ALARMSIGNAL haben ihre Antwort auf diese Frage auf ihrem neuen Album „Insomnia“ gegeben. Sänger Steff erzählt im Interview, wie die Band zwischen schlaflosen Nächten, persönlichen Geschichten und lautem Protest gegen das, was in der Welt schiefläuft, immer wieder einen Weg findet, um weiterzumachen.
Euer neues Album kommt bald. Welche Themen behandelt ihr darauf?
Über die Jahre wurden unsere Songs immer persönlicher und „Insomnia“ ist wohl das persönlichste Album, das wir bisher gemacht haben. Es geht nicht mehr nur um politische Themen, sondern auch um Dinge, die uns als Band und auch privat als Individuen beschäftigen.
Der Titel „Insomnia“ passt ja gut. Bereiten euch diese Inhalte tatsächlich schlaflose Nächte?
Absolut. Der Titel ist keine Fantasie, sondern spiegelt unsere Realität wider. Oft finden wir den Schalter nicht, um abzuschalten, und gewisse Themen lassen uns einfach nicht los. Die Musik hilft uns dabei, das zu verarbeiten. Es ist eine Form von Selbsttherapie – für uns und vielleicht auch für andere, die sich in den Songs wiederfinden.
Für eine Punkband gehört es aber doch auch dazu, die Welt kritisch zu betrachten, oder? Ob nun persönliche oder gesellschaftliche Belange.
Das sehen wir genauso, auch wenn nicht alle in der Szene dieser Meinung sind. Viele verbinden Punk immer noch mit dem Klischee „F*****, Saufen, Hartsein“. Aber für uns war Punk immer ein positiver Aufschrei, kein „No Future“-Gedanke. Als ich damals in die Szene kam, suchte ich einen Gegenentwurf zur Gesellschaft, habe aber schnell gemerkt, dass die Punk-Szene selbst oft ein Spiegelbild davon ist – hart und kalt. Nur: Ich war nie dieser harte Typ.
So hast du die Szene damals empfunden?
Ja, ein Erlebnis hat das gut gezeigt: Ich bewunderte einen Altpunk in meiner Stadt und hatte irgendwann den Mut, ihm zu sagen, dass ich seinen Style cool finde. Seine Reaktion? Er haut mir eine auf die Brust. Das war ein Moment, der mir klargemacht hat, dass man in der Szene schnell als „weich“ gilt, wenn man Gefühle zeigt. Aber es ist mir nie gelungen, hart zu sein, das bin ich einfach nicht. Über die Jahre haben wir gelernt, uns treu zu bleiben und zu zeigen, dass Punk auch anders sein kann: kritisch, emotional und menschlich.
Ihr habt auf eurem neuen Album auch interessante Features. Es sind ja doch einige geworden, oder?
Ja, es sind tatsächlich fünf. Wir haben uns richtig ins Zeug gelegt und es sind einige großartige Musikerinnen und Musiker dabei. Sie passen einfach gut zu den Songs. Wir wählen die Features nicht nach Bekanntheitsgrad, sondern danach, mit wem wir auf einer Wellenlänge sind.
Wer ist alles dabei?
Zum Beispiel Sebastian Madsen, der bei „Rest your eyes“ singt. Seine hohe Stimme passt perfekt zu diesem sehr emotionalen Song, der auf einer wahren Begebenheit basiert. Dann ist Sarah Lesch dabei, eine Liedermacherin, die viele vielleicht nicht erwarten würden. Sie singt bei „Kein Vaterland“, einem politischen Song, weil wir da ähnlich ticken. Mel Marker, eine meiner besten Freundinnen, singt bei dem sehr persönlichen Track „D’accord“. Es war mir wichtig, jemanden dabeizuhaben, zu dem ich eine enge Verbindung habe. Chris von KOTZREIZ bringt bei „Deutsch mich nicht voll“ genau die rotzige Energie mit, die der Song braucht. Und bei „Manifest“, unserer Ansage gegen das Patriarchat, macht Beckx von F*CKING ANGRY mit. Seine rauhe Stimme unterstreicht die Message perfekt.
Worum geht es in „Manifest“?
Als Männer sind wir uns unserer Privilegien bewusst – auch wenn wir sie nicht wollen, haben wir sie. Deshalb sehen wir es als unsere Pflicht an, den Mund aufzumachen und FLINTA-Personen zu unterstützen, wo wir können. Mit diesem Song wollen wir zeigen, dass wir einem männerkritischen Bild folgen und uns von toxischer Männlichkeit distanzieren.
Ihr habt aber auch andere musikalische Einflüsse auf dem Album. Es ist nicht nur purer Punk. In „Nichts sehen, nichts hören“ ist zum Beispiel ein bisschen Ska drin. Wie kam das?
Das ist so ein Anspruch, den wir an uns selbst haben: Wir wollen uns nicht im Kreis drehen. Es geht nicht darum, alles auf den Kopf zu stellen, aber ein bisschen Weiterentwicklung muss einfach sein. Ska-Elemente wie bei „Nichts sehen, nichts hören“ bringen frischen Wind rein, ohne dass wir unsere Identität als Band verlieren.
„Johanna“ ist ein Song, der ebenfalls aus dem Rahmen fällt – eine Ballade als Abschluss. Was steckt dahinter?
Der Song basiert auf einer wahren Geschichte, genauer gesagt auf meiner Oma Johanna. Sie saß oft auf dieser Bank, über die ich singe, und hat mir von ihrer Zeit berichtet – auch von den dunkelsten Kapiteln der deutschen Geschichte. Dieses Wissen und die Reflexion darüber, wie nah wir heute wieder an solchen Abgründen stehen, haben den Song geprägt. Es sterben die letzten Zeitzeugen, und viele haben keinen Bezug mehr zu damals. Das hat mich tief bewegt, und deshalb konnten wir dieses Stück nicht als brachialen Punksong veröffentlichen. Es ist ein Lied, das mir viel bedeutet.
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