nicht mögen?


Da gibt´s eine ganze Palette von Argumenten. Manche belassen´s bei "Du bist blöd, du saugst". Manche missverstehen mich auch, etwa den Song über Rob Halford, den Sänger von JUDAS PRIEST, in dem ich ihn dafür lobe, sich im Metal als schwul geoutet zu haben. Und da bekomme ich dann ´ne Menge Mails der Art "Wie kommst du dazu, uns Metalheads als schwul zu bezeichnen?". Äh, hallo? Das habe ich doch gar nicht gesagt? Ich habe "gay" ja nicht abwertend verwendet! Andere meinen mir schreiben zu müssen, dass es richtig sei, dass ich alle Metalheads als Schwule bezeichnet habe. Und auch das habe ich nicht getan! Soviel dazu, dass man meine Texte womöglich in Deutschland nicht versteht: die sind ziemlich klar in ihrer Aussage, und meine lieben Mitamerikaner kapieren sie nicht... Wenn mich also jemand beleidigen will, beleidige ich nicht zurück, sondern stelle ganz sachlich klar, was Sache ist. Man darf sich nicht drauf einlassen.

Du singst auch über andere Bands und Musiker oder coverst Songs - gibt´s da Reaktionen?

Eigentlich nur dann, wenn ich den Leuten meine Platte schicke, etwa im Falle meines FUGAZI-Covers, woraufhin ich ´nen netten Brief von Guy bekam. Oder von Sam McPheters bei meinem BORN AGAINST-Cover. Auf der aktuellen Platte covere ich die MOUNTAIN GOATS, und das ist offiziell geklärt. Bei Leuten, wo ich davon ausgehen kann, dass sie mich verklagen wollen, mache ich das aber nicht - Madonna hat bis heute keine Post von mir bekommen, und auch nicht die GHETTO BOYS. Ben Weasel ebenfalls nicht. Ein Freund eines Freundes ist mit Ben Weasel befreundet, und angeblich will der mir in den Arsch treten dafür. Tja. Aber selbst wenn mich jemand verklagen wollte - wofür? Will jemand Geld von mir für die riesigen Mengen Platten, die ich verkaufe? Haha! Nein, ich bewege mich ganz klar unterhalb des Wahrnehmunsradars der großen Labels.

Du setzt stark auf elektronische Gerätschaften, während Punk genau die schon immer abgelehnt hat. Ein Konflikt?


Ich weiss nicht. Ich persönlich finde elektronische Instrumente nicht "unpunk". Ich denke da aber auch nicht wirklich drüber nach, darüber, was "punkrock" ist und was angeblich nicht. Wenn jemand sagt, ich sei nicht punk, lautet meine Antwort "Warum?". Ich mache das, woran ich Spaß habe, und elektronische Instrumente machen mir eben Spaß. Ich meine, es gibt Bands mit Keyboards, die völlig scheisse sind, und andere sind großartig, das ist kein Entscheidungskriterium.

Was für Equipment verwendest du denn?

Also zuhause habe ich zwei Yamaha-Sequencer, und bis vor einer Weile habe ich die Sequencer auch mit auf Tour genommen und an die PA angeschlossen, was aber auf Dauer ein ziemlicher Aufwand und Stress war. Die Dinger sind teuer und empfindlich und ich kann und will sie nicht unbewacht in einem Auto lassen, und so habe ich mich entschlossen, die Songs vom Sequencer auf CD zu überspielen - und nehme nur noch die CD mit auf Tour und einen kleinen CD-Player. Zuhause in den USA habe ich dann nicht einen großen Kasten dabei, mit vielen Lämpchen und Schaltern und Kabeln, der nach viel aussieht, in dem aber nur der CD-Player steckt. Es macht aber mehr her, wenn er neben mir auf der Bühne steht, hehe. Nach den Anschlägen in den USA ist es derzeit aber keine so gute Idee, mit einem dubiosen Kasten voller Elektronik ohne Sinn und Zweck in einem Flugzeug unterwegs zu sein - versuch mal die Sicherheitsleute zu überzeugen, dass dieser Kasten eigentlich gar nichts ist und kann... Also gibt´s auf dieser Tour nur die Billigversion von ATOM & HIS PACKAGE, nämlich mich, meine Gitarre und meinen CD-Player.

Du hast mit "Go metric" einen sehr schönen Song im Programm, in dem du deine amerikanischen Landsleute aufforderst, sich endlich dem metrischen System mit Zentimeter, Liter und so weiter zu öffnen und dem Quatsch mit Meile, Gallone, etc. abzuschwören...

Oh ja, aber mir scheint, diese Schlacht ist schon verloren, bevor sie so recht begonnen hat, denn die Amerikaner sind zu blöd das zu kapieren. Das Problem ist, dass die Amerikaner ein Maßsystem verwenden, das völlig unlogisch ist und keinerlei Sinn ergibt. Jede Maßeinheit steht für sich und steht in keinem simplen Verhältnis zu anderen. Die Einheiten stehen nicht in Zehner- oder Hunderterverhältnissen zueinander, sondern zum Beispiel sind 12 Inches ein Foot, und drei Feet sind ein Yard und so weiter. Es gibt zig Einheiten, die keinem Standard unterliegen und es macht keinen Sinn und ist sowieso unmöglich, auf einfache Art zu konvertieren. Beim metrischen System dagegen bauen Längen-, Flächen- und Hohlmaße alle mathematisch logisch und in simplen Verhältnissen aufeinander auf. Was das in der Praxis bedeutet? Das reicht davon, dass diese Herumrechnen einfach frustrierend ist, was ja als Grund schon ausreicht, bis zu Konsequenzen wie dem Verlust einer Marssonde der NASA: die einen Wissenschaftler hatten beim Programmieren das metrische System verwendet, die anderen nicht... Oooops!

Anderes Thema: das ist deine zweite Europatour...

...und ich kann noch nichts dazu sagen, denn es ist die erste Show. Aber die Tour damals war klasse, die Bedingungen hier sind einfach besser: du bekommst was zu essen und zu trinken und einen Pennplatz, in den USA nichts dergleichen. Für mich ist das in den USA kein Problem, ich bin ja allein unterwegs und komme immer irgendwie unter. Ausserdem ist der Vorteil des Alleinreisens, dass man gezwungen ist, sich mit den Leuten vor Ort zu unterhalten. So trifft man jede Menge interessanter Leute. Aber es macht auch Spaß mit einer Band zu touren, keine Frage, wobei natürlich vieles einfacher ist, wenn man alleine unterwegs ist, denn man muss keine Rücksicht auf andere Bandmitglieder nehmen. Das Üble sind in den USA freilich die langen Autofahrten: acht Stunden alleine auf der Autobahn sind echt nicht toll.

Der größte Vorteil ist aber doch, dass du dein Geld nicht zu teilen brauchst.

Ach ja, das ganze Geld. Jetzt wo du mich erinnerst. Und das Kokain und die Nutten muss ich auch nicht teilen.

Machst du noch was ausser der Musik, so zum Geldverdienen?

Nein, ich bin die ganze Zeit unterwegs und so klappt es halbwegs. Philadelphia liegt ganz verkehrsgünstig, da kann man am Wochenende mit relativ kurzen Autofahrten in einer ganzen Menge Städte auftreten. Ich bin jetzt zwei Monate in Europa, und insgesamt sechs von zwölf Monaten unterwegs.

Okay, ´ne tricky Frage zum Schluss: deine fünf Lieblingspunkrockplatten?

Die MINOR THREAT-Diskographie, "Plastic Surgery Disaster" und "In God We Trust Inc." von den DEAD KENNEDYS, tja, und jetzt wird´s schwer. Sorry, auf die Schnelle fällt mir nichts ein. Mir fällt aber eine Platte ein, für die mich viele hassen werden, die mir aber trotzdem gefällt: das Album der A-TEENS. Und "Fabulous Disaster" von EXODUS.

Adam, danke für das Interview.

Foto: Shawn Scallen

Diskographie:
"Redefining Music" (CD/LP, Hopeless, 2001) • "A Society of People Named Elihu" (CD/LP, Mountain Records/X-Mist, 1997) • "The First" (CD, No Idea) • "Shopping Spree" (EP, Sub City, 2000) • "Atom and His Rockage" (EP, 208, 1998) • "Behold, I Shall Do A New Thing" (EP, Vital Music, 1998) • "Gun Court Singles Series" (EP, Waban Ore Limited, 1998) • "Live in a New Town" (MC, TPOS, 2000)