Um ABWÄRTS vorzustellen, reichen eigentlich einige Stichwörter: 1979 Gründung, 1980 die „Computerstaat“-Single, älteste noch existierende Punkband Deutschlands, Frank Z. und Rodrigo González. 2009 erschien die EP „Sei auch dabei!“ und anlässlich dessen tourten die vier Herren erneut quer durch Deutschland. Ich traf Sänger, Gitarrist und Kopf der Band Frank Z. und Gitarrist und Produzent Rodrigo González in Göttingen, bevor sie am Abend dort ein eher launiges Konzert spielten.
„Abwracken“ ist ein Wort, das auf der neuen EP ziemlich oft vorkommt. „Abwrackprämie“ ist ja sogar das Wort des Jahrs 2009 geworden. Gibt es bei euch schon einen Kandidaten für das Wort beziehungsweise Unwort des Jahres 2010?
Frank: Das ist noch ein bisschen früh, da würde ich noch etwas abwarten. Aber Kandidaten sind Griechenland und der Euro, die griechische Staatskrise.
Rod: „Griechische Staatsanleihe“. Auch wenn kein Mensch weiß, was eine Staatsanleihe ist, weiß man, dass eine griechische Staatsanleihe momentan wohl nicht so lukrativ ist.
Frank wie entstehen deine Texte eigentlich, aus einer spontanen Wut auf etwas heraus?
Frank: Ich lese relativ viel Zeitung, auch online. Das ist dann so ein bisschen Textrecherche. Auch in Boulevardblättern wie der Bild-Zeitung. Meine Texte sind dann ja eher etwas plakativer.
Wenn man sich den Sound anhört, den ihr 2004 bei „NuProp“ entwickelt habt, war der sehr druckvoll und sehr schnell, aber die letzten beiden Platten haben sich eher zum früheren ABWÄRTS-Sound entwickelt. Ist es das, wo ihr wieder hinwolltet?
Frank: Es klingt nicht wie früher. Der ganze Sound ist ja viel kompakter.
Rod: Ich finde den neueren Sound richtig poppig. Die Stücke haben teilweise richtige Melodien, was „NuProp“ ja eher weniger hatte. Das heißt jetzt aber nicht, dass wir im Pop-Bereich fischen wollen. Es hat halt Spaß gemacht, das so zu machen. Es hat sich einfach angeboten, auch den einen oder anderen Text in eine extrem konträre, zuckersüße Melodie einzupacken. Bei „Sei auch dabei“ muss ich mir auch immer wieder das Lachen verkneifen, wenn wir das Stück singen und das Publikum mitsingt.
Ihr habt verschiedene Formen bei der Veröffentlichung eurer Alben ausprobiert. „NuProp“ war noch ein klassisches Album mit Singleauskopplung. Zu „Rom“ gab es dann keine Single mehr, dafür eine Videotrilogie im Internet und nach einem Live-Album zum kostenlosen Runterladen gab es die neue EP nur auf Vinyl mit Download-Code. Warum habt ihr das so gemacht und welche Erfahrungen habt ihr damit gemacht?
Rod: Wie die Erfahrungen damit sind, kann man jetzt noch nicht abschätzen. Es ist nicht so, dass jetzt ein unheimlicher Run auf das Vinyl besteht, wir also von einer CD mehr verkaufen würden – aber auch nicht weniger. Der Sinn dahinter, dass man auch immer wieder etwas Neues ausprobiert, ist auch der, dass wir ja gerade in so einer Umbruchsphase sind, in der nichts mehr so funktioniert, wie man immer dachte, dass es funktionieren sollte. Von daher kann man auch mal ein wenig herumexperimentieren und schauen, wie man sich von anderen Bands unterscheiden könnte. Also eine gewisse Einzigartigkeit dabei durchzuziehen. Es ist nur klar, dass die Vinyl-EP jetzt in der zweiten Auflage ist. Die erste war glaube ich nach der ersten Hälfte der Tour schon vergriffen. Was jetzt aber die erste Auflage für eine Höhe hatte, entzieht sich meiner Kenntnis.
Frank: Na ja, auf jeden Fall zeichnet sich ab, dass die CD als Medium mehr oder weniger rückläufig ist. Wenn man ein Album macht, würde man ja vielleicht noch eine CD machen. Aber das weiß ich jetzt noch nicht.
Rod: Unser Label Cargo wollte das Vinyl auch. Die fanden die Idee auch geil, und die kennen sich ja eh im Vinylbereich gut aus. Und es ist ja auch so, dass die kleinen Punk-Läden oder der kleine Indieplattenladen von nebenan eigentlich lieber Vinyl hinstellen als CDs.
Wenn ihr live spielt, habt ihr eine Art Band-Outfit: Ihr tragt alle schwarze Hemden mit wechselnden Aufschriften. Zu Anfang war es „Karstadt“, dann auch die „KfW“. Was ist jetzt gerade aktuell zu lesen?
Rod: Aktuell wechseln wir eigentlich durch. Man kann ja gar nicht so oft Hemden bedrucken, wie Unternehmen pleite gehen. Jetzt haben wir Karstadt, KfW, was wir gar nicht mehr haben, ist Telekom oder T-Mobile. Die hatten wir zu der Zeit die Tour-de-France-Krise.
Was für Leute kommen zu euren Konzerten? Die, die schon seit den Achtzigern kommen?
Rod: Das ist unterschiedlich. Wir haben vorgestern in Dresden gespielt und für meine Begriffe waren viele alte ABWÄRTS-Fans da. Es waren natürlich auch ein paar jüngere dabei. Und in Düsseldorf zum Beispiel war auch älteres ABWÄRTS-Publikum da. Die haben auch immer wieder Uraltzeug gefordert und wir haben es ihnen gegeben.
Ihr habt auch über MySpace Leute gesucht, die in der jeweiligen Stadt dann Plakate und Flyer verteilen. Hat das Auswirkungen auf die Besucherzahlen?
Rod: Das funktioniert eigentlich sehr gut. Man hat sich ja immer auf den örtlichen Veranstalter verlassen, dass der was macht. Die bekommen ja alle ihre Plakate zugeschickt. Manchmal kommst du in eine Stadt und es hängt kein einziges Plakat, weil der Veranstalter es nicht für nötig gehalten oder keine Lust gehabt hat, und dann liegen im Backstage stapelweise Plakate herum. Das haben wir schon ein paar Mal gehabt und das ist Vergeudung von Energie und Zeit, und vor allem auch Vergeudung von Geld, wenn nachher keine Leute kommen, weil keiner wusste, dass wir auftreten. Und von daher ist diese Aktion mit den so genannten „Streetteams“ eine gute Sache, weil das Fans sind, die auf die Musik stehen und freiwillig zusehen, dass diese Plakate geklebt werden. Das bringt mehr, als dem Veranstalter die Dinger ins Büro zu hängen.
Ihr wart ja auch immer viel im Osten unterwegs. Gab es da jemals negative Reaktionen auf Lieder wie „Zonenzombie“?
Rod: Im Gegenteil. Das ist eines der beliebtesten Lieder im Osten. In Cottbus hatten wir nur auf der ersten Tour mal ein Problem, denn PDSler wollten unser Konzert verhindern. Wir haben da im Gladhouse gespielt, das ist ein öffentlich verwalteter Laden und da sitzen halt auch ein paar PDSler im Gremium. Und gerade die Linken wollten unser Konzert verhindern. Die haben uns als „Linksfaschisten“ bezeichnet, weil wir die Ostler als Untermenschen darstellen würden und deswegen nicht dort spielen dürften. Und die Veranstalterin, die ja auch eigentlich links war, hätte eher erwartet, dass jemand von der CDU oder irgendwelche Rechte unser Konzert verhindern wollen.
Hier in Göttingen steht auf den Plakaten: „ABWÄRTS feat. Rod“. Und gestern im Radio wurdet ihr als „neues Soloprojekt vom Gitarristen der ÄRZTE“ angekündigt. Nervt euch das?
Frank: Rod nervt das noch mehr als mich, und es ist halt totaler Blödsinn. Die Leute kommen ja nicht, weil sie denken, es sei ein neuer ÄRZTE-Ableger. Das wissen die ja auch, dass das eine völlig andere Musik ist. Auf die Idee kommen vielleicht mal zwei oder drei Leute, die dann die ganze Zeit ihre Kamerahandys hochhalten und total rumnerven.
Rod: Ich meine, das ist stumpf, aber die Veranstalter wollen halt auch keinen leeren Saal haben, die wollen ein paar Euro verdienen und da packt man das halt aus. Wir haben ja bei uns einen in der Band, der kommt aus einer viel größeren Ecke. Unser Bassist ist bei ADORO, und wenn sich das erst mal verbreiten würde, dann würde die Halle hier platzen. Dann könnten wir gleich in die großen Hallen ziehen. Nächstes Jahr machen wir Werbung mit ADORO. Das ist dann richtiges Crossmarketing. Kennst du ADORO? ADORO sind vier Tenöre, unheimlich erfolgreich. So in Richtung Semino Rossi. Das ist ganz großer Schlager.
Frank: Viel grausamer geht es nun wirklich nicht mehr.
Wenn man euch mit anderen Bands vergleicht, die anderthalb Monate auf Tour gehen, sind eure Touren immer recht überschaubar. Diesmal sind es circa zehn Konzerte. Hat das einen Grund?
Rod: Die Popularität der Band reicht einfach nicht aus, um drei Monate auf Tour zu gehen. Macht ja auch nicht viel Sinn, auf Tour zu fahren und vor 20 Zahlenden zu spielen. Wir versuchen schon, in einer Region nicht zu oft hintereinander zu spielen, denn dann kommen immer weniger Leute. Diese so genannte Krise betrifft eben auch die kleinen Bands. Und ABWÄRTS würde ich schon als kleine Band bezeichnen, die zusehen muss, wie sie ihren Bus, ihren Mischer oder ihren Tourmanager bezahlen kann.
Gibt es eigentlich noch Kontakt zu früheren Bandmitgliedern? Ich habe gelesen, dass FM Einheit hier gerade in Göttingen am Deutschen Theater Musik zu einem Stück entwickelt.
Rod: Vielleicht kommt er ja heute und bohrt ein bisschen die Bühne an oder so.
Frank: Mit der Axt hat er doch auch mal was eingehauen. Da haben wir in München auf einem Festival gespielt und er kommt plötzlich mit einer Axt raus und zerlegt die ganze Bühne. Spektakulär! Das wusste auch vorher keiner. Zu dem hab ich aber auch nicht mehr so viel Kontakt. Aber zu den anderen habe ich überhaupt keinen Kontakt mehr.
Rod: Doch, zu Mark Chung. Den haben wir doch auch vor ein paar Jahren gesehen, oder nicht?
Frank: Doch, klar.
Frank, vor fünf Jahren hast du in einem Interview im Ox gesagt, dass du irgendwann mal ein Buch über die Musikbranche schreiben wirst. Wie sieht’s aus?
Frank: Das Buch schreibe ich, aber nicht über die Medienlandschaft. Das ist mir zu langweilig. Das wird eher ein Roman. Ich bin da noch mittendrin. Ich habe das zwar vor fünf Jahren gesagt, aber erst vor einem halben Jahr damit angefangen ... das sind schon Sachen, die sich ein bisschen ziehen. Ich erzähle viel, wenn der Tag lang ist, haha.
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