ADAM ANGST

Foto

Und das soll Punk sein?

ADAM ANGST ist der schlitzohrige Fiesling, der durch die Straßen der Stadt zieht, sich über Stammtischparolen ereifert, im Büro während des Meetings gern einen auf dem Tisch abseilen würde und der Beziehungslethargie beklagt. ADAM ANGST ist keine Person, es ist eine Band. Was es auf dem gleichnamigen Debüt zu entdecken gibt, sind große Gesten, kleine Gemeinheiten und eine deftige Portion Rock-Attitüde. Und das soll jetzt Punk sein? In mancherlei Hinsicht schon, nur nicht unbedingt auf der Ebene der Musik. Die hält so einige Überraschungen parat. Aber das kann dieser Felix, von dem gerade alle sprechen, besser erklären.

Eure Platte wird in Reviews beinahe durchgängig als Punk-Album eingeordnet. Mal abgesehen von dem Tango in „Was der Teufel sagt“ habe ich da eher Rock’n’Roll und Hardrock gehört. Wie siehst du das selbst?

Ich würde da eher dir zustimmen. Es ist komisch, dass immer das Wort Punk benutzt wird. Wahrscheinlich liegt das an meiner Zeit mit FRAU POTZ. Der Punk findet sich bei ADAM ANGST eher in der harten Sprache und den angepissten und gesellschaftskritischen Themen. Ich wollte auf der Platte zwei Dinge zusammen bringen. Zum einen Rockmusik. Und das bedeutet eben nicht nur Viervierteltakt-Durchgeprügel. Zum anderen sollte eben diese harte Sprache dazukommen. Böse Zungen könnten es so formulieren, dass wir diese Sprache „salonfähig“ machen, indem wir sie auf diese Weise einbringen. Es geht darum Rock und Pop mit dieser Sprache zu verbinden. Ich höre privat andere Sachen als Punkrock.

Betrachtest du ADAM ANGST als Band? Es wirkt eher so, als wäre es allein dein Ding.

Inzwischen sehe ich das schon als Band. Wir haben die Platte aber nicht zusammen gestaltet. Ich habe die Songs geschrieben, seit FRAU POTZ auf unbestimmte Zeit pausieren. Die Demos für die Platte standen also schon und dann kamen nach und nach die anderen Leute dazu. Das hätte auch das nächste FRAU POTZ-Album werden können oder auch eine Soloplatte, auf der ich einfach machen kann, worauf ich Bock habe. Wie es sich jetzt als Band entwickelt hat, ist ganz frei und locker aus Gesprächen entstanden. Dass es wirkt, als wäre es mein Ding, liegt sicher auch daran, dass ich auf allen Fotos allein zu sehen bin. Das hat aber auch mit der Schaffung der Kunstfigur Adam Angst zu tun. Was das Bandgefüge angeht, sehen wir einfach in Ruhe, was kommt. Es ist natürlich möglich, dass sich da was ändert. Es wäre aber blöd, die ganze Sache wieder einzustampfen, wenn einer aussteigt. Das soll nicht wieder nur eine Platte werden.

Wie würdest du diese Kunstfigur Adam Angst beschreiben?

Die Idee geht zurück auf Tebartz-van Elst. Das ist der Limburger Bischof, der Steuergelder veruntreut hat, um sich seinen persönlichen Prunksitz bauen zu lassen. Ich finde die Figur sehr interessant. Die Stellung als Bischof verleiht dir eigentlich die weißeste Weste. Trotzdem hat Tebartz-van Elst die schlimmsten Dinge anstellt. Es geht bei ADAM ANGST um die Gegensätzlichkeit von Menschen. Es geht in vielen Songs auf dem Album um Schein und Sein, Gut und Böse, Teufel und Gott.

In dem Video zu „Ja, ja ich weiß“ finden sich viele typische Rockstar-Moves. Wie viel Inszenierung gibt es bei ADAM ANGST?

Ja, das wird live ganz interessant werden. Das hat auf jeden Fall alles eine gewisse Attitüde. Es macht Spaß, eine Rolle zu spielen, und darauf können sich die Leute einstellen. Wenn man mich privat kennen lernt, merkt man schnell, dass ich nicht so bin, wie es auf der Bühne vielleicht rüberkommt.

Macht dich der Gedanke an die Tour dann nervös? Das war in der Vergangenheit ja eher weniger Show.

Ja, schon. Um konzeptionelle Dinge haben wir uns nicht viele Gedanken gemacht. Wir wollen aber zusehen, dass es einen gewissen Ablauf gibt. Nicht um der Selbstdarstellung Willen, sondern weil wir den Leuten, die zu den Konzerten kommen, Unterhaltung bieten wollen. Wir kommen alle musikalisch aus verschiedenen Ecken und haben das bisher unterschiedlich gelöst. Ich denke schon, dass ich aufgeregter sein werde als sonst.

Deine Texte haben einen recht speziellen Stil, als ob sich gerade jemand sehr aufregen würde. Das ist für euer Label Grand Hotel van Cleef eher untypisch.

Die Texte fließen so aus mir raus. Das ist meine Art und Weise zu schreiben. Auf der anderen Seite ist es aber auch totales Kalkül. Es gibt reichlich Bands, die ihre Texte dazu verwenden, bestimmte Stimmungen zu erzeugen und weniger um ein Thema zu besprechen. Ich hab es mir zur Aufgabe gemacht, Wörter zu benutzen, die geradeaus sind und vor denen viele vielleicht eher zurückschrecken würden. Ein Beispiel ist „Professoren“. Versuch mal das Wort Nazi in einem Text einzubringen, ohne dass es blöd klingt. Ich versuche zu erreichen, dass jeder weiß, worum es geht, ohne dass es in Parolendrescherei ausartet.

„Was der Teufel sagt“ mit dem Tango-Beat und „Altar“ mit seinem Pop-Einstieg sind schon kleine Ausreißer auf der Platte. Hast du einfach alle Song-Ideen rausgehauen, die du hattest?

Ein wirkliches musikalisches Konzept gab es nicht. Das Album umfasst die Demos, die standen und am besten waren. Gerade mit den erwähnten Songs wollen wir uns die Möglichkeit schaffen, in Zukunft noch andere Dinge auszuprobieren und der Schublade zu entkommen. Ich hab mega Bock auf so Songs wie „Altar“. Aber ich kann zur Beruhigung sagen, dass wir kein komplettes Album in dem Stil machen werden, den dieser Song andeutet.

Soll „Altar“ mit seinem fiesen Ton als letzter Song so eine Art Rausschmeißer aus der Platte sein? Das ist ja nach den ganzen vorhergehenden kritischen Texten ein ziemlicher Bruch, nicht zuletzt auch musikalisch.

Der Song ist eher ein Scherz. Die Tracklist für ein Album stellt man schon mit Bedacht zusammen und der passte sonst nirgendwo so richtig hin. Es passt zur Platte, am Ende so ein Schein-Wohlfühlen zu erzeugen und den Hörer dann da herauszureißen. Den Finger in die Wunde stecken macht einfach Spaß. So einen Song zu schreiben fand ich sehr interessant, gerade mit diesem starken Bruch. Das habe zumindest ich so noch nicht gehört.

Du hast dich wiederholt in Interviews darüber mokiert, dass einige Leute nicht bereit sind, zehn Euro Eintritt für ein Konzert zu bezahlen. Wie oft sind dir Situationen dieser Art tatsächlich passiert?

Ich kenne viele solcher Geschichten, zugegebenermaßen aber nicht bei meinen eigenen Bands. Wo ich solche Dinge häufiger beobachte, das ist zum Beispiel das Bla in Bonn. Bei Konzerten spielen dort meistens drei Bands für unter zehn Euro. Die Leute kommen, man steht da mit der Kasse und die gehen wieder, weil sie nur einen Kneipenabend haben wollten. Dabei könnten sie etwas Neues kennen lernen. Wofür die Leute sonst ihre Kohle raushauen, ist einfach lächerlich. Ich kann verstehen, dass viele wenig Geld haben, unter anderem Schüler und Studenten. Aber man sollte sehen, dass die Bands selbst vor allem erst mal nur Ausgaben haben. Ich denke, sogar Leute wie Casper können nicht dauerhaft von ihrer Musik leben.

Im Vorfeld habt ihr gesagt, dass ihr Kritik erwartet und auf die Reaktionen sehr gespannt seid, weil es musikalisch ja doch in eine sehr andere Richtung geht als bei FRAU POTZ. Wie sieht es bisher aus?

Es ist ein bisschen gespalten. Insgesamt sind die Reaktionen super und es kommen erfreulich wenig Vergleiche mit FRAU POTZ. Wirklich interessant finde ich, dass wir von Leuten, die einfach nur auf Musik stehen, ziemlich abgefeiert werden. Von der Musikpresse hört man etwa, dass sie den „Hype“ nicht verstehen können. Das ist lächerlich, von Hype kann ja keiner sprechen, nur weil wir jetzt gerade mal hier und da auftauchen. Ich denke, die können nicht verstehen, was wir machen, das nicht greifen. Es gibt harte Texte mit Musik, die einen an die BROILERS erinnern könnte, und das wird dann oft als inkonsequent bewertet. Sie wollen entweder Punk oder BROILERS. Alles andere passt in keine Schublade und das finde ich nicht sehr weitsichtig. Insgesamt wurde die neue Band aber akzeptiert. Wir freuen uns auch über Kritik, das heißt am Ende ja, dass man Relevanz hat.