Felix Schönfuss ist Sänger von ADAM ANGST. Die Band ist klar im Punk verortet. Mit Songs wie „Professoren“ oder „Splitter von Granaten“ schrieben sie sogar moderne Klassiker in Sachen politischer Kritik. Jetzt kommt ein neues Album, „Twist“. Und auf einmal geht es auch um persönliche Geschichten, um den Blick ins eigene Innere. Und es gibt neben den gewohnten Punksongs auch andere musikalische Töne. Im Gespräch erklärt Felix die neue Platte – mitsamt ihrem absonderlichsten Stück, dem Deutschrock-Witz „Unangenehm“, gespielt von einem seltsamen ADAM ANGST-Ableger namens WUTGRUPPE 0.
Felix, wie geht es dir?
Soweit gut. Es ist gerade irgendwie stressig, Band und Beruf unter einen Hut zu bringen. Man sitzt nachts an irgendwelchen Sachen und muss morgens um acht Uhr wieder dort auf der Matte stehen, wo die Menschen um einen herum ganz andere Probleme haben. Ich würde am liebsten immer sagen: „Wisst ihr, was ich gestern Nacht gemacht habe?“ Und dann loslegen, haha ... Aber das geht nun einmal nicht.
Na, du kannst immerhin guten Gewissens behaupten, dich der Kunst gewidmet zu haben.
Ach, das würde die Leute dort nicht wirklich interessieren. Meist kommen von Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen – ebenso wie von älteren Familienmitgliedern – eher Fragen wie: „Covert ihr nur? Oder macht ihr auch eigene Stücke?“ Aber das ist ja auch in Ordnung. Es muss ja nicht jeder Mensch irgendwie etwas mit unserer Musik am Hut haben. Ich bin ja manchmal durchaus froh, wenn die Leute um mich herum gar nicht so richtig wissen, was da bei mir in Sachen Band alles so passiert.
Aber ADAM ANGST wurden bislang noch nicht gefragt, ob ein Hochzeitsauftritt möglich sei, oder?
Doch. So eine Anfrage hatten wir tatsächlich mal. Auch über Social Media bekommen wir so was durchaus immer mal wieder rein: „Hallo. Wir können zwar nichts zahlen. Aber habt ihr nicht mal Bock, für einen Kasten Bier bei einem Geburtstag aufzutreten?“ Das ist zwar irgendwie niedlich. Aber ganz ehrlich, so was können und wollen wir uns gar nicht leisten.
Darf ich fragen, was du beruflich machst?
Klar. Ich bin IT-Berater.
Okay. Ich kenne Musiker, die in Schulen tätig sind und deren Schülerinnen und Schüler irgendwann automatisch auf den Trichter kommen, was ihr Lehrer neben dem Beruf so treibt. Als IT-Berater dürfte so etwas eher unwahrscheinlich sein.
Absolut. In meiner Branche ist die einzige richtige Gitarrenmusik, die gehört wird, ohnehin eine, die vor vierzig, fünfzig Jahren entstanden ist. Die kennen DEEP PURPLE oder GROBSCHNITT und feiern das ab. Manche sind auch im Bereich Mittelalter- oder Dark Metal unterwegs sind. Kurzum, es gibt wenig Überschneidungen.
Dann lass uns mal zu eurem neuen Album kommen. Es heißt „Twist“. Twist – das kann ein Tanz sein. Oder ein Twist in einem Film, der die Handlung in eine völlig andere Richtung lenkt.
Genau so ist das auch gemeint. Wir wollten einen doppeldeutigen Titel wählen. Dazu haben wir in unserem privaten Umfeld zunächst einmal Personen unterschiedlichen Alters gefragt: „Was verbindet ihr mit dem Begriff Twist?“ Und da gab es einerseits junge Menschen, die das nur als Plot-Twist kennen, während andererseits die Älteren den Tanz meinen. Und das passte für uns beides sehr gut. Denn dieses Album ist sehr divers, textlich wie musikalisch. Zudem sind die Songs mitunter tanzbarer geworden.
Das stimmt. Von Punk über Pop-Elemente, von Klavier-Begleitung bis hin zu Country-Anleihen umfasst „Twist“ viele Facetten. Bei so etwas stellt sich ja stets die Frage: Zufall oder Kalkül?
Die ersten drei Songs sind schon vor vier Jahren entstanden. Da war sogar von Corona noch nicht die Rede. Und diese Songs waren damals schon derart unterschiedlich, dass uns allen klar war: Wir machen als Nächstes dann eben eine Platte, die entsprechend klingt. Somit war dieses Prinzip geboren.
Hat sich das einfach so ergeben, dass die Punkband ADAM ANGST plötzlich auch andere Pfade einschlägt?
Mir ist es als Songwriter einfach wichtig, nicht langweilig zu werden. Nicht immer das Gleiche noch mal zu machen nur für die Fans, die man bisher gesammelt hat. So etwas ist mir total zuwider. Klar, es gibt einige Bands, bei denen das vollkommen in Ordnung ist. Die machen das eben immer so. Bei denen ist es letztlich egal, welche Platte man sich gerade anhört. Und es ist ja auch schön, wenn man immer weiß, was man als Fan bekommt: Nämlich das, was man sich erhofft. Aber wir wollten einfach ausbrechen aus diesem Kreis – auch weil wir ja immer mit diesem politischen Geschrei in Verbindung gebracht werden. Dabei gibt es ja auch noch andere Dinge in meinem Leben, die mich beschäftigen. Und diesbezüglich will ich jetzt entsprechend mutiger sein. Ich will mehr über ganz banale Dinge reden und singen dürfen. Über persönliche Gefühle, Emotionen. Wie auch immer. Ich weiß noch, beim zweiten Album hatten wir ja noch so ein bisschen das Gefühl von „Oh, da muss jetzt aber noch irgendein politischer Banger drauf!“ Und wenn du so schon denkst, wenn du das nicht mehr machst, weil du eine politische Überzeugung hast, sondern weil du einfach meinst, das jetzt so nach außen tragen zu müssen, weil es genau so erwartet wird, dann ist das schlecht. Und dann fängt man eben an zu überlegen. Also haben wir überlegt – und uns schließlich gesagt: Nein. Wir schreiben das, worauf wir Bock haben! Wir wollen uns entwickeln und viele verschiedene Sachen bieten.
Das klingt interessant. Denn es impliziert etwas ... Kann das Umfeld, aus dem eine Band kommt – bei euch ist es Punk –, zu einem Nachteil, zu einer Bürde werden? Weil es Dinge vorgibt, Erwartungen, die man als Musiker meint, erfüllen zu müssen, obwohl sie den eigenen Vorstellungen, der eigenen Kreativität entgegenstehen?
Durchaus. Es geht ja nicht darum, unpolitisch zu sein. Das wäre schlecht. Aber ich habe ja das Recht, einen Song wie etwa „Unter meinem Fenster“ zu schreiben, der nichts mit Politik zu tun hat. Ich denke, das darf sich jeder rausnehmen, ohne auf der falschen Seite zu stehen. Man muss zudem aufpassen, dass einen Klischees nicht einengen. Und genau das haben wir jetzt einfach mal probiert. Wir wollten ein bisschen ausbrechen. Ich meine, wir sind ja weiterhin die Band, die wir sind. Und wir stehen auch weiterhin zu unserer Meinung und werden diese auch weiterhin kundtun bei Konzerten. Das ist ja gar keine Frage! Aber es war mir eben gerade musikalisch wichtig, mal etwas anderes zu machen. Und wer das nicht mag ...
Der hört es halt nicht?
Ja. Der hört es halt nicht. Dafür ist Musik ja die schönste Demokratie, die man haben kann. Aber wenn man sich als Band selbst langweilt, hat man irgendwann einfach keinen Bock mehr, auf die Bühne zu gehen. Daher gehen wir diesen Schritt. Wohlwissend, dass wir dadurch auch Fans verlieren werden.
Weil diese Fans aus dem Kosmos Punk womöglich besonders genau hinschauen?
Sagen mir mal so: Gerade im Punkrock findest du natürlich Leute, die dir folgen, und die schon eine deutlich krassere Awareness haben für bestimmte Themen. Und das ist auch gut so. Sprich: Wenn wir irgendwie einen Fehler machen, können wir damit rechnen, dass wir entsprechende Kommentare bekommen, die uns auf etwas hinweisen oder uns kritisieren. Bands wie WEIMAR oder KRAWALLBRÜDER oder wie sie alle heißen, haben so was nicht zu befürchten. Aber wie gesagt, das ist gut so. Denn die Leute sollen diese Awareness weiterhin zeigen. Und so lernen wir am Ende ja auch dazu.
Muss man als Künstler, als Musiker auch egoistisch sein?
Ja, zum einen musst du egoistisch sein. Und gleichzeitig musst du auch erst mal lernen, die Befürchtung abzulegen, dass auf das, was du machst, Reaktionen kommen könnten, die dir nicht gefallen. Diesen Egoismus habe ich mittlerweile. Ich habe kein Problem damit, Songs zu schreiben – so wie auf den ersten beiden Platten ja auch schon geschehen –, die überhaupt nicht Punk sind. Diesen Grundstein haben wir ja schon gelegt. Aber man muss auch erst mal klarkommen mit dem Wissen: Ja, wir finden, dass das ein super Song ist. Wir lieben ihn und möchten ihn gerne als Single rausbringen. Gleichzeitig kann es allerdings auch sein, dass er nicht so erfolgreich ist wie etwa „Professoren“ oder „Splitter von Granaten“. Wahrscheinlich ist er sogar ziemlich sicher nicht so erfolgreich, weil die Leute das so von uns eben nicht kennen. Und weil es für uns auch nicht so einfach ist, auf diese Weise neue Leute zu erschließen, in deren musikalischem Umfeld wir bis dahin nie stattgefunden haben. Aber wenn du all das erst mal überwunden hast und sagst „Scheiß drauf! Solange die Leute zu unseren Konzerten kommen ...“, ist alles gut. Wobei unser Publikum ohnehin noch nie nur aus Kuttenträgern mit Iros bestand.
Sondern?
Es sind alle Altersklassen dabei. Von Alten bis hin zu Kindern. Von Leuten, die hinten stehen, bis zu Leuten im Moshpit. Aber wie auch immer: Wir haben jetzt eine Songpalette, die alles Mögliche bedient. Wir haben Bock darauf, viel zu wechseln. Auch mal einen ruhigen Song einzuschieben. Wir haben jetzt alles. Voll auf die Fresse und Singer/Songwriter-Sachen. Und wir wollen die Leute ja auch gerne mal verwirren und ein bisschen vor den Kopf stoßen. Das ist witzig, haha.
Durchaus witzig ist auf „Twist“ auch der mit großem Augenzwinkern versehene Song „Unangenehm“ von der imaginären Band WUTGRUPPE 0. In dem persifliert ihr all die typischen Deutschrock-Bands – von BÖHSE ONKELZ über die erwähnten WEIMAR bis hin zu FREI.WILD. Mal ehrlich, werdet ihr diesen Song auch live spielen – auch auf die Gefahr hin, dass der eine oder andere im Publikum, der euch eben nicht kennt, was vor allem bei Festivals ja durchaus sein kann, den ernst nehmen könnte?
Es juckt uns schon in den Fingern ... Aber wir werden das wohl nicht machen. Dadurch würden wir die Leute wirklich vollends verwirren. Es wird sicher Menschen geben, denen der Song womöglich beim Streaming in die Playlist gespült und vorgeschlagen wird – und die ihn dann wirklich ernst nehmen. Das kann ja durchaus passieren. Denn so ist das Stück ja auch aufgebaut. Es soll ja gerade diese Einfachheit und dieses Stumpfe, dieses Blöde darstellen, das den Deutschrock ausmacht. Es ist doch unglaublich, wie viele Bands in diesem Zusammenhang gerade irgendwie aus dem Boden schießen ... Die spielen alle in irgendwelchen Turnhallen in Sachsen-Anhalt – ausverkauft – und heißen GRENZENLOS oder WEHRHAFT oder so. Ganz komisch. Das hat offenbar Konjunktur. Und ich frage mich immer: Wo kommen die bitte schön alle her? Deshalb ja auch dieser Song. Und ich bin selbst immer aufs Neue überrascht, wie ich diese tiefe Deutschrock-Stimme hinbekomme, haha.
Du hast eben gesagt, dass die ersten Songs schon vor einiger Zeit geschrieben wurden. In einem davon, „Die Lösung für deine Probleme“, zielt ihr auf den Aufschwung der AfD ab. Jetzt kommt die Platte raus – und der Aufschwung ist noch extremer, der Song, wenn man so will, noch wichtiger. Aber Lieder sind das eine. Das andere wären Gespräche. Könntest du dir vorstellen, mit Menschen zu reden, die die AfD wählen, oder ist das ein No-Go?
Das ist die große Frage, die uns alle beschäftigt ... Und ich glaube, den einzig wahren Leitfaden gibt es diesbezüglich einfach nicht. Dafür sind die Menschen zu unterschiedlich. Es gibt Menschen, mit denen musst du nicht reden. Bei denen ist es hoffnungslos. Und es gibt sicherlich Menschen, die zunächst aus Unsicherheit überlegen, die AfD zu wählen, und die das vielleicht noch nicht richtig hinterfragt haben. Und mit diesen Menschen zu reden – das würde sich lohnen. Ich habe mir selbst mal gesagt: Ich würde versuchen, in eine Diskussion zu gehen, wenn ich bei jemandem erkenne, dass das Sinn haben könnte. Aber das Problem dabei ist, dazu müsste ich diesen Menschen ja erst einmal treffen und versuchen, genau diesen ersten Eindruck zu gewinnen. Den Eindruck, dass er sich etwas sagen lassen will. Doch wie soll das gelingen? Wie willst du an solche Leute rankommen? Durch das Internet? Wie soll ich da so einen Menschen kennen lernen? Da rede ich mit entsprechenden Leuten ja entweder gar nicht – oder ich gebe direkt Kontra. Kurzum, ich wünschte, ich könnte dir eine genauere Antwort auf diese Frage geben ... Aber ich bin diesbezüglich nicht komplett am Ende und habe noch Hoffnung.
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