Noch nie war die Welt so gespalten wie jetzt. Die Corona-Pandemie, der Klimawandel oder der Krieg in der Ukraine haben viele Menschen entzweit. Eine Unversöhnlichkeit, die wahrscheinlich noch lange anhalten wird. Die Lösung für all diese Probleme lautet Zusammenhalt, zumindest, wenn es nach ANTILLECTUAL geht. Das Trio aus Nijmegen im Osten der Niederlande schickt mit „Together“ einen flammenden Call-To-Action in die Welt da draußen. Verpackt in hochmelodische, schnelle Punkrock-Songs, die dem Sound von Bands wie PROPAGANDHI oder RISE AGAINST in nichts nachsteht. Für Sänger Willem Heijmans ist es trotz aller Widrigkeiten und Probleme wichtig, die Zuversicht und die Hoffnung auf bessere Tage nicht zu verlieren.
Euer letztes Album „Engage!“ ist vor sieben Jahren herausgekommen. Was ist seitdem passiert?
Sieben Jahre sind wirklich eine sehr lange Zeit. Das hat alles viel zu lange gedauert. Wir wollten erst eine EP aufnehmen. So wie wir das immer nach einem Album machen. Deshalb haben wir vier Songs von Proto-Punk-Bands wie RAMONES, BLONDIE, THE POLICE und THE STOOGES gecovert. Das hat riesigen Spaß gemacht, hat aber eine Weile gedauert, bis wir alles geregelt und aufgenommen hatten. Die EP kam 2020 heraus und danach hat uns die Pandemie volle zwei Jahre gekostet. Dann wollten wir erst mal was anderes machen und zwar einzelne Songs veröffentlichen und nicht wieder ein komplettes Album. Damals haben wir außerdem angekündigt, dass wir keine herkömmlichen Alben mehr veröffentlichen wollen. Schließlich hat sich die Musikindustrie in den vergangenen Jahren massiv verändert. Also haben wir vier digitale Singles veröffentlicht, die wir jetzt zusammen mit sechs neuen Songs zu einer Art Single-Compilation zusammengefasst haben.
Warum wolltet ihr keine regulären Alben mehr veröffentlichen?
Wir wollen uns einfach nicht wiederholen. Deshalb haben wir mal eine Akustik-EP, mal eine EP mit alten Demotracks und mal eine Split-EP mit ANTI-FLAG veröffentlicht. Und das immer zwischen unseren Alben. Damit wollen wir verkrustete Strukturen und Angewohnheiten aufbrechen. Deshalb wollten wir nicht einfach unser sechstes Studioalbum aufnehmen, sondern etwas anderes probieren. Wir wollen, dass es auch für uns spannend bleibt. Jetzt gibt es neue Möglichkeiten, seine Musik zu vermarkten mit Spotify oder Instagram. Da kann man auch mal andere Wege gehen. Und für die alten Fans haben wir die Songs jetzt eben auch physisch veröffentlicht.
„Together“ ist der Name der Single-Compilation und es klingt wie ein lauter Aufruf zu Solidarität und Zusammenhalt. Was steckt dahinter?
Die neue Welle an Aggression, Polarisierung und Hass auf der Welt hat mich total geschockt. Deshalb ist es wichtig, den Fokus wieder auf Zusammenarbeit und Gemeinsamkeit zu legen. Man hängt ja immer auch von den anderen Menschen ab, mit denen man auf diesem Planeten zusammenlebt. Natürlich ist es ein sehr vager Ansatz, all diese Probleme zu lösen, aber es ist eben der rote Faden, der sich durch alle Songs zieht. Die beschreiben den Mangel an Zusammenhalt in diesen Tagen. Das bezieht sich zum einen auf gesellschaftliche oder politische Ereignisse wie den Ukraine-Krieg oder den Klimawandel, aber auch darauf, wie wir die Platte veröffentlichen. Das passiert nämlich in Kooperation mit einer ganzen Reihe von Labels. Außerdem wollten wir die Songs der vergangenen Jahre zusammenfassen und noch einmal gemeinsam veröffentlichen. Deshalb passt der Albumtitel „Together“ perfekt für dieses Projekt. Für mich ist das Thema Solidarität ein zentrales Thema in unserer heutigen Welt.
Wie schafft ihr es, bei all dem positiv zu bleiben?
Wir schulden es uns gegenseitig, immer optimistisch und zuversichtlich zu bleiben. Musik sollte keine Abwärtsspirale bilden, sondern immer konstruktiv und aufmunternd sein. Unsere Songs zielen deshalb immer auf eine bessere Welt und eine Wendung zum Guten ab. Das ist doch viel besser, als so pessimistisch zu sein und völlig lethargisch das Ende der Welt zu beobachten. In Sachen Klimawandel gibt es immer mehr Aktivisten, die sich dagegen stellen. Aber natürlich gibt es keine Garantie für ein Happy End. Der Krieg in der Ukraine zum Beispiel macht es sehr einfach, alle Hoffnung zu verlieren. Vor allem in den letzten Jahren ist es auch uns sehr schwer gefallen, optimistisch zu bleiben. Wir haben zwar noch keine Pläne für eine neue Veröffentlichung geschmiedet, aber ich fände es durchaus interessant, unseren negativen und destruktiven Gefühlen auch mal Raum zu geben. Nur um zu sehen, welche Musik daraus entsteht. Eine Art Hass-EP, mal schauen. Das entspricht eigentlich nicht unserer Art, aber aus der Künstlerperspektive wäre das reizvoll.
Im Artwork habt ihr Ameisen als Symbol für Zusammenhalt verwendet. Sollten Menschen mehr sein wie Ameisen?
Ich weiß nicht genug über Ameisen, um diese Frage beantworten zu können. Um ehrlich zu sein, stammt die Idee von Thomas Uriah Jarboe aka Dark Roast, der das Artwork entworfen hat. Wir fanden seine Idee aber auf Anhieb hervorragend, weil es Tiere sind, die alles zusammen machen und ständig zusammen sind. Ihre Solidarität macht sie stärker und produktiver. Deshalb sind sie natürlich das perfekte Bild für die Songs von „Together“. Aber Ameisen haben auch dunkle Seiten, soweit ich weiß, fressen sie die Eier von Artgenossen. Deshalb sollten wir nicht alle ihre Angewohnheiten kopieren, aber die Zusammenarbeit ist auf jeden Fall eine gute Sache. Und außerdem steckt Ant, also Ameise, ja auch in unserem Bandnamen ANTILLECTUAL. Das passt also.
Lass uns über ein paar Songs reden. Worum geht es in „The invisible hand meets the visible fist“?
Der Ausdruck „The invisible hand“ stammt vom schottischen Ökonom Adam Smith, der damit den freien Markt beschrieben hat, der alles von alleine regelt, ohne den Einfluss von Staat oder Politik. Aber die Realität des Turbo-Kapitalismus hat gezeigt, dass es nicht gut für die Welt ist, wenn jeder nur auf seinen eigenen Vorteil und die persönliche Gewinnmaximierung schaut. Deshalb braucht diese unsichtbare Hand unbedingt ein Gegengewicht in Form von Protest. Und das ist in meinen Augen „The visible fist“. Jemand, der dem Gewinnstreben der Großkonzerne etwas entgegensetzt. Jemand, der für die schwächeren Mitglieder unserer Gesellschaft kämpft, die darunter leiden.
Ein anderer Song mit einer interessanten Metapher ist „Heads you win, tails we lose“. Worum geht hier?
Dieser Song ist schon ein bisschen älter, den haben wir geschrieben, als Donald Trump zum Präsidenten gewählt wurde. Es geht um den schlimmen Einfluss von Populismus, der so schaurige Gestalten wie ihn, aber auch Duterte auf den Philippinen oder Bolsonaro in Brasilien an die Macht gespült hat. All diese Idioten, die in den Niederlanden zum Beispiel von Geert Wilders und seiner rechtspopulistischen Partei PVV repräsentiert werden. Die behaupten alle, die Interessen der ganz normalen Leute zu vertreten. Die Menschen, die in ihren Augen von den Altparteien nicht mehr vertreten werden. Dabei ist es längst bewiesen, dass all diese Populisten aus denselben Eliten stammen wie die Politiker, die sie ablehnen. Das ist eine Situation, in der man als Wähler nicht gewinnen kann. Beides ist keine Option in meinen Augen. Wie bei einer Katze, die sich in den eigenen Schwanz beißt. Deshalb „Heads you win, tails we lose“.
Der Sound von ANTILLECTUAL hat sich mit „Together“ im Vergleich zum Vorgängeralbum „Engage!“ kaum verändert. War das der Plan?
Wir versuchen als Band natürlich immer zu wachsen und uns weiterzuentwickeln, aber natürlich tragen diese Songs unsere Handschrift. Der Hauptunterschied ist in meinen Augen, dass wir „Engage!“ am Stück in einem Studio aufgenommen hatten. Die ersten Aufnahmen für das neue Album liefen schon 2018, dann gab es eine Veränderung im Line-up und zwei Jahre Zwangspause wegen Corona, so dass wir die letzten Songs erst vergangenes Jahr aufgenommen haben. In einem anderen Studio, mit einem neuen Bassisten. Die größte Herausforderung war diesmal, den Sound der verschiedenen Songs halbwegs anzugleichen, um sie auf ein gemeinsames Album packen zu können. Es war gar nicht so leicht, den gleichen Vibe zu treffen, aber ich hoffe, es hat funktioniert. Wir sind keine großen Fans von Konzeptalben, deshalb unterscheiden sich unsere Platten im Sound nicht besonders. Der Inhalt unserer Texte macht wohl den größten Unterschied.
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