Erst kürzlich war im Ox ein Interview mit der texanischen Ausnahmeband zu lesen, doch nachdem AT THE DRIVE-IN uns mit so großartigen Platten wie "In/Casino/Out" oder "Vaya" beglückten, schieben sie nun mit "Relationship Of Command" ihr neues Album nach. Manch einer vermutet schon, damit stünden AT THE DRIVE-IN unmittelbar vor dem großen Durchbruch, ein Gedanke, der die Texaner allerdings ziemlich kalt zu lassen scheint...
Das bisher hauptsächlich in den Insider-Kreisen der Hardcore- und Emo-Szene bekannte Quintett ist derzeit in aller Munde. AT THE DRIVE-IN sollen das nächste große Ding werden, das prophezeien zumindest die Medien in den Vereinigten Staaten. Die musikalische Qualität dazu besitzen sie auf jeden Fall, wie der Genuss des neuen Albums "Relationship Of Command" eindrucksvoll beweist. Gitarrist Jim Ward sieht dem Rummel um seine Band allerdings gelassen entgegen: "Nein, wir verspüren keinen Druck, weil wir uns nie um das große Geld und den Ruhm gekümmert haben." Und im Laufe unseres Gespräches fügt er noch hinzu: "Wir wollen keine Rockstars werden. Wir sind nur fünf stinknormale Typen, die gemeinsam Musik machen." Auf ein künstliches Image verzichten die Jungs sowieso, wie man aus Jims Worten mehr als deutlich heraushören kann: "Ein Image haben wir nicht - das ist uns völlig egal! Jeder von uns ist gerade mal im Besitz von fünf T-Shirts. Es ist schon lustig, wenn wir bei Fotosessions andere Klamotten anziehen sollen, weil wir schon mal in den selben Shirts fotografiert wurden. Das ist doch lächerlich. Wir sind Künstler, keine Models!"
Die bodenständige Haltung von AT THE DRIVE-IN ist sicherlich auch durch die Werte der Hardcore-Szene geprägt worden , wo so etwas wie Stargehabe oder Autogrammstunden zu Recht verpönt sind. Hat Jim keine Angst, dass sie nun mit massiven Ausverkaufsvorwürfen aus dieser Ecke konfrontiert werden? "Nein, habe ich nicht", lautet die kurze und schmerzlose Antwort, "Einfach weil uns niemand besitzt. Die Fans besitzen uns nicht, die Plattenfirma besitzt uns nicht - niemand hat uns zu sagen, wie wir uns verhalten sollen!" Apropos Plattenfirma: Neuerdings steht man ja bei Grand Royal, dem Label der BEASTIE BOYS, unter Vertrag. Warum haben sie sich ausgerechnet für Grand Royal entschieden? Es standen ja wohl so gut wie alle großen Plattenfirmen Schlange. "Für uns war es einfach die beste Wahl. Mike D. ist ein guter Boss, der eine Menge Ahnung von Musik hat. Es ist schon seltsam, dass wir plötzlich mit solchen Leuten rumhängen. Und mit Virgin haben wir einen prima Vertrieb im Rücken."
Interessant ist auch die Wahl des Produzenten ausgefallen. Denn "Relationship Of Command" hat kein Geringerer als Ross Robinson (u.a. MACHINE HEAD, SLIPKNOT, KORN) produziert. Wie kam es zu dieser ungewöhnlichen Zusammenarbeit? "Er war bei unserer Plattenfirma, um sich irgendeine Platte anzuhören, wobei er auch unsere Musik zu hören bekam. Mit dem Ergebnis, dass er uns unbedingt produzieren wollte. Wir kannten ihn damals allerdings noch gar nicht. Ross Robinson? Wer ist das? Wir waren sehr skeptisch, als wir hörten, dass er solche Sachen wie KORN und LIMP BIZKIT gemacht hat, weil wir mit dieser Art von Musik nicht viel anfangen können. Dann reifte der Entschluss, probehalber einen Song mit ihm in New York aufzunehmen, was auf Anhieb sehr gut geklappt hat."
Ross Robinson ist ja dafür bekannt, dass er die Musiker bis an ihre absoluten Grenzen treibt. Konnte er auch aus AT THE DRIVE-IN das letzte Fünkchen Enthusiasmus rausquetschen? "Das war im Prinzip gar nicht nötig", erläutert Jim, "weil wir immer hundertprozentig motiviert sind. Er hat uns allerdings den guten Ratschlag gegeben, etwas lockerer im Studio zu sein, wo wir früher immer sehr steif rumstanden, um ja keine spielerischen Fehler zu machen. Er hingegen wollte uns so hören und sehen, wie wir live auf der Bühne sind, selbst wenn uns mal ein kleiner Fehler unterläuft. Deswegen klingt das neue Album auch so frisch und energiegeladen." Der Fünfer aus El Paso, so Jim, wollte eine Rock-Platte aufnehmen, die keine eng gesetzten Genregrenzen wie Emo oder Hardcore kennt: "Die Bezeichnung "Rock" gefällt uns mit Abstand am besten, weil dieser Begriff eine Menge Interpretationsfreiraum lässt. Ich sehe "Relationship Of Command" ganz klar in der Tradition von "In/Casino/Out", wobei wir allerdings auch einige Elemente des eher experimentellen Minialbums "Vaya" einfließen ließen. Dass das Album dann gleich so rockig wurde, haben wir uns selbst nicht träumen lassen."
Womit wir auch schon bei den Combos wären, mit denen AT THE DRIVE-IN verglichen wurden: RAGE AGAINST THE MACHINE, SONIC YOUTH und FUGAZI. "Den RAGE AGAINST THE MACHINE-Vergleich kann ich ehrlich gesagt überhaupt nicht verstehen", legt Jim dar. "Wir waren im Dezember auf einer kleinen Tour mit RAGE AGAINST THE MACHINE an der Ostküste, wodurch wir uns zum ersten Mal überhaupt richtig mit ihrer Musik auseinander gesetzt haben. Ich kann da keine musikalischen Parallelen entdecken. Die einzige Gemeinsamkeit sehe ich darin, dass beide Bands ihre Wurzeln in der Hardcore-Szene haben. Aber über den Vergleich mit SONIC YOUTH und FUGAZI freue ich mich natürlich schon, schließlich sind das großartige Bands." AT THE DRIVE-IN sehen sich in erster Linie als Live-Band, wie mir Jim versichert: "Das Touren ist unser Ein und Alles. Nur so können wir all dem Mist in unserem Leben entkommen." Und dass die Jungs einen hervorragenden Ruf als Live-Band haben, dürfte bei den knapp 500 bis 600 Konzerten, die sie mittlerweile schon auf dem Buckel haben, niemanden mehr verwundern: "Wir haben schon überall gespielt - in winzigen Kellern und riesigen Arenen." Von nun an wahrscheinlich nur noch in den riesigen Arenen - hoffentlich nicht!
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