Die Hamburger Band ABWÄRTS hat schlappe 38 Jahre nach ihrer Gründung und vier Jahre nach dem letzten Album „Krautrock“ ihre neue Platte „Smart Bomb“ veröffentlicht. Genau diese ABWÄRTS, die 1980 mit „Computerstaat“ eine bahnbrechende Single, kurz danach mit „Amok Koma“ ein ebenso wichtiges Punk-Album veröffentlichten und die durch ihren Auftritt beim „Geräusche für die 80er“-Festival in der Hamburger Markthalle ihren legendären Ruf zementierten. In vier Jahrzehnten ist viel passiert, ABWÄRTS legten immer wieder mehrjährige Pausen ein, wechselten das Line-up und blieben sich doch selber immer treu. Zumindest was Sänger, Gitarrist und Mastermind Frank Z. angeht, die einzige wirkliche Konstante in der Band.
Frank, was motiviert dich beziehungsweise euch, nach fast vierzig Jahren ABWÄRTS immer noch weiterzumachen?
Na ja, was ist in den letzten Jahrzehnten so passiert auf der Welt? Da ist so einiges im Arsch und es wird nicht weniger. Das ist oft Dreh- und Angelpunkt meiner Texte. ABWÄRTS sind ja so etwas wie ein Projekt, das heißt, nur wenn wir wirklich Bock haben, was zu machen, machen wir es auch; ich meine, „Krautrock“ ist nun auch schon wieder vier Jahre her. Also alles tranquilo und nach dem Lustprinzip.
Man kann nicht sagen, dass ihr im Laufe der Jahre altersmilde geworden seid, was beim Status quo der Welt da draußen auch nicht allzu schwierig sein dürfte. Aber was tust du gegen Resignation und Fatalismus?
Um ehrlich zu sein, bei bestimmten Dingen habe ich schon resigniert. Nimm die Politik, ein einziges Kasperltheater. Aber leider ein Kasperltheater mit teils fatalen Folgen. Zum Beispiel dieser NSU-Prozess: da untersuchen die acht Jahre nach der Tat vier Jahre lang, warum ein Verfassungsschutz-Typ in einem Kasseler Internetcafé sitzt und nicht mitbekommen hat, dass praktisch neben ihm der Besitzer des Ladens erschossen wird. Ergebnis der Untersuchung: Zero. Statt diesen Typen und mit ihm von mir aus den ganzen Verfassungsschutz in den Knast zu stecken, laufen die alle frei herum. Da kann man schon sauer werden. Im Zweifel hilft auch mal ein Cuba Libre.
Im Frühjahr wurde eure erste Single „Computerstaat“ neu aufgelegt. Ist es nicht komisch, dass diese immer noch eine gewisse Aktualität besitzt, obwohl das Computerzeitalter 1980 noch vollständig in den Kinderschuhen steckte und sich die Welt seitdem durch die Digitalisierung rasant verändert hat?
Ja, die Single verkaufte sich auch jetzt wieder erstaunlich gut. Wir haben 1980 eben „vorausschauend“ gedacht, es war irgendwie klar, dass der Computer das neue große Ding wird. Das Internet in seiner heutigen Form konnte allerdings absolut noch keiner vorhersehen. Trotzdem markieren die Achtziger den Beginn des totalen Informationszeitalters. In diesem Zusammenhang ist jetzt der Song „Smart bomb“ entstanden: die denkende Bombe, die mit tödlicher Präzision ihr Ziel findet. Da wird gewissermaßen ein netter kleiner Bogen der Entwicklung gezogen. Ich bin überhaupt kein Technikgegner, aber man sollte realisieren, dass wir nicht in Disneyland leben.
Mit einer Coverversion der ANDREWS SISTERS war so bei ABWÄRTS 2018 nicht unbedingt zu rechnen. Wie kam es dazu, diesen alten Hit auszugraben? Imperialismuskritik?
Ich habe auch nicht damit gerechnet, das Stück ist dann eben auch mal wieder was ganz anderes. Ich habe den Song „Rum & Coca Cola“, den ich vorher noch nicht kannte, zufällig nachts im Autoradio gehört und nicht mehr aus dem Kopf bekommen. Der Text handelt ja von amerikanischen GIs in den Vierziger Jahren, die sich damals auf Trinidad gegen Bezahlung mit den einheimischen Girls vergnügten. Und das alles in so einen schönen Relax-take-it easy-Song verpackt. Der blanke Sarkasmus. Eher Imperalismusrealität.
Du sprachst ja davon, dass ABWÄRTS als Projekt zu sehen sind. Ist das eine Erklärung dafür, dass es euch so lange schon gibt? Und inwieweit sorgt das dafür, dass ihr euch musikalisch auch immer wieder mal neu aufstellt?
Ganz klar existieren ABWÄRTS über die Zeit nur durch den Projektcharakter. Als sich die Band nach zwei Alben Anfang der Achtziger aufgelöst hatte, hatte sie schon zwei Umbesetzungen hinter sich. Danach war es mal ein Zwei-Mann-, dann ein Ein-Mann-Projekt. Erst Anfang/Mitte der Neunziger Jahre gab es wieder eine relativ stabile „normale“ Bandbesetzung. Nach langer Pause ging es dann 2004 weiter. Diese ganzen personellen Umstellungen haben natürlich auch immer wieder für neue musikalische Einflüsse gesorgt. Ich selber bin allerdings auch hin und wieder recht experimentierfreudig. Mal ein paar Worte zur aktuellen Besetzung: Wir haben seit 2004 bis heute tatsächlich die konstanteste Phase der Band, bestehend aus Dog Kessler, Rod Gonzalez und mir. Bassist Björn Werra ist jetzt aber auch schon ein paar Jährchen dabei.
Inzwischen tretet ihr auch mal unplugged auf. Keine Sorge, damit in die Ecke der gealterten Rocker gesteckt zu werden, denen sonst nicht mehr viel einfällt? Und was darf man von euren „regulären“ Konzerten erwarten?
Na ja, bisher haben wir das Unplugged-Ding einmal in Lüneburg gemacht. Das war ganz witzig. Ob wir das noch mal wiederholen, ist noch nicht klar. In erster Linie ist das eine Frage der Größe des Clubs und ob er die doch recht krasse Lautstärke unserer „normalen“ Gigs verträgt. Sorgen mache ich mir diesbezüglich sowieso um nichts. Auf unserer Tour im Herbst werden wir, na klar, wieder ein paar von den alten Krachern spielen, ich denke aber, dass das „Smart Bomb“-Zeug auch hervorragend für Live-Auftritte geeignet ist. Neulich meinte mal jemand, so leicht kritisch, der Opener „Aber für nichts“ wäre Stadionrock. Da fehlen uns nur noch die Stadien.
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