ANTILLECTUAL

Foto© by Peter van Esch

Gute Zeiten für politische Musik

Auch wenn Sänger Willem des niederländischen Punk-Trios am liebsten fröhliche Ska-Musik machen würde, wenn dafür die Welt ein besserer Ort wäre, so sind die Zeiten mit ihren Krisen für eine politische Band, wie es ANTILLECTUAL sind, gar nicht so schlecht. Denn so gibt es mehr als genug Missstände, die sie anprangern können, wie auf dem aktuellen Album „Together“.

Ich weiß, dass ANTILLECTUAL eine sehr politische Band sind, in euren Texten und allem, wofür ihr steht. Einige der Songs, die ihr für das neue Album aufgenommen habt, sind aber schon etwas älter. Ist es in einer Welt, die sich im Grunde jeden Tag verändert, nicht schwer, einen Song zu machen, der sich nicht veraltet anfühlt, wenn er rauskommt?

Ja, du hast recht. „Heads you win, tails we lose“, war die erste Single, die wir veröffentlicht haben, und sie ist natürlich von der Trump-Präsidentschaft beeinflusst. Wir haben sie vor zwei Monaten veröffentlicht, und Trump ist nicht mehr an der Macht und ich hoffe auch, dass er es nie wieder sein wird, aber er könnte wiederkommen. Und die Haltung, die er in der ganzen populistischen Welle repräsentiert, ist immer noch aktuell. Nicht nur in den USA, das geschieht auch in Deutschland, wo die AfD jetzt immer mehr Wahlen gewinnt und größer ist als je zuvor. Obwohl es also eine sehr konkrete Sache ist, über die wir den Song geschrieben haben, ist es eher etwas, das in den letzten paar Jahren und in den nächsten Jahren passiert. Aber es passt auch zu der Tendenz, dass der rechte Flügel der Politik wächst und immer populärer wird. Ich glaube, nach der neoliberalen Ära in den Neunzigern gibt es eine konservativere rechte Bewegung, die in den Zweitausendern begann, nach dem 11. September, und so passt es auch ins Gesamtbild. Der Grund, warum wir nur ein paar Singles vor dem Album machen wollten, war auch, dass wir so mehr Songs schreiben konnten, die auf aktuellen Ereignissen basieren. Natürlich ist es ein Nachteil, wenn man den Song ein paar Jahre später auf einem Album rausbringt, so dass er veraltet ist, aber die Tatsache, dass wir die Single ein paar Monate, nachdem wir sie geschrieben hatten, veröffentlichen konnten, war ein Vorteil und das gleicht sich aus. Es gibt also einen Vorteil und einen Nachteil, aber das gilt für alle Alben, ich meine, wenn du dir ein politisches Album von vor zehn oder zwanzig Jahren anhörst, dann kann es veraltet sein, aber es stecken immer noch Wahrheiten darin. Und es gibt politische Wellen und Bewegungen, die immer noch aktuell sind und immer noch passieren. Ich meine, in den Niederlanden gab es dieses Wochenende einen großen Gedenktag zum Ende der Sklaverei. Und es ist eine riesige Sache, die Niederlande haben erst in den letzten paar Monaten begonnen, sich für das zu entschuldigen, was passiert ist, dabei ist es 150 Jahre her, dass die Sklaverei in den niederländischen Überseegebieten abgeschafft wurde. Das ist also ein politisches Thema, das nie veraltet sein wird, denn obwohl es in der Vergangenheit passiert ist, gibt es immer noch Überbleibsel davon in der Gegenwart und in der Zukunft. Es ist also jetzt vielleicht nicht Trump, aber es gibt den nächsten Idioten, der sicher bald kommt.

Ich muss sagen, das ist etwas, wo ich immer mit einem gewissen Neid auf einige HipHop-Künstler geschaut habe, die in der Lage sind, ins Studio zu gehen, einen Track aufzunehmen und ihn am nächsten Tag hochzuladen.
Idealerweise würde ich gerne einen Song nach dem anderen aufnehmen, damit man sich wirklich auf einen Track konzentrieren und ihn fertigstellen und veröffentlichen kann. Aber weißt du, wenn du für zehn oder zwölf Stücke ein Schlagzeug in einem Studio aufbauen musst, dann ist das finanziell ein andere Sache. Aber es braucht auch mehr Zeit. Wenn ich einen Song schreibe, können wir ihn nicht am nächsten Tag aufnehmen, weil wir Zeit brauchen, um die Teile zu proben, aber wenn man elektronische Musik macht, kann man sie programmieren, man kann sie anhören, man kann sie fein abstimmen und dann kann man sie direkt veröffentlichen.

Es sieht auch nicht so aus, als ob euch der Stoff bald ausgeht, über den ihr singen könnt, mit all den herrschenden Krisen, wie die Klimakatastrophe, rechten Parteien auf dem Vormarsch, in den Niederlanden genauso wie in Deutschland. So betrachtet scheint es eine gute Zeit für politische Bands zu sein.
Es ist wahr, aber es ist eine zweischneidige Sache. Ich denke manchmal, in einer perfekten Welt würde unsere Band nicht existieren. Was ein bisschen ironisch ist, aber je schlechter es in der Welt läuft, desto mehr Inspiration bekommst du. Das ist vielleicht zynisch zu sagen und zu denken, ich würde lieber in einer Welt leben, in der wir uns nicht beschweren müssten und nicht inspiriert wären, unsere Songs zu schreiben. Aber das wird nie eintreten. Ich bin nicht so naiv zu denken, dass eines Tages alle Probleme gelöst sein werden und wir können ein glückliches Leben leben und wir werden alle Ska-Musik spielen, haha! Das ist auch der Grund, warum wir als Band versuchen, eine positive Einstellung zu bewahren. Es gibt eine Menge Probleme, und wir sind es uns selbst schuldig, positiv, fröhlich und optimistisch zu bleiben. Wir hoffen, dass wir das auch auf andere Menschen übertragen können. Dass sie eine optimistische Aussicht auf die Zukunft und eine positive Botschaft bekommen, damit die Dinge besser werden und nicht noch schlimmer. Ich meine, ich verstehe total, warum Bands negative Texte und Ansichten haben, und ich verurteile sie nicht dafür oder so, aber das passt nicht zu mir persönlich und den anderen in der Band, und ich bevorzuge es, diese Art von Botschaft zu haben.